RNA Edierung als molekulare Ursache für Kerngenom-Plastom-Inkompatibilität

Abstract

In pflanzlichen Zellen zeugen drei genetische Kompartimente von der endosymbiotischen Entstehung der Eukaryoten aus ehemals autonomen Organismen. Die Genome dieser Kompartimente, das Kerngenom, das Mitochondriengenom (Chondriom) und das Plastidengenom (Plastom), interagieren dabei auf verschiedenen Ebenen. Diese Interaktion muss koordiniert und streng reguliert ablaufen, um ein Funktionieren des Gesamtsystems zu gewährleisten. So bilden die Subgenome eine evolutive Einheit. Deutlich wird diese Koevolution der Subgenome, wenn beispielsweise das Kerngenom einer Art mit dem Plastidengenom einer anderen Art kombiniert wird. Dies kann zu aberranten Phänotypen führen, ein Phänomen, das als Kerngenom-Plastom-Inkompatibilität bezeichnet wird. Molekulare Mechanismen hinter diesem weit verbreiteten und seit über 70 Jahren bekannten Phänomen waren bislang jedoch nicht identifiziert worden. Die Kombination des nukleären Genoms von Atropa belladonna [Ab] mit dem Plastidengenom von Nicotiana tabacum [(Nt)] führt zu einem albinotischen Phänotyp. Mit Hilfe von direkten und revers genetischen Ansätzen konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass der Albinismus der [Ab(Nt)]-Cybride allein auf einem Defekt in der Prozessierung einer N. tabacum spezifischen plastidären Edierungsstelle beruht. Dabei handelt es sich um eine Edierungsstelle im Transkript für die alpha-Untereinheit der plastidären FOF1-ATPase, atpA. Während in N. tabacum das CCC Prolincodon an Codonposition 264 in atpA durch Edierung in ein CUC Leucincodon überführt wird, ist das Leucincodon in A. belladonna bereits genomisch kodiert. In der Kombination des A. belladonna Kerngenoms mit dem Plastidengenom von N. tabacum verbleibt das C unediert. In Folge der Abwesenheit der Edierungsstelle im Plastidengenom von A. belladonna (T auf DNA) ist offensichtlich kein funktionelles Allel für den nukleär kodierten spezifischen Edierungsfaktor vorhanden. Neben weiteren, bereits bekannten Edierungsdefekten an N. tabacum spezifischen Edierungsstellen in der [Ab(Nt)]-Cybride konnte auch ein Edierungsdefekt an einer Edierungsstelle identifiziert werden, die in beiden Arten vorhanden ist. In Codon 17 von ndhG findet Edierung sowohl in A. belladonna als auch in N. tabacum statt. In der [Ab(Nt)]-Cybride verbleibt diese Stelle jedoch unediert. Der Grund dieses Defekts liegt wahrscheinlich in einem Unterschied in der Erkennungssequenz der Edierungsstelle zwischen den beiden Arten. Auch wenn dieser Edierungsdefekt in ndhG nur eine untergeordnete Rolle bezüglich der phänotypischen Ausprägung der [Ab(Nt)]-Cybride spielt, zeigte sich, dass nukleär kodierte Edierungsfaktoren und plastidäre Edierungsstellen koevolvieren. Auch innerhalb näherer Verwandtschaftsgrade konnten Unterschiede in der Verteilung von Edierungsstellen in den Plastomen von zwei Arten der Gattung Nicotiana identifiziert werden. N. tabacum und N. glutinosa besitzen jeweils eine artspezifische Edierungsstelle. RNA Edierung könnte also möglicherweise ein genereller Faktor für Kerngenom-Plastom-Inkompatibilität sein. Überraschenderweise zeigte die Analyse der N. glutinosa spezifischen Edierungsstelle im N. tabacum Kernhintergrund, dass die artfremde Edierungsstelle prozessiert wird. Dies wird als heterologe Edierung bezeichnet und konnte mittlerweile für mehrere Edierungsstellen gezeigt werden. Offensichtlich ist die Koevolution von plastidärer Edierungsstelle und nukleär kodiertem Edierungsfaktor nicht in allen Fällen so strikt wie zunächst angenommen wurde. Edierungsfaktoren scheinen also zum Teil auch in Abwesenheit der Edierungsstelle (T auf DNA) evolutionär stabil zu sein. Wie der Fall der [Ab(Nt)]-Cybride zeigt, kann RNA Edierung eine wesentliche Rolle in der Kerngenom-Plastom-Inkompatibilität spielen. In diesem Fall ist ein Edierungsdefekt der Auslöser für den albinotischen Phänotyp. Edierungsdefekte müssen jedoch nicht zwangsläufig aufgrund artspezifischer Muster plastidärer Edierungsstellen auftreten. Heterologe Edierung findet weitaus häufiger statt, als bisher angenommen. Bei einem interspezifischen Austausch von Organellen muss also im Einzelfall untersucht werden, ob Edierungsdefekte auftreten und wie schwerwiegend solche Defekte gegebenenfalls sind

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