Bcr-Abl, eine onkogene Tyrosinkinase, ist maßgeblich an der Entstehung der chronischen
myeloischen Leukämie (CML) sowie einem Teil der Fälle von akuter B-lymphoblastischer Leukämie
(B-ALL) beteiligt. Die essentielle Rolle der Kinase-Aktivität von Bcr-Abl für dessen leukämogenes
Potential konnte in zahlreichen Arbeiten demonstriert werden. Entsprechend ist Bcr-Abl Zielstruktur
des ersten klinisch geprüften Tyrosinkinase-Inhibitors, STI571. STI571 führt bei Anwendung während
der chronischen Phase der CML zu einer anhaltenden hämatologischen Remission, die nicht selten
begleitet wird von einem kompletten Verschwinden Ph-positiver Zellen aus dem Knochenmark
(zytogenetische Remission).
In dieser Arbeit konnten zusätzlich zu Bcr-Abl weitere, therapeutisch relevante Zielstrukturen
für die Behandlung Bcr-Abl-positiver Leukämien identifiziert werden. Es handelt sich hierbei um die
Mitglieder der Familie der Src-Kinasen, die über einen komplexen Mechanismus, letztlich aber
unabhängig von der Aktivität der Abl-Kinase, aktiviert werden (siehe Abschnitt 3.1 und 3.2).
Tierexperimente zeigten, dass diese Kinasen zumindest im Rahmen der Bcr-Abl-positiven B-ALL von
essentieller Bedeutung sind (siehe Abschnitt 3.3). Diese Beobachtung war vor allem deswegen
interessant, weil gerade die Bcr-Abl-positive B-ALL nur ein sehr schlechtes Ansprechen auf STI571
als Monotherapie zeigt und weil STI571 Src-Kinasen weder direkt noch indirekt über Bcr-Abl
inhibierte. Durch Exploration des Bindungsmodus von STI571 konnte eine Bindetasche in Abl
identifiziert werden, die Grundlage für die hohe Spezifität von STI571 ist (Abschnitt 3.4). Die dabei
gewonnenen Daten wurden zur Etablierung eines Zellkultursystems genutzt, das die Selektion und
Validierung einer neuen Substanzklasse, der dualspezifischen Src-/Abl-Inhibitoren, ermöglichte. PP1
und CGP76030 waren Prototypen derartiger Inhibitoren. Sie blockierten die Aktivität von Src-Kinasen
und Abl über einen identischen Bindungsmechanismus. Experimente mit Bcr-Abl-positiven Zellinien
deuteten darauf hin, dass die alleinige oder additive Inhibition von Src-Kinasen durch diese
Inhibitoren eine zusätzliche Option für die Therapie Bcr-Abl-positiver Leukämien darstellt (Abschnitt
3.5). Dies gilt insbesondere für Patienten mit fortgeschrittener Leukämie oder dann, wenn sich
aufgrund spezifischer Punktmutationen eine Resistenz gegenüber STI571 ausgebildet hat. Derartige
Substanzen sollten daher in naher Zukunft in Tiermodellen getestet werden