Die Entwicklung der Proplastiden zu Etioplasten ist ein lichtunabhängiger Vorgang, der eine Serie plastidenspezifischer Synthesen von Nucleinsäuren, Lipiden, Kohlenhydraten und Proteinen impliziert. Etioplasten - ein für etiolierte Angiospermen typisches Plastidenentwicklungsstadiurn, das geringe Mengen Protochlorophyllid, aber noch keine Chlorophylle enthält - sind Endprodukte einer Sequenz von Entwicklungsprozessen aus undifferenzierten Proplastiden. Dieser lichtunabhängige Differenzierungsvorgang ist u.a. mit der Ausbildung eines plastideneigenen Systems für Proteinsynthesen (DNA, 70 S Ribosomen, tRNA, Arninoacyl-RNA Synthetasen) korreliert. Damit können in der Dunkelphase signifikante Mengen pufferlöslicher Strornaenzyrne (z.B. Enzyme des reduktiven Pentosephosphatweges, Fraction I-Protein), wasserunlösliche Strukturproteine des Prolarnellarkörpers - ein charakteristisches inneres Membransystern der Etioplasten - und rnernbranassoziierte Proteine des photosynthetischen Elektronentransportes synthetisiert werden. Die weitere Entwicklung der Etioplasten zum photosynthetisch aktiven Chloroplasten wird durch Licht - in Abhängigkeit von der Lichtintensität und der Wellenlänge - induziert und durch Photoakzeptoren reguliert. Die Photoregulationen können indirekt über differentielle Genaktivierungen oder/und direkt durch Enzyrnaktivitätsänderungen infolge Wechsel der Membranpermeabilität für Substrate und direkt durch de novo-Synthesen von Enzymen wirken. Kontrolliert werden die lichtinduzierten Regelprozesse durch die im Kern und in den Plastiden lokalisierte DNA. Dabei übernimmt die Kern-DNA wahrscheinlich die Funktion des Trägers der Strukturgene für viele Chloroplastenproteine, während die Plastiden-DNA möglicherweise als Sitz der Regulatorgene aufzufassen ist. Kern, Cytoplasrna und die durch eine doppelte Hüllrnernbran begrenztenPlastiden besitzen je ein getrenntes System der Transcription und Translation. Die räumliche Kompartirnentierung des Cytoplasrnas vorn Plastidenstrorna schließt die funktionelle Trennung nicht aus: es ist anzunehmen, daß an der Kern- bzw. Plastiden-DNA transcribierte mRNAs sowohl an den 70 S Ribosomen der Plastiden alsauch an den 80 S Ribosomen des Cytoplasmas zu spezifischen Polypeptiden während der Plastidendifferenzierung verknüpft werden. Die Präsenz mehrerer Regelkreise, die in pflanzlichen Eukaryontenzellen die Plastidenentwicklung steuern, erschwert die Interpretation der Ergebnisse im Sinne einer kausalen Analyse.So sind Steuerung und Verlauf der Photomorphogenese von Etioplasten zu Chloroplasten ein komplexes Differenzierungsproblem. Zum Teil bedingt durch differentielle Genaktivierung übernehmen die Etioplasten in Blättern heterotropher Pflanzen während ihrer Entwicklung zu Chloroplasten sequentiell Teilschritte der Photosynthese. Trotz einer Fülle von Daten über ultrastrukturelle und biochemische Teilaspekte der Chloroplastengenese aus Etioplasten sind viele Detailfragen - insbesondere der Synchronisation ultrastruktureller und funktioneller Differenzierungsschritte - weitgehend ungelöst. Mit den Methoden der Elektronenmikroskopieund der Biochemie werden in dieser Arbeit Einzelschritte der Chloroplastenentwicklung analysiert. Als Objekt wurden Etioplasten, ergrünende Plastiden und Chloroplasten in vivo oder im isolierten Zustand aus Primärblättern von Hordeum vulgare 'Bido' L. untersucht. [...