Krisenintervention bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Evaluation der stationären, DBT-orientierten Krisenintervention im Vergleich mit herkömmlichen Ansätzen

Abstract

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist eine inzwischen weit verbreitete, empirisch gut abgesicherte, manualisierte Therapiemethode für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung. Studien belegen eine deutliche Stabilisierung und Reduktion suizidaler und selbstschädigender Verhaltensmuster nach einem Jahr ambulanter Einzel- und Gruppentherapie. Die Wirksamkeit der DBT wurde außerdem für eine stationäre, dreimonatige DBT-Kurzform sowie in modifizierten Formen für weitere Zielgruppen mit unterschiedlichen komorbiden Störungen nachgewiesen. Trotz der unbestrittenen Therapieerfolge werden viele Patienten in Krisen akut in psychiatrischen Kliniken versorgt. Die Kieler Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie erkannte die Notwendigkeit eines störungsspezifischen Ansatzes für diese Zielgruppe und entwickelte das Kieler Modell zur stationären, DBT-orientieren Krisenintervention auf einer geschlossenen, gemischtgeschlechtlichen Station. Angeboten werden einzel- und gruppentherapeutische Elemente der DBT in einem multiprofessionellen Team. Die vorliegende Studie liefert erste empirische Daten zur Evaluation dieses Konzeptes. Erstmals wurden in zwei psychiatrischen Kliniken (Kiel, Heide) akut aufgenommene Borderline-Patienten systematisch registriert, diagnostiziert und hinsichlich soziodemographischer, anamnestischer und zahlreicher weiterer Merkmale untersucht. Die Ergebnisse zeigen die Heterogenität und Komplexität akut aufgenommener Borderline-Patienten. So variiert die Aufenthaltsdauer extrem von einer Stunde bis zu vielen Monaten. Die durchschnittliche Ausprägung der Borderline-Symptomatik lag im mittleren Bereich bei häufigen komorbiden Störungen. Entsprechend waren Vorerfahrungen mit psychiatrischen Kliniken in der Mehrheit sehr ausgeprägt. Die hohe Suizidalität, die ausgeprägte Krisensymptomatik und Beteiligung Dritter weist auf die Akuität der Aufnahmesituation hin. Zur Evaluation des Kriseninterventionskonzeptes wurden etwa ein Drittel der Borderline-Patienten eingeschlossen, wobei es sich um 26 Patienten mit bis zu drei Voraufenthalten und mindestens dreiwöchigem stationärem Aufenthalt handelte. Die nonparametrische Auswertung ergab, dass die DBT-orientierte Krisenintervention in der Kieler Psychiatrie zu einem verbesserten Zustand nach drei Wochen führt. Der Behandlungserfolg zeigte sich bei borderline-typischen Verhaltens- und Erlebnismustern, Dissoziation, Pseudopsychotizismus, Depressivität und psychopathologischer Belastung sowie hinsichtlich Suizidalität und Selbstverletzung. In der psychiatrischen Klinik in Heide wurde verhaltenstherapeutisch nach herkömmlichen Methoden behandelt. In dieser Gruppe zeigten sich bei keiner der Variablen signifikante Effekte. Zur Suizidalität und Selbstverletzung schätzen die behandelnden Therapeuten eine Reduktion ein, Selbstbeurteilungen der Patienten fehlen. Die Daten liefern erste Hinweise auf eine Überlegenheit des Kieler Kriseninterventionskonzeptes, zumal die Ergebnisse nach weiteren drei Wochen stabil sind und die Hospitalisierungstendenz über vier Jahre tendenziell sinkt. Zur Erhöhung der Validität der Ergebnisse sind weitere Studien insbesondere mit größeren Stichproben und weniger selektierter Population ebenso notwendig wie eine Modifikation des Konzeptes für schwer chronifizierte, hospitalisierte Borderline-Patienten

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