Ziel der Studie war es zu untersuchen, welche Beckengrößen, -formen und –anordnungen geeignet sind, den Nerzen eine weitgehende Ausübung ihres arteigenen Verhaltens zu ermöglichen.
Von Ende Juli bis Anfang Dezember 2007 fand der erste Versuchsdurchgang (Grundlagenforschung) im Rahmen eines längerfristig angelegten Nerzprojekts statt. Für das Projekt wurden 40 amerikanische Nerze (Neovison vison) aus einer kommerziellen Pelztierfarm in zwei identisch aufgebauten Freigehegen (ca. 300 m2) in zwei Gruppen (A und B) mit jeweils 20 Tieren aufgestallt. Die Tiere wurden vom Muttertier mit neun Wochen abgesetzt und in der 13. LW in das Versuchsgehege eingesetzt. Der Vergleich dreier unterschiedlicher Ausführungen ist besonders wichtig, um geeignete Ableitungen für die Ausgestaltung der Vorgaben der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung (2006) zu ermöglichen. In den beiden Arealen wurden den Nerzen je drei verschiedene Wasserbereiche angeboten, die sich jeweils in Form, Tiefe und Fläche voneinander unterschieden. Es standen eine rechteckige „Schwimmrinne“ (Wasserfläche ca. 20,5 m2, Tiefe ca. 30 cm), ein runder „Teich“ (Wasserfläche ca. 4,9 m2, Tiefe ca. 80 cm) und ein fließender „Bach“ (Länge ca. 10 m, Tiefe 3 bis 4 cm mit zwei gumpenartigen Vertiefungen) zur Verfügung.
Die Beurteilung des Tierverhaltens erfolgte mittels Direkt- und Videobeobachtung. Es wurde insgesamt fünfmal jeweils in ca. einmonatigem Abstand an sieben aufeinanderfolgenden Tagen beobachtet. Die Direktbeobachtung wurde mit der „Scan Sampling“-Methode nach Martin und Bateson (1993) durchgeführt. Alle 2,5 min wurden folgende Verhaltensweisen der Tiere erfasst: wasserassoziiertes Verhalten, jeweils „an“ (mind. eine Pfote am Beckenrand) oder „in“ (alle vier Pfoten im Wasser) der Schwimmrinne, dem Teich oder dem Bach. Bei dem Verhalten auf dem Gelände wurde unterschieden zwischen Sozialverhalten, Gehen/Stehen/Laufen/, Ruhen, Trinken an den Nippeltränken, Graben, Klettern, Wälzen, Tragen und Sonstiges. Für die Videobeobachtung wurden pro Areal drei Kameras installiert, jeweils eine Kamera pro Wasserbereich. Die Aufnahmen erfolgten an jeweils sieben aufeinanderfolgenden Tagen vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung in Echtzeit. Es wurden von je drei Tagen pro Beobachtungswoche jeweils zwei Stunden in den Hauptaktivitätszeiten der Tiere ausgewertet. Für die Auswertung wurden die oben beschriebenen wasserassoziierten Verhaltensweisen herangezogen. Die Auswertung erfolgte mittels „behaviour sampling“ und „continuous recording“ (Martin und Bateson, 1993). Um eine Aussage über die Nutzung der Wohnkästen und den Aktivitätsrhythmus der Nerze zu erzielen, wurden alle Tiere mit einem Mikrochip versehen und alle Wohnkästen der Gruppe A mit einem elektronischen Registrierungssystem ausgestattet, das am Institut für Landtechnik, entwickelt wurde. Mit diesem elektronischen Registrierungssystem konnte sekundengenau individuell für jeden Nerz erfasst werden, ob er sich im Wohnkasten, im Schlupfrohr oder auf dem Gelände befand. Somit war eine Aussage über Ruhe- und Aktivitätsphasen, deren tageszeitlichen Schwankungen und deren Dauer möglich. Diese Daten wurden auch zur Festlegung der Auswertungszeiten der Videobeobachtung herangezogen. Des Weiteren sollte mittels des elektronischen Registrierungssystems geklärt werden, ob mehrere Nerze einen Wohnkasten nutzen und ob die Tiere bestimmte Wohnkästen zum Ruhen bevorzugen.
Sowohl die Ergebnisse der Direkt- als auch der Videobeobachtung zeigten, dass die Nerze beider Versuchsgruppen grundsätzlich alle drei angebotenen Wasserbecken annahmen und von Versuchsbeginn bis zum Versuchsende nutzten. Diese grundsätzlichen Beobachtungen stehen im Einklang mit dem in der Literatur geschilderten Verhalten wildlebender Nerze, die semiaquatisch leben. Dabei konnte im Versuchsverlauf von Ende Juli bis Anfang Dezember eine insgesamt tendenziell steigende Nutzungsintensität festgestellt werden. Bei dem Vergleich der Becken miteinander zeigten die Ergebnisse eine eindeutige Präferenz für die Schwimmrinne. Diese wies über den gesamten Zeitraum gesehen die längste Aufenthaltsdauer auf. Der Bach wurde insgesamt am kürzesten aufgesucht. Zu beachten ist dabei, dass bei den statistischen Auswertungen die Becken als in sich geschlossene Einheit betrachtet wurden, obwohl sie sich in jeweils mehreren Faktoren, wie Umfang, Wasserfläche, Wasservolumen und Entfernung zu den Wohnboxen, unterschieden.
Da die Haltung von Jungnerzen in der Gruppe mit dem freien Zugang zu Schwimmbecken erfolgreich war, sollte dieser Ansatz weiter verfolgt werden. Die Ergebnisse dieser Studie legen die Verwendung eines Wasserbeckens mit ca. 30 cm Tiefe und eine Größe von 1 m2 pro Tier nahe. Fließendes Wasser ist nach den Ergebnissen dieser Studie nicht notwendig. Dies stimmt weitgehend mit den Anforderungen der aktuell gültigen Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung (2006) überein, die ein Wasserbecken mit 30 cm Tiefe und einer Mindestfläche von 1 m2 vorschreibt. Die Ergebnisse des elektronischen Registrierungssystems zeigten, dass die Nerze nach einer mehrwöchigen Eingewöhnungsphase einen festen Aktivitätsrhythmus entwickelten, der jeweils in der Morgen- und in der Abenddämmerung einen Aktivitätspeak aufwies. Tagsüber hielten sich die meisten Tiere in den Wohnkästen auf und schliefen. Im Versuchsverlauf stieg die in den Wohnkästen verbrachte Zeit an, das während der Aktivitätsphasen beobachtete Verhalten in und an den Wasserflächen blieb jedoch konstant bzw. nahm tendenziell zu. Die Nerze hielten sich bevorzugt in den Wohnboxen auf, die zu den Futterstellen hin ausgerichtet waren, und verbrachten weniger Zeit in den Boxen, die zur Wasserseite hin lagen. Sie entwickelten dabei (ebenfalls nach einer Eingewöhnungsphase) Präferenzen für bestimmte Wohnboxen auf beiden Seiten. Bestimmte Boxen dienten als Schlafboxen und wiesen überdurchschnittlich lange Aufenthaltsdauern auf. Andere Boxen wurden als „Kotboxen“ verwendet und immer nur sehr kurz aufgesucht. Diese Wohnboxpräferenz variierte im Lauf der Zeit. Die einzelnen Tiere entwickelten dagegen keine Standorttreue hinsichtlich bestimmter Wohnboxen. Gemeinsame Aufenthalte von zwei bis sechs (maximal zehn) Tieren kamen sehr häufig vor, sodass ein Tier-/Wohnboxverhältnis von 1:1 nicht erforderlich zu sein scheint, obwohl Nerze in der Literatur als Einzelgänger beschrieben sind