Compliance with international obligations - How to explain intra-institutional variations of compliance with the ILO Core Labour Standards

Abstract

Im Zentrum der unter den Begriffen "Globalisierung", "Denationalisierung" bzw. "Entgrenzung" diskutierten Entwicklungen steht vorrangig die Beseitigung von Grenzen für Kapital und Güter sowie den Abbau von Rechtsnormen, die den Handlungsspielraum der Akteure einschränken (Deregulierung). Dadurch gerät die Ordnung von Sozialräumen unter Anpassungsdruck und es entsteht Bedarf für neue Regulierung auf zwischenstaatlicher Ebene, die den erweiterten Marktaktivitäten angepaßt ist. Im Bereich internationaler Arbeitsstandards hat eine solche Verlagerung von Regulierungsaktivitäten auf eine höhere Ebene aufgrund von Marktöffnungsprozessen stattgefunden. Die Mitgliedstaaten der ILO hoben im Kontext der ökonomischen Globalisierung 1998 faktisch acht Übereinkommen aus allen anderen hervor. Das mittlerweile universale Bekenntnis zu diesen "Kernarbeitsnormen" steht jedoch im Widerspruch zu deren tatsächlichen Einhaltung. Als Hindernis einer funktionierenden Sozialordnung auf staatenübergreifender Ebene erweist sich somit nicht die mangelnde Regelsetzung, sondern die effektive Um- und Durchsetzung bestehender Regeln. In den Internationalen Beziehungen wurde diese Compliance-Problematik, insbesondere die Erklärung intra-institutioneller Variationen bei der Regeleinhaltung, nicht systematisch berücksichtigt. Um Variationen bei der Regeleinhaltung innerhalb eines institutionellen Rahmens zwischen Staaten, welche die internationalen Verpflichtungen durch die Ratifikation als bindend anerkannt haben, erklären zu können, entwickelt die Dissertation zuerst einen analytischen Rahmen, der auf der Akteursmotivation basiert. Es wird gefragt, ob Akteure eine intrinsische Motivation zur Regeleinhaltung haben oder nicht. Damit rückt in den Vordergrund, ob Regelverstöße "gewollt" oder "ungewollt" sind. Anhand dieses handlungstheoretischen Kriteriums lassen sich zwei Compliance-Perspektiven mit zwei unterschiedlichen Handlungsmotivationen begründen. In der Enforcement-Perspektive haben Akteure keine intrinsische Motivation zur Normbefolgung. Dementsprechend resultiert regelabweichendes Verhalten daraus, daß Akteure nicht bereit sind, die Kosten von Compliance zu tragen. In der Management-Perspektive streben Akteure hingegen an, sich normkonform zu verhalten. Regelverstöße resultieren dann aus mangelnden Handlungsmöglichkeiten und/oder Unklarheiten über den genauen Geltungsbereich der Regeln. Mit dem entwickelten analytischen Instrumentarium läßt sich die Regeleinhaltung aus einer gesamtheitlichen Perspektive untersuchen. Die auf der Basis beider Perspektiven durchgeführte systematische Untersuchung der Gründe regelabweichenden Verhaltens und der aufbauenden Strategien zur Erlangung bzw. Gewährleistung von Compliance läßt nicht nur die institutionellen Rahmenbedingungen sichtbar werden, die das Handeln aller Mitgliedstaaten hinsichtlich Compliance beeinflussen. Vielmehr werden auch Mechanismen erkennbar, welche erklären können, warum sich Vertragsparteien trotz gleicher institutioneller Rahmenbedingungen im Grad der Regeleinhaltung unterscheiden. Im Ergebnis steht ein einheitliches Analyseraster für Compliance zur Verfügung, das sowohl die zwischenstaatliche als auch auf die nationale Ebene umfaßt und dessen integrierende Sichtweise gewährleistet, alle relevanten Bereiche der Compliance-Problematik untersuchen zu können. Es wird argumentiert, daß Enforcement- und Management-Perspektiven nicht als Gegensätze zu verstehen sind, sondern erst die Zusammenschau und Kombination der Hypothesen beider Sichtweisen ein Analyseraster ergibt, das die Variationen bei der Regelkonformität adäquat erfassen kann. Die auf dieser konzeptionellen Grundlage durchgeführte empirische Analyse der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen ergibt folgende Ergebnisse: (1) Die universale Geltung der Kernarbeitsnormen der ILO führt zu Entkoppelungsprozessen, die sich nicht positiv auf das gesamte Compliance-Niveau auswirken. (2)In der ILO existiert ein Ungleichgewicht zu Lasten kontrollierender, erzwingender Elemente gegenüber problemlösenden, legitimitätsstiftenden Elementen, das sich negativ auf das gesamte Niveau der Einhaltung der Kernarbeitsnormen auswirkt. (3)Für alle Kernarbeitsnormen gilt, daß Regelverstöße nicht die Ausnahme und teilweise sogar der Regelfall sind. Das empirisch feststellbare signifikante Ausmaß an Verstößen gegen die Kernarbeitsnormen ist auf Entkoppelungsprozesse und die Enforcement-Schwäche der ILO zurückzuführen. (4) Die Ratifikation der ILO-Kernübereinkommen hat nicht den allgemein angenommenen positiven Effekt auf die Einhaltung der dort enthaltenen Regeln. Reputationsüberlegungen und die konstitutiven Effekte der Kernarbeitsnormen in Verbindung mit der wahrgenommenen Enforcement-Schwäche der ILO scheinen dazu zu führen, daß die Ratifikation gerade für die Staaten am vorteilhaftesten sein kann, die am wenigsten den internationalen Vorgaben entsprechen. (5) Zur Erklärung intra-institutioneller Variationen der Regeleinhaltung sind sowohl Enforcement- als auch Management-Variablen notwendig, deren Erklärungskraft allerdings in Abhängigkeit der Normspezifika variiert.The study addresses the problem of compliance with international norms in the issue of social human rights. It is located in the context of opening and closing of markets and social systems. The processes of globalization or "denationalization" are primarily geared toward the opening of markets. Through more open markets national forms of social order get under pressure of adjustment and a demand for new regulation on the international level emerges, that adapts to the extended market activities. The project operates at the interface of the literature on international institutional effectiveness and international legal systems /legalization. It examines, in particular, the question how to explain different compliance grades within one international institution. Why do some states comply with the rules of an international accord while others do not? Unlike the explanation of different compliance-rates between institutions, the question of differences within an institutional context has long been ignored. The study develops an analytical framework combining insights from the field of sociology, economics, and international law that is based on a common neo-institutionalist perspective. It focuses on the causes of violations and the associated compliance-strategies. This allows for a systematical exploration of factors that enhance or impede compliance. The analysis assumes a multi-level perspective. While cause and effect are located on different levels, the analytical focus is shifted to the domestic level i.e. to domestic institutions, actor constellations, and collectively shared systems of meanings in order to account for intra-institutional variations. In doing so the compliance-approach will be advanced regarding country-specific explanations. Theoretically, I integrate different approaches on compliance with international norms into a comprehensive analytical framework. It combines two perspectives that are often treated as alternatives with contending claims about the sources of non-compliance and the most effective strategies for addressing this problem: the enforcement and the management approach. Regarding the underlying logics of action, each position is restricted to a particular thick theory of actors' preferences. On the one hand, actors do not have an intrinsic motivation to fol-low norms (enforcement), whereas (non-)compliance is voluntary, depending on the incentive structure. On the other hand, actors do have an intrinsic motivation to follow norms (management). Non-compliance is understood to be involuntary and compliance becomes a question of norm internalization and rule interpretation. Insofar, enforcement and management correspond to rational choice institutionalism and sociological institutionalism. I argue that only the combination of both approaches leads to an analysis-raster that allows for the diversity of causes of non-compliance. In order to demonstrate the empirical feasibility of this integrated approach, compliance with the four "Core Labour Standards" of the International Labour Organization (ILO) will be examined. Methodologically, a multivariate, cross-section analysis is used to examine the effect of the theoretically derived explaining variables on compliance with the obligations of the corresponding ILO conventions on the basis of partly self developed and constructed indicators. For it, data collection had to be improved. By analyzing all four Core Labour Standards and all ILO member states concerning compliance, the data collection is extended to more cases than previously researched. The setting up of this data set allows for cross-national as well as cross-sectional comparisons. The results clearly show that variables from both perspectives, enforcement and management, can account for intra-institutional variations. It is finally demonstrated that no single mechanism can claim superiority and dominates the realm of compliance concerning all four Core Labour Standards. Rather norm-specific circumstances (rule ambiguity, main target groups of the conventions) strongly influence the outcomes. In the end, the results of this project serve to specify the importance of explaining factors of compliance in a highly debated policy domain

    Similar works