Plasma-Kallikrein (PK) ist eine Serinprotease, die als inaktives Zymogen Plasma-
Prokallikrein (PPK) in der Leber gebildet und in den Blutstrom sezerniert wird. Dort erfolgt
die Konvertierung zum aktiven Enzym im Kontaktphasen-System der Blutgerinnung. Neben
der Funktion im Kontakt-System spielt diese Protease sowohl in der Fibrinolyse als auch im
Kallikrein-Kinin-System eine zentrale Rolle. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass PPKmRNA
auch außerhalb der Leber exprimiert wird. Daraus ist zu schließen, dass dort ebenfalls
PPK-Protein gebildet wird und dass diesem extrahepatischen, gewebeständigen PPK bzw. PK
spezielle lokale Funktionen zukommen. Dieser Befund bildet die Grundlage dieser
Dissertation.
Mit dem langfristigen Ziel die physiologische und pathophysiologische Rolle des extrahepatisch
gebildeten PPK aufzuklären, sollte in dieser Arbeit zunächst mittels einer quantitativen
PCR-Technik (TaqMan) untersucht werden, in welchem Umfang PPK-mRNA und die
mRNAs der übrigen Komponenten des Kontaktphasen-Systems in humanen Zellen bzw. Geweben
exprimiert werden. Aufgrund dieser Ergebnisse sollte im zweiten Teil der Arbeit untersucht
werden, ob bzw. inwieweit das PPK-Gen gewebespezifisch reguliert werden kann.
Hierzu sollten die regulatorisch bedeutsamen Regionen des PPK-Gens charakterisiert werden.
Mittels der TaqMan-Technologie konnte die PPK-mRNA-Expression in allen untersuchten
humanen Geweben quantifiziert werden. In neun Geweben liegt die mRNA-Expression im
Vergleich zur Leber zwischen 1 % und 68 % und in sechs Geweben zwischen 0,1 % und 1 %.
Diese Ergebnisse sprechen für eine ubiquitäre, aber teils sehr unterschiedliche Expression der
PPK-mRNA in humanen Geweben.
Die mRNAs von hochmolekularem Kininogen (HK), niedermolekularem Kininogen (LK),
Faktor XI (FXI) und Faktor XII (FXII) werden dagegen nur in wenigen Geweben exprimiert.
Die Transkripte von HK, LK und FXI findet man außerhalb der Leber nur noch in Nierengewebe
in signifikanter Menge, während FXII-mRNA nahezu ausschließlich in der Leber
synthetisiert wird. Ein gemeinsames Merkmal aller Transkripte ist, dass sie in Lebergewebe
am stärksten expimiert werden.
Zellstimulationsversuche mit HepG2-Zellen ergaben, dass die PPK-mRNA-Synthese mittels
Lipopolysacchariden (LPS) kurzfristig induziert werden kann, was für eine wesentliche
Funktion von PPK bzw. PK bei Entzündungsreaktionen spricht. Im Gegensatz hierzu bewirkt
Phorbol-12-myristat-13-acetat (PMA) eine Herabregulation der PPK-Transkription.
Untersuchungen zur Stabilität der mRNAs von PPK und dem Haushaltsgen GAPDH mit den
Transkriptionsinhibitoren Actinomycin D, α-Amanitin und DRB zeigten, dass die mRNAAbbaurate
in HepG2-Zellen vom jeweils eingesetzten Transkriptionsinhibitor abhängt. Bei
allen Transkriptionsinhibitoren wurde das PPK-Transkript im Vergleich zu GAPDH deutlich
schneller (Faktor 3-5) abgebaut. Dies weist darauf hin, dass die PPK-mRNA-Spiegel in den
Zellen durch ständige Neusynthese aufrechterhalten werden, um eine kontinuierliche Produktion
von PPK zu gewährleisten.
Mittels der RLM-RACE Methode wurden in Leber-, Pankreas-, Nieren- und Testisgewebe die
PPK-Transkriptionsstartpunkte (TS) identifiziert. Während in der Leber und im Pankreas nur
TSs in Exon 1 des PPK-Gens benutzt werden, findet man in Nieren- und Testisgewebe TSs
sowohl in der upstream-Region als auch in Intron 1. Weiterhin wurden in Nierengewebe drei
am 5´-Ende verkürzte PPK-Transkripte detektiert, die aufgrund dieser Deletion keine Signalpeptid-
Sequenz enthalten und dadurch eine intrazelluläre Lokalisation der entsprechenden
PPK-Isoform bedingen. Die Consensussequenz-Analyse für die Transkriptionsinitiation zeigt,
dass jedem experimentell ermittelten Transkriptionsstart eine TATA-Box oder/und ein
Initiator-Element assoziiert ist. Außerdem konnte durch die RLM-RACE-Analysen die Existenz
eines weiteren untranslatierten Exons im 5´-Bereich des PPK-Gens ausgeschlossen werden.
Unter Anwendung der Genome Walker Technik wurde die Promotorregion (P-1729) stromaufwärts
von Exon 1 kloniert und mittels Reportergen-Studien analysiert. In HepG2-Zellen
zeigt dieses Gensegment eindeutig transkriptionsaktivierende Kapazität.
Durch die Generierung von neun Verkürzungsvarianten konnten der Core-Promotor (-158 bis
+22), Enhancerbereiche (-1675 bis -1494) und Silencerregionen (-1304 bis -674) charakterisiert
werden. Die Transkriptionsfaktoren-Analyse ergab, dass bei der Regulation durch die
P-1729 Region neben ubiquitär exprimierten auch streng gewebespezifische Transkriptionsfaktoren
eine zentrale Rolle spielen.
Reportergen-Untersuchungen des Intron-1-Bereichs in HEK 293-Zellen zeigten, dass auch
diese Region des PPK-Gens transkriptionsaktivierende Kapazität besitzt. Ebenso zeigt aber
auch der P-1729 Bereich in HEK 293-Zellen Promotoraktivität. Somit können innerhalb eines
Zelltyps beide Promotorbereiche funktionell aktiv sein, wodurch eine alternative Regulation
der PPK-Transkription ermöglicht wird