Quantitative Erfassung der motorischen Funktion und körperlichen Aktivität von Patienten mit Multiple Sklerose

Abstract

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch verlaufende Erkrankung des zentralen Nervensystems und führt u. a. zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der motorischen Funktion sowie zu einer Reduktion der körperlichen Aktivität im Alltag. Um diese Beeinträchtigung klinisch zu erfassen, wird als Goldstandard der Expanded Disability Status Scale (EDSS) durch einen erfahrenen Neurologen erhoben. Dieser steht jedoch zunehmend in der Kritik neben der nicht-quantitativen Erfassung eine erhebliche Untersuchungs- und Untersucher-Variabilität sowie eine geringe Sensitivität gegenüber Veränderungen zu besitzen. In dieser Arbeit werden zwei Geräte (Bewegungssensor und Aktivitätsmesser) als Ergänzung zum EDSS zur Erfassung der motorischen Beeinträchtigung und körperlichen Aktivität von Patienten mit MS vorgestellt. Beide Geräte wurden in einer Patientenkohorte und einer gesunden Vergleichsgruppe getestet. Mit dem Bewegungssensor wurden Gang- und Standanalysen durchgeführt und mit dem Aktivitätsmesser wurde die körperliche Aktivität im Alltag für eine Woche erfasst. Sowohl der Bewegungssensor als auch der Aktivitätsmesser waren in der Lage, signifikante Unterschiede zwischen Patienten und gesunden Kontrollen zu messen. Außerdem korrelierten die Ergebnisse beider Geräte mit dem Grad der neurologischen Beeinträchtigung im EDSS, jedoch nicht untereinander. Die sehr hohen Interkorrelationskoeffizienten bei dreimaliger Messwiederholung des Bewegungssensors unterstreichen dessen hohe Reliabilität. Die Assoziation zwischen den Ergebnissen des Bewegungssensors und dem klinischen Goldstandard, dem EDSS und seinen motorischen Unterkategorien (wie cerebelläres oder Pyramidalsystem), zeigt die Fähigkeit des Bewegungssensors eine klinisch relevante Beeinträchtigung der motorischen Funktion zu erfassen. Ebenfalls ließ sich eine signifikante Assoziation zwischen körperlicher Aktivität und dem EDSS feststellen, jedoch nicht zwischen körperlicher Aktivität und motorischer Funktion. Dies unterstreicht, dass neben der motorischen Funktion noch andere Faktoren einen Einfluss auf die alltägliche Aktivität ausüben. Sowohl der Bewegungssensor als auch der Aktivitätsmesser sind als technische Geräte im Vergleich zu einer neurologischen Untersuchung weniger abhängig vom Untersucher und damit objektiver, einfacher in der Durchführung und auch sensitiver gegenüber subtilen Veränderungen. Da sie zudem mit geringerem personellen Zeitaufwand verbunden sind, sind sie auf lange Sicht kosteneffektiver wodurch auch häufigere Messungen und eine lückenlosere Verlaufsdokumentation möglich werden. Aufgrund der höheren Objektivität und Kosteneffektivität beider Geräte sowie der sehr hohen Reliabilität des Bewegungssensors stellen sie eine geeignete Ergänzung zum EDSS dar und sind daher vermutlich insbesondere für die Verlaufsbeobachtung in klinischen Studien oder auch im klinischen Alltag geeignet. Ferner besitzt die kombinierte Anwendung beider Geräte mit dem EDSS das Potential für eine differenziertere Diagnostik, welche ein umfassenderes Verständnis für die individuelle Beeinträchtigung eines Patienten liefert. Dadurch ergeben sich zukünftig möglicherweise Ansätze für die Entwicklung personalisierter Therapiestrategien.Multiple sclerosis is a chronic disease of the central nervous system that leads to reduced motor function and lower daily physical activity levels. To assess and monitor the extent of neurological disability the patient is most commonly assessed by a physician using the Expanded Disability Status Scale (EDSS). Although the EDSS is being criticized as a non-quantitative measure with low sensitivity to detect changes and reportedly high intra- and inter-rater variability it has remained the gold standard in clinical use. In this work two objective and rater-independent tools are introduced that measure the patient’s motor function and physical activity, an objective motion analysis system and an activity monitor. Both devices are examined in a patient and a healthy age- and gender-matched control group. The motion sensor analyses walking and sway while standing in a controlled environment, while the activity monitor captures physical activity levels during daily routine for a period of one week. Significant differences between patients and controls were observed with both tools. In addition, measurement results from the motion sensor as well as from the activity monitor correlated with the disability grade obtained with the EDSS but not with each other. High intraclass correlation coefficients from the motion analysis system underline its high reliability. Its significant correlation with the clinical gold standard, the EDSS and its motor subscores, shows its ability to represent a clinical significant motor dysfunction. Likewise physical activity levels declined with more severe neurologic impairment represented with the EDSS, but the influence of motor dysfunctions alone on daily physical activity levels was not strong enough to produce a significant correlation and suggests that there are also other factors which have to be taken into consideration. Compared to a neurologic examination both devices are more rater-independent and thus more objective, less complicated and more sensitive to subtle changes. Due to lesser use of personnel resources they are more cost effective and thus enable more measurements with smaller intervals. In conclusion, the high objectivity and cost effectiveness as well as the very high reliability of the motion sensor enable both devices to provide useful and additional valid information to the EDSS in particular for observing long-time changes i.e. in clinical studies or in clinical use. Furthermore as it may be capable of giving a more profound understanding of the patients’ impairments, they might be useful in the future in designing more personalized therapy strategies

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