Röhser, Günter

Publikationsserver der Universität Tübingen

RUYSCH, Johann — SALOME, galiläische FrauSALOME, galiläische Frau, (vom hebr. Scha- lom = Heil, Frieden) gehört nach dem Markus- evangelium zu jenen (drei oder vier) Frauen, die nach 15,40 Kreuzigung und Tod Jesu »von ferne« beobachteten und nach 16,1-2 am Os- termorgen zum Grab Jesu kamen mit der Ab-sicht, ihn zu »salben« bzw, mit »Aromen« zu versehen. Unter den namentlich genannten (zwei) Zeuginnen des Begräbnisses Jesu (Mk. 15,47) erscheint sie nicht. Im Unterschied zu den anderen Frauen wird sie auch nicht näher durch ihre Herkunft (vgl. Maria Magdalena), durch die Beziehung auf einen Mann (vgl. Ma-ria, die Mutter des Jakobus) oder nähere Anga-ben bestimmt, sodass sich weitere Spekulatio-nen zu ihrer Person verbieten (Schwester Jesu nach Mk. 6,3; vgl. Epiphanius, haer. 78,8,1; 78,9,6; anc. 60,1; Tante Jesu nach Joh. 19,25). Man kann lediglich sagen, dass sie zusammen mit den anderen namentlich genannten zu je-nen Frauen zählte, die bereits in Galiläa Jesus »nachfolgten und ihm dienten« (15,41; das Re-lativpronomen am Anfang dieses Verses be-zieht sich entweder auf alle Frauen von V. 40 oder nur auf die drei namentlich genannten). Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar: Weder werden die Frauen »Jüngerinnen« ge-nannt noch ist deutlich, welchen »Dienst« sie leisten: Man kann an Tischdienst (vgl. Mk. 1,31 par.) ebenso wie an eine allgemeine Unterstüt-zung der Jesusbewegung (vgl. Lk. 8,3) denken. Und ebenso wie »viele andere« waren sie mit Jesus »hinaufgezogen nach Jerusalem« (Mk. 15,41b). - Ambivalent ist auch die Darstellung der Frauen im MkEv insgesamt: Einerseits werden sie erst zum Höhepunkt der Darstel-lung als Zeuginnen ins Spiel gebracht (Kreu-zigung, Tod und Auferstehung Jesu), was man angesichts antiker Urteile über Frauen (Unzu-verlässigkeit und Unglaubwürdigkeit) als be-sondere Auszeichnung und Wertschätzung verstehen kann. Von da aus wird dann auch mit 15,41 zusammenfassend ihre Präsenz in das gesamte öffentliche Wirken Jesu zurück-projiziert (vgl. immerhin 3,34-35). Anderer-seits ist die Darstellung auch nicht uneinge-schränkt positiv: Auch die Frauen stehen nicht unter dem Kreuz (vgl. aber Joh. 19,25), son-dern nur in der Ferne; die Salbungsabsicht der beiden Marien und Salomes ist angesichts von 14,8 (Salbung zum Begräbnis) eigentlich über-flüssig; und als es darauf ankommt, die Bot-schaft des Engels auszurichten, versagen die drei und laufen entsetzt davon, sagen nieman-dem etwas (Mk. 16,7-8; zurechtgerückt im kürzeren Markusschluss sowie nur für Maria Magdalena [Mk. 16,10] im kanonischen Mar-kusschluss). Aber immerhin leisten sie damit beträchtlich mehr als die (männlichen) Jünger, die bereits in Gethsemane davongelaufen sind: Sie bekunden ihre Treue und Verehrung für Jesus und bleiben bei ihm, wo eigentlich nichts 1137 1138-  s I. Ambival:IO SALOME, galiläische Fraumehr zu hoffen ist (die Kombination von Ge-genwart auf Distanz und Nachfolgenotiz in 15,40f. dürfte ebendies zum Ausdruck brin-gen; so auch die Salbungsabsicht in 16,1). Dies ergibt eine gewisse Parallele zu Jesus selbst (»Mischung« aus Verzweiflung und Hoff-nung gemäß 14,33-36; 15,34); ebenso wie von Gott ist Jesus auch von den Frauen nur schein-bar oder vorübergehend verlassen. So werden die drei Frauen von 15,40 auch zu den ersten Zeuginnen des leeren Grabes und der Aufer-stehungsbotschaft des Engels im Grabe (zur Dreizahl vgl. Mk. 16,1 mit Dtn. 19,15 sowie die drei hervorgehobenen Jünger Petrus, Jako-bus und Johannes). - Im Matthäusevangelium ist Salome bereits durch die Mutter der Söhne des Zebedäus - an der nur Matthäus ein beson-deres Interesse zu haben scheint - verdrängt, nicht - wie vielfach in Tradition und Exegese- mit ihr gleichgesetzt (27,56; vgl. 20,20), im Lukasevangelium ist sie durch Johanna ersetzt (24,10; vgl. 8,3), und im Johannesevangelium ist sie vollständig vergessen. Der Grund da-für dürfte das vollständige Fehlen von Zusatz-informationen zu dieser Frau sein (in deutli-chem Unterschied etwa zu Maria Magdalena).- Umso erstaunlicher ist ihre spätere rezepti-onsgeschichtliche »Karriere«: Namenslisten von Jüngerinnen Jesu mit Salome finden sich v. a. in altkirchlichen Schriften über die Ord-nung der Kirche (z. B. Apostolische Konsti-tutionen 3,6; Testamentum Domini 1,15f.) so-wie in der gnostischen 1. Jakobusapokalypse (40,25f.) und in manichäischen Texten (her-ausragend darüber hinaus der manichäische Thomaspsalm 16, der Salome gewidmet ist). Dialogpartnerin Jesu ist Salome in Logion 61 des koptischen Thomasevangeliums: Sie be-zeichnet sich selbst als »Jüngerin« und damit als mit den (männlichen) Jüngern gleichge-stellt. Als Dialogpartnerin Jesu erscheint sie ebenso im enkratitischen Ägypterevangeli-um (Fragmente bei Clemens von Alexandrien, Stromateis III) sowie besonders in der gnos-tischen Pistis Sophia (vier Gesprächsbeiträ-ge). Im zweiten Fragment des geheimen Mar- kusevangeliums werden »die Schwester des Jünglings, den Jesus liebte« (Lazarus?), »sei-ne Mutter und Salome« nebeneinander ge-nannt; doch »Jesus nahm sie nicht auf« (im Unterschied zum Lieblingsjünger). Darüber hinaus wird sie bei Celsus (nach Origenes, Contra Celsum 5,62) als Vermittlerin gehei-mer Lehren für die Carpocratianer genannt (entsprechende Schriften sind allerdings nicht erhalten). - Schwerpunkte der Salome- Traditionen sind also erkennbar Ostsyrien und Ägypten. In mittelalterlichen Osterspie-len (und darüber hinaus) heißt sie häufig Ma-ria Salome (Tradition von den drei Marien am Grabe). Mittelalterliche Legende lässt sie ent-weder in Jerusalem, in Saintes-Maries-de-la- Mer in der französischen Camargue oder im süditalienischen Veroli begraben sein. - Die galiläische Frau Salome ist zu unterscheiden von sieben anderen Frauen aus dem jüdischen und frühchristlichen / altkirchlichen Umfeld, die ebenfalls den häufigen Namen Salome tra-gen: 1) Salome Alexandra (hasmonäische Kö-nigin 76-67 v. Chr.). 2) Schwester Herodes’ des Großen (Josephus, Bell. lud. 1,181; Ant. lud. 14,121 u. ö.). 3) Tochter Herodes’ des Großen (Josephus, Bell. lud. 1,563; Ant. lud. 17,21). 4) Tochter der Herodias, die vor Herodes An-tipas tanzt (ihren Namen kennen wir aller-dings nur aus Josephus, Ant. lud. 18,136f.; in Mk. 6,22-28 par. Mt. 14,6-11 wird er nicht ge-nannt), in erster Ehe verheiratet mit dem Tet-rarchen Herodes Philippus. 5) Frau, die nach Protevangelium Iacobi 19,3-20,4 die Jung-fräulichkeit Marias zunächst bezweifelt, da-für bestraft und anschließend wieder geheilt wird (gemeint ist evtl, die Schwester Jesu; kann im Laufe der Überlieferung mit der Heb-amme [vgl. 6] oder einer weiteren Hebamme identifiziert werden). 6) Hauptperson in einer (zuletzt von Rüdiger Warns hrsg. und übers.) apokryphen Erzählung von Marias Hebam-me Salome (vgl. Bienert/Gemeinhardt 298). 7) erste Ehefrau Josefs (Epiphanius nach Anasta-sius Sinaita, quaest. 153). Die Gestalt der Heb-amme kann (v. a. in koptischer Tradition) auch mit der Jüngerin Salome verschmelzen und diese so zur (ständigen) Begleiterin der hei-ligen Familie werden. - Gedenktag im römi-schen Kalender: 22. Oktober oder 24. April. 1139 1140 ,l  l, ü''. ll. m SALOME, galiläische Frau — SANTIFALLER, LeoLil.: Andrew F. 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Salome, galiläische Frau

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