Sauerstoffmangel (Hypoxie) fördert ein aggressives Wachstum von Tumoren. Dies gilt insbesondere für das Neuroblastom, den häufigsten extrakraniellen soliden Tumor des Kindesalters. Neuroblastome sind Malignome des peripheren sympathischen Nervensystems, deren Tumorzellen von der embryonalen Neuralleiste abstammen. In Neuroblastomen korreliert die Akkumulation von Hypoxie-induzierbarem-Faktor-2α (HIF-2α) mit einem hochmalignen Tumorphänotyp und einem ungünstigen klinischen Verlauf. Hypoxie-induzierbare-Faktoren (HIF) bilden eine Familie von heterodimeren Transkriptionsfaktoren, die bei der zellulären Adaptation an ein niedriges Sauerstoffniveau in normalem Gewebe und in Tumoren eine zentrale Rolle spielen. Neben der Anreicherung von HIF-2α ist auch eine hohe Expression von Wilms-Tumor-Gen 1 (WT1) mit einer schlechten Prognose von Neuroblastomen assoziiert. WT1 kodiert einen Transkriptionsfaktor, der ursprünglich als Suppressor für das Wachstum von Nierentumoren bei Kindern (Wilms-Tumor, Nephroblastom) charakterisiert wurde. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass WT1 in vielen malignen Tumoren verstärkt exprimiert wird und dort möglicherweise onkogene Eigenschaften besitzt.
Vor diesem Hintergrund sollte in der vorliegenden Arbeit überprüft werden, ob die Expression von WT1 in Neuroblastomzellen sauerstoffabhängig reguliert wird. Weiterhin sollte gegebenenfalls der molekulare Mechanismus analysiert werden, über den ein Sauerstoffmangel die WT1-Expression stimuliert.
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Expression von WT1 in Kelly-Neuroblastomzellen tatsächlich durch Hypoxie stimuliert wird. Der Knockdown von HIF-2α mittels RNA-Interferenz bzw. Deletion von HIF-2α mittels CRISPR/Cas9 bewirkte eine signifikante Abnahme der WT1 Expression in hypoxischen Kelly-Zellen. Die Inaktivierung von HIF-1α hatte hingegen keinen signifikanten Einfluss auf das WT1 Niveau. Weiterhin wurde in silico ein HIF-Bindungsmotiv innerhalb eines DNase-sensitiven Bereichs in Intron 3 des WT1 Gens identifiziert.
Mittels Chromatin-Immunpräzipitation (ChIP) und Elektromobilitätsshiftassays konnte eine Bindung von HIF-2 an diese Sequenz experimentell nachgewiesen werden. In Reportergenassays, die an transient transfizierten Kelly-Zellen durchgeführt wurden, übertrug ein 256 bp langes DNA-Fragment unter Einschluss des HIF-Bindungsmotivs aus Intron 3 des WT1-Gens eine Hypoxieempfindlichkeit auf die ansonsten hypoxieresistenten SV40- und WT1-Promotoren. Funktionell konnte nachgewiesen werden, dass WT1 die Migration von SK-NA-S-Neuroblastomzellen stimuliert. R2-Datenanalysen von großen Kohorten von Neuroblastompatienten zeigten, dass sowohl HIF-2α als auch WT1 in Subgruppen von Neuroblastompatienten mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind.
Mit diesen Ergebnissen wird erstmalig ein sauerstoffempfindlicher Enhancer in Intron 3 des WT1 Gens identifiziert. Unter hypoxischen Bedingungen bewirkt die Bindung von HIF-2 an das Enhancerelement eine WT1-Expression in Kelly-Neuroblastomzellen. Dieser neu entdeckte molekulare Mechanismus spielt möglicherweise in der Pathophysiologie von Neuroblastomen eine Rolle.Oxygen shortage (hypoxia) favors aggressive tumor growth. This is particularly relevant to neuroblastoma, the most common extracranial solid tumor in childhood. Neuroblastoma arises from neural crest-derived cells in the peripheral sympathetic nervous system. High levels of hypoxia-inducible factor (HIF) 2α in neuroblastoma correlate with an undifferentiated tumor phenotype and poor clinical outcome. Hypoxiainducible factors constitute a family of heterodimeric transcription factors that play a pivotal role in the adaptation of normal and tumor tissues to low oxygen conditions. Recent studies have shown that high expression levels of the Wilms tumor gene 1 (WT1) in neuroblastoma are associated with an aggressive tumor growth and poor prognosis. WT1 was initially identified as a tumor suppressor gene preventing the formation of childhood tumors of the kidney (Wilms tumor, nephroblastoma). However, WT1 is highly expressed in various types of cancer suggesting that it may have oncogenic properties in certain tissues. It was the purpose of this study to test whether WT1 expression in neuroblastoma cells is regulated by oxygen and, if so, to analyze the underlying molecular mechanism. Exposure of Kelly neuroblastoma cells to low ambient oxygen did indeed stimulate expression of the WT1 gene. Silencing of HIF-2α by RNA interference and knockout of HIF-2α using CRISPR/Cas9 genome editing significantly reduced WT1 levels in hypoxic Kelly cells. In contrast, inactivation of HIF-1α had no significant effect on WT1 expression in hypoxic Kelly cells. In silico analyses revealed a HIF binding motif within a cluster of DNase hypersensitivity in intron 3 of the WT1 gene. Binding of HIF-2 to this sequence was experimentally proven by chromatin immunoprecipitation (ChIP) and electromobility shift assay. A 256 bp DNA sequence encompassing the identified HIF binding site conferred oxygen sensitivity to otherwise hypoxia resistant WT1 and SV40 promoter constructs in transiently transfected Kelly cells. In functional assays, WT1 was found to enhance the migratory capacity of SK-NA-S neuroblastoma cells. R2 data analysis of cohorts of neuroblastoma patients showed that HIF-2α and WT1 are independently associated with increased mortality. In summary, these results identify an oxygen sensitive enhancer in intron 3 of the WT1 gene. Binding of HIF-2 to this newly discovered enhancer element stimulates WT1 expression in hypoxic Kelly neuroblastoma cells. It is suggested that this novel regulatory mechanism might play a role in the pathophysiology of neuroblastoma