Innerhalb der Familie der Pinnipedia liegt eine große inter- und
intraspezifische Variabilität bezüglich der Zeiteinteilung vor, die die Tiere im
Verlaufe eines Jahres an Land bzw. auf See verbringen. Daraus ergibt sich ein
breites Spektrum an Entfernungen, die einzelne Robben zum Nahrungserwerb
zurücklegen. Die Gründe für diese inter- und intraspezifischen Unterschiede sind
jedoch nicht sofort ersichtlich. Man kann davon ausgehen, daß es sich bei Artspezifischen
Strategien um ein angepasstes Verhalten handelt, das den
Nahrungserwerb auf See bei gleichzeitiger Optimierung der Ruhezeit an Land
maximiert. Betrachtet man die gesamte, für den Nahrungserwerb zur Verfügung
stehende Zeit im Verhältnis zur Transitzeit zwischen Ruheplatz und Jagdgründen
und der Zeit zwischen dem Aufenthalt an der Wasseroberfläche und in der
Jagdtiefe, so spielen diese Beziehungen offensichtlich eine wichtige Rolle.
Die vorgelegte Arbeit untersucht das Jagdverhalten von zwei Pinnipedier-
Arten, dem Seehund Phoca vitulina und der Weddellrobbe Leptonychotes
weddellii, in Bezug auf Faktoren, die die zurückgelegten Strecken und die Dauer
von Jagdbeutezügen im Verhältnis zu den Ruhezeiten bestimmen. Um dieser
Fragestellung gerecht zu werden, wurden methodische Fortschritte in der
Telemetrietechnik entwickelt und getestet.
Zur feinskaligen Analyse der Bewegungen der Tiere unter Wasser wurde
das Prinzip der Koppelnavigation in einen Datenlogger (Fahrtenschreiber)
inkorporiert. Anhand der aufgezeichneten Parameter galt es herauszufinden, wie
viel Zeit die Tiere mit unterschiedlichen Aktivitäten verbringen und wo diese
stattfinden. Um Gebiete zu identifizieren, die dem tatsächlichen Beuteerwerb
dienen, wurde der Fahrtenschreiber zusammen mit einem Maul-Sensor (Inter-
Mandibular Angle SENsor = IMASEN) verwendet.
Die zeitliche Gliederung eines Tauchganges, zusammen mit
Informationen über Schwimmgeschwindigkeit als auch frontalem und lateralem
Neigungswinkel, zeigten, dass Seehunde spezifische Reise-, Erkundungs-,
Nahrungssuch- und Schlaftauchgänge vollziehen. Abgesehen von den
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Schlaftauchgängen traten sehr ähnliche Verhaltensweisen auch bei den
Weddellrobben auf.
Ein hohes Maß an gewundenen Bewegungen im Verlauf der
Schwimmstrecke wird als Indiz für aktive Beutesuche angesehen und war bei
den Seehunden am intensivsten in Gebieten mit einer Wassertiefe von
mindestens 10 Metern und in einer Entfernung von mindestens 20 Kilometern
von ihrem Ruheplatz zu finden. Dies stimmt mit der größten Aufenthaltsdichte
überein, die damit auf wichtige Nahrungsgebiete für diese Spezies im
Untersuchungsgebiet hinweist.
Im Gegensatz dazu nutzten die Weddellrobben zum Nahrungserwerb die
Gewässer direkt unter ihrem Ruheplatz auf dem Eis und zeigten daher keine
Unterschiede in der Gewundenheit ihrer Bewegungen, die mit horizontalem
Transit in Verbindung gebracht werden konnten.
Basierend auf diesen Erkenntnissen kann ein Beutezugzyklus, bestehend
aus einem Beutezug und nachfolgender Ruhephase, unterteilt werden in die Zeit,
die mit aktiver Beutesuche verbracht wird (was nur in der Bodenphase von
Jagdtauchgängen möglich ist) und ‚sonstiger’ Zeit, die sich sowohl aus der
Ruhephase an Land als auch aus horizontalem und vertikalem Transit
zusammensetzt.
Als Maß für die Effizienz des Nahrungserwerbes wird der Quotient aus der
Zeit, die mit der aktiven Nahrungssuche verbracht wird und der Dauer des
Beutezugzyklus vorgeschlagen. Die invertierte Effizienz hingegen kann als ein
Maß für ein zeit-bezogenes ‚Beute-Erwerbs-Verhältnis’ (‚prey-acquisition ratio’ =
PAR) hergenommen werden, welches eine Aussage trifft über die nötige
Beutedichte im Jagdrevier, um die in Abhängigkeit von der Entfernung zum
Ruheplatz entstehenden energetischen Ausgaben zu decken. Basierend auf
Daten der beiden Robbenarten wurde dieser Index (PAR) anhand eines Modells
dargestellt. Untersucht wurde, in wieweit horizontaler und vertikaler Transit, der
die Nähe zur Beute und deren vertikale Verteilung in der Wassersäule
repräsentiert, Einfluss auf das PAR nehmen. Die Arbeit zeigt, dass effiziente
Jagdgründe für Robben auf der Grundlage der tatsächlichen Beutedichte in
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Abhängigkeit der Veränderung des PAR als Funktion der Nähe zur Beute
bestimmt werden können. Die Ergebnisse machen deutlich, dass das
effizienteste Verhalten für Robben darin besteht, so lange Zeit wie möglich am
Stück auf See zu bleiben