In vielen Ländern ist in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Anstieg der Milchleistung bei Kühen in der Milchviehhaltung zu beobachten. Gleichzeitig ging bei steigendem Kraftfuttereinsatz der Weidegrasanteil in den Milchviehrationen zurück und wurden die Kühe auch größer und schwerer. Fasst man die Literaturergebnisse zur Eignung von Hochleistungstieren für die (konsequente) Weidehaltung zusammen, dann zeigt sich folgendes Bild:
• Die tägliche Weidefutteraufnahme ist im Gegensatz zur Stallhaltung mit 15–20 kg T pro Tier stärker begrenzt. Als Ursachen dafür werden die begrenzte Fresszeit, Bissfrequenz und Bissanzahl diskutiert.
• Hochleistungstiere mobilisieren zu Laktationsbeginn im Vergleich zu niedrig leistenden Kühen über einen längeren Zeitraum und auch deutlich stärker Körperreserven.
• Mit steigender Einzeltierleistung muss bei Weidehaltung mit einer stärkeren Stoffwechselbelastung (Nährstoffmobilisation, erhöhte Stoffwechselrate, Hitzestress, etc.) gerechnet werden. Diese kann auch zu einer Verschlechterung der Fruchtbarkeitsergebnisse und Nutzungsdauer führen.
• Wenn hohe Einzeltierleistungen mit größeren und schwereren Kühen verbunden sind, dann ist von stärkeren Trittschäden auf den Weiden auszugehen.
In Österreich greift ein Großteil der Weidebetriebe auf Stunden- oder Halbtagsweidehaltung mit entsprechend hoher Beifütterung zurück. Darüber hinaus ist die saisonale Abkalbung nicht üblich. Bei diesen eingeschränkten (Weide-) Systemen ist daher (noch) nicht zu erwarten, dass die derzeitigen gezüchteten Kuhtypen nicht mehr weidetauglich sind. Je stärker jedoch „Low-Input“ Strategien am Milchviehbetrieb umgesetzt werden, desto weniger geeignet dürften dafür Kühe mit hohen Laktations(einsatz)leistungen sein. Grundsätzlich kann extensiver wirtschaftenden Betrieben bzw. biologisch wirtschaftenden Betrieben empfohlen werden, bei der Zuchttierauswahl verstärktes Augenmerk auf die Fitnessmerkmale zu legen. Bei zunehmender Differenzierung der Leistungs- und Fütterungsbedingungen zwischen den Betriebssystemen ist nämlich zu erwarten, dass die unter intensiveren Bedingungen ausgelesen Tiere nicht mehr automatisch auch die besten Kühe für extensive Fütterungsbedingungen (Genotyp-Umwelt-Interaktion) sind. Stellt man einen Vergleich der Zuchtwerte der eingesetzten Zuchtstiere auf biologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben an, dann zeigen sich nämlich noch keine wesentlichen Unterschiede. Bio-Betriebe greifen (noch) nicht stärker als die konventionellen Berufskollegen/innen auf Tiere mit hohen Fitnesszuchtwerten zurück (Fürst 2006)