Schmid, Wilhelm Eduard

German

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Philosophische Fakultät I. Sektion der LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN.Auszug aus der Dissertation:Stellung und Quellen des Prävenlivgedankens bei Don Boscoim Zusammenhang mit der pädagogischen Lage seiner ZeitvonW i l h e l m  E d u a r d  S c h m i d .Referenten:Prof. Dr. A l o i s  F i s c h e r  und Prof. Dr. A l b e r t  Rehm .Tag der mündlichen Prüfung: 29. Juli 1922.Zum Druck genehmigt: 6- h  W - 3.Dr. W a l t e r  Ot t o  I. V .: DekanIn der Geschichte der neueren italienischen Pädagogik bedürfen selbst sonst so genau bekannte Teilgebiete, wie es das Risorgimento ist, noch einer Reihe von Einzeluntersuchungen. Die vorliegende Arbeit versucht deshalb in ihrem ersten Teil in knappen Strichen eine quellenmäßig fundierte Darstellung des Erziehungs- und Unterrichtswesens in Piemont im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts zu geben. Hierbei sind ver­schiedene Exkurse, wie z. B. auf die Rolle des mutuo insegnamento Lancasters in Italien, auf die Geschichte der Kinderasyle und der Fürsorgeerziehung insofern von Wichtigkeit, als sie die er­zieherische und methodische Wertlosigkeit der Staatsschulen und die hieraus folgernde Notwendigkeit der verschiedensten privaten schulischen und erzieherischen Maßnahmen dartun und somitaufzeigen, wie und wo die Arbeit Don Bosco's in einem günstigen Augenblick einsetzen mußte.Hieran schließt sich eine kurze Skizze des pädagogischen Wirkens, der Erziehungsansichten und der Grundsätze Don Bosco’s, hauptsächlich niedergelegt in der Tradition seiner Anstalten und Schüler, im Regolamento der Salesianischen Gesellschaft, gegründet 1857. Nur spärlich sind theoretische Aeußerungen Don Bosco’s über sein sogenanntes Präventiv-System. Dieses, weit entfernt ein theoretisch durchgearbeitetes, pädagogisches System wissenschaftlichen Charakters zu sein, stellt ein er­zieherisches Programm dar, das hauptsächliche Grundsätze der Erziehertätigkeit im Rahmen einer katholischen Anstaltserzie­hung gibt.Die Aufdeckung der „Quellen“ des Präventivgedankens, die Blosslegung der maßgebensten geistigen Einflußgebiete auf die Entstehung des sistema preventivo bildet den Inhalt des zweiten Teiles der Arbeit. Das Präventiv-System, so einfach es sich in Don Bosco’s Schriftchen gibt, ist in Wirklichkeit ein höchst kompliziertes Gebilde, in welchem sich die verschieden­artigsten Gedankengänge und Ideengehalte verschmelzen. Eine kurze Betrachtung der Terminologie hilft den Weg zu einer Analyse der Quellen des Präventiv-Systems bahnen. Die Unter­scheidung zwischen zwei Arten von Erziehungssystemen, dem präventiven und dem repressiven, und die Bezeichnung seiner Anschauungen als Präventiv System beruht auf einer antithetischen Formulierung Don Bosco’s, die aus dem Ideengebiet des zeitge­nössischen Strafrechts stammt. Zwanglos und deutlich lassen sich als weitere konstitutive Faktoren des sistema preventivo die Ideengänge um den Begriff der religiösen Prävention sowie die um den Begriff der rein pädagogischen Prävention unter­scheiden.Der religiöse Präventionsgedanke, wie er anschließend an Psalm 20, 4 und 58, 11 durch Augustinus (Enchirid. cap 32 ante finem) in den Sprachschatz der Kirche (erstmals im zweiten Konzil von Orange, weiterhin in dem von Leo IX. formulierten Glaubenssymbol und endlich im Tridentinum) überging, hat die Einwirkung der gratia praeveniens auf die Seele zum Inhalt. Ihr Begriff wird von Don Bosco auf das Wirken des Erziehers übertragen, die erziehlichen Mittel der Abendansprachen, der Aufforderung und Anleitung zum Sakramentsempfang, die liebe­volle und unauffällige Beeinflussung durch gelegentliche undplanmäßige Belehrung, Beratung und Führung bezwecken die Schaffung einer Disposition im Zögling, die ihn zum Guten determiniert, in ihm eine dauernde Einstellung, eine Entschlossen­heit zum Guten hervorruft.Entsprechend der Tätigkeit Don Bosco’s als Erziehers ver­wahrloster Jugendlicher läßt sich des weiteren ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Ideen des zeitgenössischen Strafrechts und der Sozialpolitik nachweisen. Schon bei Beccaria (Abschnitt 41 „Dei delitti e delle pene“ ) stoßen wir auf folgenden Satz, der im Grundgedanken durchaus der Darstellung des sog. Repressiv- Systems durch Don Bosco entspricht: „II proibire una moltitudine di azioni indifferenti non é prevenire i delitti ma egli é un crearne dei nuovi“ . Die Analyse verschiedener Teile aus den von Dumont 1802 herausgegebenen „Traités de législation civile et pénale“ Bentham’s führt uns noch näher in die Sphäre eines wichtigen Einflußgebietes auf die damalige piemontesische So­zialpolitik, mit der Don Bosco durchaus vertraut war. Direkte Zusammenhänge scheinen vollends zwischen verschiedenen Ideen Romagnosi’s in seiner „Genesi del Diritto Penale“ und manchen pädagogischen Formulierungen Don Bosco’s zu bestehen (so z. B. zwischen der Definition Romagnosi’s im fünften Teile seines Werks „II magistero penale é propriamente una dinamica morale preveniente, e non una dinamica fisica reprimente“ und Don Bosco’s Begriff der Erziehung als Anwendung der vorbeugenden moralischen Macht im Gegensatz zu der Art, in der manche Pädagogen sie nur als physische Macht, die unterdrückt, ver­standen).Am wenigsten ergiebig ist es, Gedanken präventiver Art bei pädagogischen Theoretikern und Praktikern vor Don Bosco nachzugehen. Nur ganz vereinzelt, am aufschlußreichsten in der sonst wenig bekannten „Educazione fisica e fisico-morale“ , Genua 1786, Nicolo Olivari’s (1748— J820) lassen sich ähnliche Gedanken nachweisen. Die Annahme, daß die pädagogische Prävention bei Don Bosco aus einer Verschmelzung der religiösen und sozial-strafrechtlichen Vorbeugungsidee entstanden ist, er­scheint hiernach durchaus gerechtfertigt. Die Originalität des Bosco’schen pädagogischen Gedankens erhellt des ferneren auch aus der Tatsache, daß Don Bosco bei keinem der zeitgenössi­schen Pädagogen, weder bei Aporti, Rosmini, Rayneri, noch bei Girard oder gar bei Pestalozzi, gedankliche Anleihen ge­macht hat.In einer kurzen Würdigung des Präventivsystems wird abschließend noch festgestellt, daß es seinen höchsten Wert in der Fürsorgeerziehung entfaltet und daß seine bedeutsamen Erfolge in katholischen Ländern ihm eine nicht zu unterschätzende Stellung auch bei uns gewährleisten.Buchdruckere i Hans Lauterbach, München, Dachauer Straße 63

Stellung und Quellen des Präventivgedankens bei Don Bosco im Zusammenhang mit der pädagogischen Lage seiner Zeit

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Stellung und Quellen des Präventivgedankens bei Don Bosco im Zusammenhang mit der pädagogischen Lage seiner Zeit

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