Jütte, Kathrin

Pohl-Patalong, Uta

Wandel, Jürgen

Publikationsserver der Universität Tübingen

__ ________________________ __ _._Pfu.aur..LrawmLLU,t��Iun.J...J..Cte......_r..LvJ...i ... e...l'.Lw Auch ein Krankenhaus ist Gemeinde 1 Gespräch über die Zukunft von Gemeinde und Pfarramt angesichts der Finanzkrise der Kirche__ 1Uta Pohl-Patalong lebt in Hamburg. Die habilitierte Theologin ist Pastorin der Nordelbischen Kirche und Privatdo­zentin. Derzeit hat die 41-Jährige eine Lehrstuhlvertretung für Praktische Theologie an der Universität Kiel inne. Zeitzeichen: Frau Pohl-Patalong, ist es heute leichter oder schwerer ein Pfarramt auszuüben als vor fonfzig Jahren? UTA POHL-PATALONG:Manches dürfte leichter, anderes schwerer sein. Jede Zeit hat eben ihre beso.nderen Chancen und besonde­ren Schwierigkeiten. Als wichtigste �erausforderung der heutigen Situa­tion sehe ich die Relevanzkrise der Kirche. Das heißt, die Kirchen haben für die Einzelnen wie für die Gesell­schaft nicht die Bedeutung, die ihrem eigenen theologisch begründeten Anspruch entspricht. Dies hängt mit Vielem zusammen, vor allem mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Diese stellen die Frage, ob die jetzi­gen kirchlichen Arbeitsformen best­möglich auf diese Situation reagieren. Und das prägt und belastet die Arbeit Von Pfarrerinnen und Pfarrern in nicht geringem Maße. Das meiste Geld, das die Kirche benötigt und aefwendet,jließt in die Personal­kosten. Braucht denn die evangelischeKirche,für die alle Getauften Priester st�d, überhaupt hauptamtliche Pfarre­rinnen und Pfarrer, die lange studierenund aef Lebenszeit ordiniert und ange­stellt werden? UTA POHL-PATALONG:Diese Frage wurde in der Geschichte der evangelischen Kirche immer Wieder gestellt. Und sie liegt ja auch nahe. Denn der Protestantismus betont das Priestertum aller Getauf­ten. Mir leuchtet jedoch ein, wie Martin Luther die Notwendigkeit eines geordneten Amtes für die Verkündigung des Evangeliums be­gründet hat. Es geht darum, dass die Mitglieder der Kirche wissen: Be­stimmte Menschen sind für die Ver­kündigung zuständig, auf sie kann man sich verlassen. Sie verlieren das Ganze der Kirche nicht aus dem Blick. Sie fühlen sich durch ihre Ordination und die Anstellung bei einer Landes­kirche und durch die Gemeinschaft mit anderen Pfarrerinnen und Pfar­rern der Gesamtkirche besonders verbunden, und nicht nur einer Ortsgemeinde. Dass diese Menschen an der Universität studieren, bevor sie ein Pfarramt übernehmen, ist ebenfalls sinnvoll. Das Christentum ist eine Religion, die von der Bezie­hung zwischen alten Traditionen und den heutigen Menschen lebt. Alte Texte wollen ausgelegt und auf das Leben der heutigen Menschen bezo­gen werden. Das ist gerade in der Relevanzkrise der Kirche wichtig. Inwiefern? UTA POHL-PATALONG: Das akademische Studium fördert die gründliche Beschäftigung mit und das Nachdenken über die christlichen Traditionen, die Bibel, die Dogmen, das, was Christen zu früheren Zeiten gedacht und wie sie gehandelt haben. Das Theologiestudium ermöglicht, dass Traditionen nicht einfach wiederholt, sondern dass sie kritisch durchdacht werden. So werden Pfar­rerinnen und Pfarrer befähigt, die christliche Tradition für die Gegen­wart immer wieder neu auszulegen und für das Leben der Menschen von heute fruchtbar zu machen. Es geht darum, dass Pfarrerinnen und Pfarrer Uta Pohl-Patalong die Religiosität von Menschen und die religiösen Dimensionen in der Gesellschaft wahrnehmen, reflektie­ren und mit den christlichen Traditio­nen so in Beziehung setzen, dass sie für die Menschen von heute lebens­dienlich werden. Was Sie gerade skizziert haben, kann helfen, die Ref evanzkrise des christlichen Glaubens, der Kirche und der Pfarrerin­nen und Pfarrer zu überwinden. Dane­ben steckt die Kirche aber in einer Fi­nanzkrise. Dabei stellt sich die Frage: Welche Arbeitsbereiche können und müssen wachsen und welche können und müssen wegfällen. Das betrifft auch Pfarrstellen. Wenn aber hauptamtliche Pfarrerinnen und Pfarrer für die Kirche so wichtig sind, wie Sie gesagt haben, dann muss doch an ihren Stellen weniger gespart werden als an anderen, oder? UTA POHL-PATALONG: Nein. Es wäre eine deutliche Verar­mung für die Kirche, wenn sie sich zeitzeichen 7/2006 39 .... I.unl.Lt ..... ec.1..r__.v__._i ..... eJw_.__ _ _j_e..Jcta..,ru.r .... a.Llm ..... t�-----------------------------beim Erhalt von Stellen ganz auf das Pfarramt konzentrieren würde. Sicher ist es in den derzeitigen kirchlichen Strukturen schwieriger, in einer Gemeinde ohne Pfarrer auszukom­men, als wenn sie auf die Gemeinde­pädagogin oder den Kirchenmusiker verzichten muss. Doch ich bin über­zeugt: Die Kirche braucht Hauptamt­liche mit unterschiedlichen Ausbil­dungen. Gerade die Finanzkrise sollte die Kirche veranlassen, klare Berufs­profile zu entwickeln und zu klären, welcher Beruf für welche Arbeitsbe­reiche zuständig ist. Eine Möglichkeit, Personalkosten zu reduzieren, wäre, hauptamtliche Pfarrer­rinnen und Pfarrer durch Prädikantinnen und Prädikanten zu ersetzen, Laien, die einen weltlichen Beruf ausüben und nebenbei in Kursen für die Leitung von Gottesdiensten befähigt werden. UTA POHL-PATALONG: Laien dürfen nicht dafür benutzt werden, Lücken zu stopfen, wenn es keine Hauptamtlichen gibt. Das ist nicht fair, und es verspricht auch keinen Erfolg. Ich würde eher umge­kehrt argumentieren: Möglicherweise ist die Finanzkrise eine Chance, das Verhältnis zwischen dem Priestertum aller Getauften und dem Pfarramt neu zu durchdenken. Und wie? UTA POHL-PATALONG: In einer Kirchengemeinde, wie sie mir für die Zukunft vorschwebt, gibt es zwei Bereiche. Der eine ähnelt dem eines Vereins. Dort findet das statt, was bisher schon in den Ortsgemein­den unter den Stichwörtern „Ge­meinschaft" und „Geselligkeit" üblich war. Dazu gehören der Seniorenkreis, die Krabbelgruppe, der Gemeindebasar, die Gemeindereise, aber auch die Nachbarschaftshilfe und vieles mehr, Trauergruppen oder Menschen, die das Thema „Trennung" beschäftigt -alle Themen, die Menschen bewegen und für die die Kirche ein Raum sein 40 zeitzcichcn 7/2006 kann, mit ihnen in Gemeinschaft umzugehen. Diese Bereiche werden von den Beteiligten selbst, also eh­renamtlich, gestaltet und geleitet. Und das bedeutet für Pfarrerinnen und Pfarrer: Sie sind nicht mehr die Allroundmanager, die für alles zustän­dig sind. Sie und die anderen Haupt­amtlichen haben vielmehr die Aufga­be herauszufinden, welche Begabungen und Stärken Laien haben und in welchen Bereichen sie sich engagieren können. Die Hauptamt­lichen sollen die Ehrenamtlichen betreuen und begleiten. Aber das ist nicht nur die Aufgabe von Pfarrerinnen und Pfarrern. UTA POHL-PATALONG: Nein. Für die Motivation und Beglei­tung von Ehrenamtlichen werden ja gerade Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen ausgebildet und zum Teil auch Diakoninnen und Diakone. Und was bleibt den Pfarrerinnen und Pfarrern? UTA POHL-PATALONG: Ihnen bleiben zum einen die klassi­schen Aufgaben des Pfarramtes wie der Sonntagsgottesdienst und die Gottesdienste bei Taufe und Konfir­mation, Hochzeit und Beerdigung, außerdem die Seelsorge und der Unterricht. Diese Bereiche wird es nach wie vor in jeder Gemeinde geben. Daneben sollten Pfarrerinnen und Pfarrer weitere Aufgaben haben, die von Gemeinde zu Gemeinde verschieden sein können: Bereiche wie Diakonie und Bildung, Kinder­und Jugendarbeit, Spiritualität, Öku­mene oder interreligiöser Dialog. Das heiflt, Gemeinden setzen in be­stimmten Bereichen Schwerpunkte und suchen sich Pfarrer, die diese Schwer­punkte kompetent ausfüllen können, und umgekehrt. UTA POHL-PATALONG: So ist es. Bisher gibt es neben den Gemeindepfar­rern Sonderpfarrer, die bestimmte Aefgaben übernehmen, zum Beispiel die Krankenhaus- und die Gefängnissee/sor­ge. Wollen Sie den Unterschied zwi­schen ihnen aufheben? UTA POHL-PATALONG: Ja. In meinem Modell versuche ich diesen Gegensatz aufzulösen. Dann gibt es nicht mehr auf der einen Seite Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer, die generalistisch arbeiten, und auf der anderen Seite Sonderpfarrerin­nen und -pfarrer, die sich nur auf einen Bereich spezialisiert haben. Die Zukunft gehört meiner Meinung nach vielmehr dem differenzierten Ge­meindepfarramt. Nehmen wir mal den Krankenhauspfar­rer, also den Pfarrer, der sich um die Patienten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Klinik kümmert. Diese Aufgabe würde in Zukunft also ein besonders begabter und ausgebildeter Pfarrer der Gemeinde ausüben, in deren Bereich das Krankenhaus liegt. UTA POHL-PATALONG: Jein. Dieser Pfarrer wäre kein Ge­meindepfarrer, der neben anderen Aufgaben auch noch Krankenhaus­pfarrer ist. Ich verstehe das Kranken­haus vielmehr als eigene, vollwertige Gemeinde. Hängt es also nur an den Begriffen ,, Gemeinde- "und„ Sonderpfarramt"? UTA POHL-PATALONG: Nein, es geht um einen Vorschlag, wie sich die Kirche in Zukunft insgesamt organisieren könnte - und dies be­trifft dann eben auch das Pfarramt. Ich nenne dies das „Modell der kirch­lichen Orte", um den bislang grundle­genden Unterschied zwischen Orts­gemeinde und anderen kirchlichen Einrichtungen aufzuheben. Ein kirc�­licher Ort ist ebenso eine Kirche mrt Gemeindehaus wie ein Bildungshaus oder ein kirchlich genutzter Raum im Krankenhaus. An dem Beispiel „Bil­dungshaus" kann das bedeuten: Bisher hält eine Pfarrerin, die dort arbeitet, Seminare und Vorträge zu bestimmten Themen oder organisiert sie. Wird das Bildungshaus aber auch als Gemeinde begriffen, wie es mir vorschwebt, also als eigener kirch­licher Ort, werden dort auch regel­mäßig Gottesdienste gehalten, an denen nicht nur diejenigen teilneh­men, die gerade Vorträge und Semi­nare besuchen, sondern alle, die sich zu dieser Gemeinde rechnen, weil sie dort das finden, was sie in der Kirche suchen. Neben dem inhaltlichen Schwerpunktbereich „Bildung" gibt es dann an diesem kirchlichen Ort, in dieser Gemeinde auch einen vereins­ähnlichen Bereich, in dem Menschen miteinander in Gemeinschaft in den Fragen weiterkommen, die sie be­schäftigen. Und sie werden von Hauptamtlichen, je nach Kompetenz Von einer Pfarrerin oder einem Ge­meindepädagogen, betreut und begleitet. Und das Bildungshaus entwickelt möglicherweise mit der Obdachlosenarbeit oder mit Kinder­und Jugendarbeit noch weitere Schwerpunkte. Wenn eine Pfarrerin so für mehrere Schwerpunkte zustän­dig ist, hat sie ein größeres Arbeitsge­biet als die bisherigen Sonderpfarrer Und -pfarrerinnen und vielleicht einen Weiteren Horizont, ohne dass sie zur Generalistin wird, die irgendwie für alles zuständig sind, sondern sie erfüllt bestimmte Aufgaben, erkenn­bar und konzentriert. Der heutige Gemeindepfarrer soll ein fesselnder Redner sein, ein charismati­s�her Jugendführer und Pädagoge, einetnjühlsamer Seelsorger, ein effizienter Manager, versierter Alleinunterhalter, Reiseleiter und vieles mehr. Weil das ein einzelner Mensch nicht leisten kann,entstand in den Sechzigerjahren die Ideedes Teampfarramtes. Das heißt, der Pfarrer, der pädagogisch begabt und gut ausgebildet war, übernahm in der Ge­meinde den Unterricht, ein anderer spezialisierte sich auf die Seelsorge, einDritter auf das Predigen und die Lei­tung von Gottesdiensten. Sollte man dieIdee des Teampfarramtes wiederbeleben? UTA POHL-PATALONG: Ich halte das Teampfarramt für sinn­voll, weil es der Kollegialität und gegenseitigen Ergänzung dient. Ich plädiere für ein differenzierteres Pfarramt, damit die Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Stärken, Begabungen, Charismen entwickeln und fruchtbar machen können. So dient die Kirche auch ihren Mitgliedern. Das wird allerdings angesichts der finanziellen Entwicklungen nicht immer innerhalb einer Gemeinde realistisch sein. Da die Gemeinden aber mit der Profilbil­dung viel stärker aufeinander verwei­sen, kann sich dies auch innerhalb einer Region entwickeln. Dies bedeu­tet auch, bewusst an einer Kultur der Kollegialität zu arbeiten. Neueste Untersuchungen zeigen, dass es unter den Kirchenmitgliedern viele Milieus gibt, Lebensstile, die unter­schiedlich,ja zum Teil gegensätzlich sind. Das hängt mit dem Lebensalter, der unterschiedlichen Ausbildung und Bildung und anderen Faktoren zusam­men. Soll sich die Diffirenzierung des Pfarramts, die Ihnen vorschwebt, daran ausrichten? Sol/jedes Milieu eine eigene Pfarrerin, einen eigenen Pfarrer bekom­men? UTA POHL-PATALONG: Dass die unterschiedlichen Milieus oder Lebensstile von der Kirche zielgenau angesprochen werden, sollte nicht nur in den Händen von Pfarrerinnen und Pfarrern liegen. Natürlich ist es immer auch perso­nenabhängig, welche Menschen und Gruppen von wem angesprochen werden. Und dies könnte auch stärker wahrgenommen und genutzt werden als dies bisher geschieht. Gleichzeitig sehe ich es aber auch als Aufgabe von Hauptamtlichen, unterschiedliche Milieus miteinander in Kontakt zu bringen. Und noch wichtiger für die Milieufrage finde ich: Von der Ge­meinschaft, die in den Ortsgemein­den praktiziert wird, in den Kreisen und Gruppen, die sich regelmäßig und über lange Zeit treffen, werden ja viele Kirchenmitglieder, bestimmte ..... IoLL.Lt.lo.<e..Lr..Yv...1.i.lo.<e...r:wL_ _ _Lp_JJfa�r.i.r_g_aumut�-----------------------------Milieus, eben nicht angesprochen. Daher sollten Hauptamtliche darauf achten, welche Formen von Kirche, von Gemeinde, von Gemeinschaft wen ansprechen. Sollten sich diese verschiedenen Milieus unter dem Dach einer Gemeinde versammeln? Oder sollten sie eigene Gemeinden bilden? UTA POHL-PATALONG: Nach meinem Modell hat ja jede Gemeinde ein eigenes Profil mit bestimmten Schwerpunkten neben dem „vereinsähnlichen" Bereich. Schon aus finanziellen Gründen ist es aber unrealistisch, dass jede Gemein­de das gesamte Spektrum kirchlicher Arbeit abdeckt und alle Aufgaben der Kirche unter ihrem Dach anbietet. Statt dass alle Gemeinden sich in gleicher Weise auf vermeintliche Kernaufgaben reduzieren und so bestimmte kirchliche Aufgaben kaum noch oder gar nicht mehr wahrge­nommen werden, schlage ich eine stärkere Arbeitsteiligkeit vor. Dann übernimmt eine Gemeinde für eine Region die Kinder- und Jugendarbeit, eine andere hat den Schwerpunkt Kirchenmusik, wieder eine andere engagiert sich in der Bildungs- oder in der Obdachlosenarbeit. Dies sollte aber aufeinander abgestimmt und bewusst auf eine größere Region bezogen sein. Dieser Ansatz denkt von der Kirche her und weniger von dem Bereich der Einzelgemeinde. Gefragt wird, welche Aufgaben die Kirche eigentlich hat und wie diese am sinnvollsten zu erfüllen sind. Daneben gibt es aber in jeder Gemeinde eben den „vereinsähnlichen" Bereich, wo Menschen, denen die Nähe zum Wohnort wichtig ist, sich selbsttätig­unter hauptamtlicher Begleitung­versammeln. Damit bleibt die „Kirche der kurzen Wege", besonders für die weniger mobilen Menschen in unse­rer Gesellschaft erhalten, ohne dass sie sich darauf beschränkt. Manche, die sich über die Pfarrer der Zukueft Gedanken machen,fardern, 42 zeitzcichcn 7/2006 diese sollen sich stärker auf ihre spirituelle Kompetenz besinnen und beschränken, sie sollen Geistliche werden. Was sagen Sie zu dieser Forderung vor dem Hinter­grund Ihrer Vorstellungen von Gemeinde und Pfarramt? UTA POHL-PATALONG: Die Charakterisierung von Pfarrerin­nen und Pfarrern als Geistliche darf nicht bedeuten, dass sie nur für Got­tesdienste, Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen zustän­dig sind. Ich wünsche mir Pfarrerin­nen und Pfarrer, die als Geistliche auch in der Obdachlosen- oder Kin­der- und Jugendarbeit wirken. Das heißt, sie sind ihrer jeweiligen Bega­bung und Ausbildung entsprechend in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig, dabei aber deutlich getragen von einer eigenen Spiritualität und diese erkennbar lebend. Bei der Ausbildung evangelischer Pfar­rerinnen und Pfarrer spielte das Predi­gen eine hervorragende Rolle. Die Spiri­tualität wurde dagegen eher in das Belieben des Einzelnen gestellt. Muss sich das ändern? UTA POHL-PATALONG: Die eigene spirituelle Entwicklung kann die Ausbildung nicht abnehmen. Aber sie kann gefördert werden. Das geschieht ja bereits wesentlich stär­ker als es vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Bei der Entwicklung und Förderung von Spiritualität muss aber die Förderung im Vordergrund ste­hen, nicht die Forderung. Dazu gehört beispielsweise auch, dass ein Umgang mit der Arbeitszeit gefördert und eingeübt wird, der Raum für ein spirituelles Leben lässt. Vor allem aber gehört dazu, dass die Fähigkeit gefördert wird, auf der Basis der eigenen Spiritualität auch andere Spiritualitäten zu begleiten und zu fördern - dies halte ich für eine ganz wesentliche pastorale Kompetenz. Im Protestantismus werden Geistliche und Laien in ihrer Funktion unterschie­den, nicht aber ihrem Wesen nach. Ande-rerseits betrachten die Kirchenmitglieder Pfarrerinnen und Pfarrer eben doch oft als Priester. Ihr Geburtstagsbesuch gilt mehr, als der eines Kirchengemeinderates, so als ob das Stück Geburtstagstorte geheiligt wird, wenn es der Pfarrer ver­zehrt und lobt. Wie sollen evangelische Kirche und Theologie damit umgehen? Sollen sie sich den Erwartungen anpas­sen, oder soll zumindest die Theologie solche Erwartungen kritisch hinte,fragen? UTA POHL-PATALONG: Die genannten Erwartungen von Kirchenmitgliedern, die auch Nicht­mitglieder teilen, weisen auf ein Problem hin, das Protestanten theolo­gisch nicht gelöst haben: das Verhält­nis zwischen dem Priestertum aller Getauften und dem Pfarramt. Der Nimbus, den Pfarrer und Pfarrerinnen teilweise haben, wird dadurch geför­dert, dass sie in den Gemeinden bisher als die rundum Zuständigen erlebt werden. Wenn die Funktionen und Zuständigkeiten in der Gemein­de dagegen klarer bestimmt werden, werden Pfarrer und Pfarrerinnen stärker von ihren inhaltlichen Kompe­tenzen her wahrgenommen. Und dadurch geraten auch die anderen Hauptamtlichen und die Ehrenamt­lichen mit ihren Kompetenzen stärker ins Blickfeld der Kirchenmitglieder. Ich betrachte das Pfarramt funktional, von bestimmten Kompetenzen und bestimmten Aufgaben her als einen wichtigen Teil der kirchlichen Struk� tur und Organisation. Dadurch gewin­nen beide Seiten, Pfarrinnen und Pfarrer und Ehrenamtliche, an Bedeu­tung, etwas, was nicht nur angesichts leerer werdender Kassen allen Kir­chenmitgliedern zugute kommen wird. Das Gespräch führten Kathrin Jütte und Jürgen Wandel am 22. Mai 20°6 in Hamburg. 

Auch ein Krankenhaus ist Gemeinde : Gespräch über die Zukunft von Gemeinde und Pfarramt angesichts der Finanzkrise der Kirche

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Auch ein Krankenhaus ist Gemeinde : Gespräch über die Zukunft von Gemeinde und Pfarramt angesichts der Finanzkrise der Kirche

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