Neurale Korrelate affektiver und kognitiver Theory of Mind - eine fMRT-Studie

Abstract

Theory of Mind (ToM) bezeichnet die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen, um deren Überzeugungen oder Wünsche zu erfassen. Die ToM-Fähigkeit ist bei verschiedenen psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen beeinträchtigt, was bei den PatientInnen zu einer Minderung der Lebensqualität führt. ToM wird differenziert in eine affektive und eine kognitive Komponente. Während die affektive ToM eher das Einfühlen in den Gemütszustand anderer Personen bezeichnet, umfassen kognitive ToM-Leistungen das eher rationale Erschließen mentaler Zustände des Gegenübers. In bisherigen Studien wurden affektive ToM-Leistungen mit medialen orbitalen Regionen des Frontalkortex in Verbindung gebracht, wobei kognitive ToM-Leistungen mit dem dorsolateralen präfrontalen Kortex assoziiert wurden. Um die affektive und die kognitive Subkomponente der ToM genauer zu spezifizieren, beschäftigte sich die vorliegende Studie mit folgenden Fragen: Unterscheiden sich die neuralen Korrelate affektiver und kognitiver ToM unter Anwendung der fMRT-Version des Yoni-Para¬digmas (Originalversion von Shamay-Tsoory and Aharon-Peretz, 2007)? Inwiefern sind die Basalganglien in die ToM-Prozessierung involviert? Gibt es auf Verhaltensebene Zusammenhänge zwischen neuropsychologischen Domänen, soziodemografischen Parametern oder Persönlichkeits- und Gesundheitsmaßen und der ToM-Fähigkeit? 30 gesunden RechtshänderInnen (15 Frauen, 15 Männer; mittleres Alter = 25,3 +/- 2,5 Jahre) wurden im MRT (1,5 T, TE = 50 msec, TR = 3000 msec) 60 Items des Yoni-Paradigmas zur Bearbeitung vorgelegt. Von jeder der Kategorien affektive ToM (aff), kognitive ToM (kog) und Kontrollbedingung (phy) wurden jeweils 20 Items gezeigt. Mit vier Tasten wählten die ProbandInnen zwischen den gegebenen Antwortmöglichkeiten. Jedes Item wurde für die Dauer von 6 sec dargeboten. Zwischen den Items erschien als gitter ein Fixationskreuz (im Mittel 3,9 sec). Neben den funktionellen Sequenzen wurde eine T1-gewichtete 3D-Aufnahme des Gehirns angefertigt. Die statistische Auswertung erfolgte mit der Software SPM 5 und 8. Neben einer ausführlichen neuropsychologischen Testung wurden verschiedene validierte Persönlichkeits- und Gesundheitsfragebögen eingesetzt. Als zusätzliche ToM-Tests dienten der Saarbrücker Persönlichkeits-Fragebogen, die Empathie-Skala und der Reading the Mind in the Eyes Test. Die statistische Auswertung erfolgte mittels der Software SPSS, Version 18. Die Kontraste aff über phy und kog über phy zeigten beide Aktivierung in klassischen ToM-Regionen, nämlich im Temporallappen mit Sulcus temporalis superior, im supplementär¬motori¬schen Areal und in parietalen Strukturen jeweils der rechten Hemisphäre. Im Kontrast aff über phy fand sich zusätzlich eine Aktivierung im orbitofrontalen Kortex und in den Basalganglien sowie im Gyrus cinguli und im Gyrus precentralis und frontalis inferior links. Weitere Cluster des Kontrastes aff über phy lagen im rechten parietalen Kortex unter Einschluss des Precuneus und im linken Cerebellum. Im direkten Kontrast aff über kog zeigte sich Aktivierung im temporoparietalen Übergang und im cingulären Kortex der rechten Hemisphäre sowie im linken supplementärmotorischen Areal. Der Kontrast kog über aff brachte keine Voxel mit signifikanter Aktivierung hervor. Im Kontrast aff über phy zeigte sich Aktivierung im Nucleus caudatus und im Pallidum rechts. Die aus der region of interest der Basalganglien extrahierten β-Gewichte korrelierten mit der Skala perspective taking aus dem Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen. Trotz Durchführung einer umfangreichen neuropsychologischen Testbatterie und Einsatz verschiedener Fragebögen wurden nur vereinzelte Korrelationen zwischen der ToM-Fähigkeit und den erhobenen Verhaltensmaßen gefunden. Die dargestellten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die affektive und die kognitive ToM können auf neuraler Ebene mit der fMRT-Version des Yoni-Paradigmas differenziert werden. Die beiden ToM-Teilbereiche scheinen zwar einerseits auf ein gemeinsames Kernnetzwerk an Hirnregionen zurückzugreifen, können andererseits aber auch neuroanatomisch differenziert werden. Die affektive ToM rekrutiert im Vergleich zur kognitiven ToM zusätzliche Regionen. Diese Regionen befinden sich übereinstimmend mit bisherigen Studien vor allem in medialen Anteilen des Frontalhirns. Weiterhin ist in der vorliegenden Studie gezeigt worden, dass die Basalganglien in die Prozessierung affektiver ToM involviert sind. In der Literatur wurden ToM-Defizite bei unterschiedlichen Basalganglienerkrankungen beschrieben. Es ist wahrscheinlich, dass die Basalganglien bei der affektiven ToM eine Rolle spielen, indem sie die für Simulationsprozesse notwendige motorische Komponente beisteuern. Die wenigen gefundenen Korrelationen zwischen der ToM-Fähigkeit und den erhobenen Verhaltensmaßen weisen darauf hin, dass ToM bei gesunden Personen eine von anderen kognitiven Fähigkeiten und Persönlichkeitsmaßen weitgehend unabhängige Domäne darstellt

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