Blogging in der (Gegen-)Öffentlichkeit: Fallstudie einer Russischen LGBT Blogging-Gemeinschaft

Abstract

In Russia, the LGBT (lesbian, gay, bisexual, and transgender) community continues to exist under the pressure of stigmatizing invisibility in the general public discourse, particularly in the mainstream media, which ignore issues related to the advancement of human rights for sexual minorities. In 2013 a nationwide ban on “the propaganda of sodomy, lesbianism, bisexualism, and transgenderness among minors” was passed. Designed to broadly cover any non-heterosexual relationships, it prohibits their positive representation. In effect, the ban seriously impedes any public campaigns, in media and otherwise, which aim at the support of the LGBT community. In this situation, the internet, still relatively unrestricted when compared to Russia’s traditional media outlets, remains a privileged space for LGBT people to form communities to participate in a meaningful public conversation about their political and social status as well as to discuss a variety of everyday concerns in a fairly non-hostile environment. The present study focuses on a specific case, which is a LiveJournal-based Russian-language blogging community called AntiDogma. A loosely organized grassroots gathering of internet users, AntiDogma is conceived of as an issue public centered on LGBT- related topics and as a counterpublic sphere which positions itself against the dominant public sphere and the hostile discourses it hosts. This dissertation is primarily informed by the theory of the public sphere and considerations about the social functions of the mass media. It set out to analyze a versatile functionality of the AntiDogma blogging community including information and news producing function, function of deliberative community building, and mobilization and coordination function. A case-study approach allowed the examination of AntiDogma in its context, together with the accompanying political and social processes. Textual analysis along the lines of social constructivism captured discourses, themes, and messages communicated in AntiDogma. The study demonstrated that as a non-professional media project, Anti-Dogma does not allow for a clear-cut distinction between its different functions. The blogging community offered a vivid example of how the different functionalities become blended, and how it is increasingly difficult to set apart the realms of information production and dissemination, deliberative community building, and activism. The platform appears to be an important hub that brings together like-minded people and elevates LGBT community from the sphere of invisibility created by the mainstream media. However, AntiDogma is still faced with a monolithic and unresponsive official public sphere, which maintains its monopoly on symbolic resources and controls the stream of information between the civil society and the state. While an important channel of intra-group communication, the ability of an online community to narrow the gap between sexual minorities and the mainstream society is more problematic and remains to be seen.In Russland besteht die LGBT (lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle) Gemeinschaft weiterhin unter dem Druck der stigmatisierenden Unsichtbarkeit im allgemeinen, öffentlichen Diskurs. Insbesondere ignorieren die offiziellen Massenmedien die Fragen im Zusammenhang mit der Förderung der Menschenrechte für sexuelle Minderheiten. Im Jahr 2013 wurde ein landesweites Verbot der "Propaganda von Sodomie, Lesbianismus, Bisexualität und Transgenderismus unter Minderjährigen” verabschiedet, dessen Konzipierung weitgehend alle nicht-heterosexuellen Beziehungen abdeckt und eine positive Darstellung von diesen Beziehungen in der Öffentlichkeit verbietet. In der Tat behindert das Verbot alle medialen und sonstige öffentlichen Kampagnen, die darauf abzielen, die LGBT-Gemeinschaft zu unterstützen. Durch den zwar immer stärker überwachten, jedoch noch relativ uneingeschränkten Raum der Meinungsäußerung, bietet das Internet im Vergleich zu den traditionellen Medien in Russland einen privilegierten Kommunikationskanal zur Bildung von LGBT Gemeinschaften, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch, Hilfe einzelner Partizipanten durch die Gemeinschaft, und die Teilnahme am gemeinschaftlichen und öffentlichen Diskurs zu Themen des politischen und sozialen Status in einer nicht-feindlichen Umgebung. Die vorliegende Studie bezieht sich auf einen speziellen Fall, bei dem es sich um eine auf LiveJournal basierende russischsprachige Blogging-Gemeinschaft namens AntiDogma handelt. AntiDogma ist eine locker organisierte Versammlung von Internetnutzern. Einerseits wird sie hier als eine problembezogene Öffentlichkeit, die sich mit LGBT Thematik beschäftigt, konzipiert; andererseits wird sie begrifflich als Gegenöffentlichkeit, die sich gegen die dominierende Öffentlichkeit und deren feindlichen Diskurse stellt, gedacht. Diese Dissertation ist in erster Linie von der Theorie der Öffentlichkeit und den Überlegungen über die sozialen Funktionen der Massenmedien geprägt. Das Ziel dieser Studie ist die vielseitige Funktionalität der Blogging-Gemeinschaft zu analysieren, einschließlich der Funktionen der Informationsproduktion und Verbreitung, der deliberativen Gemeinschaftsaufbau sowie der Mobilisierung und Koordination. Ein Fallstudienansatz erlaubt eine Untersuchung der AntiDogma im Kontext mit ihren begleitenden politischen und sozialen Prozessen. Darüber hinaus erfasst eine textuelle Analyse mit dem Bezug auf sozialen Konstruktivismus die Diskurse, Themen und Botschaften, die in AntiDogma vermittelt werden. Die Studie zeigt, dass AntiDogma als nicht-professionelles Medienprojekt keine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen medialen Funktionen erlaubt. Die Blogging-Gemeinschaft bot ein anschauliches Beispiel dafür, wie die verschiedenen Funktionen vermischt werden, und wie es immer schwieriger wird, die Bereiche der Informationsproduktion und -verbreitung, deliberativen Gemeinschaftsaufbau und Aktivismus auseinander zu halten. Die Plattform scheint ein wichtiger Knotenpunkt zu sein, der die Gleichgesinnten zusammenführt und die LGBT-Gemeinschaft aus dem Bereich der von den Massenmedien geschafften Unsichtbarkeit herausholt. Allerdings bleibt AntiDogma nach wie vor in der Position gegenüber einer monolithischen und unempfänglichen offiziellen Öffentlichkeit, die ein Monopol auf symbolischen Ressourcen hat und den Informationsfluss zwischen der Zivilgesellschaft und dem Staat steuert. Die Online-Gemeinschaft ist zwar ein wichtiger Kanal für die gruppeninterne Kommunikation, dennoch bleibt ihre Fähigkeit, die Kluft zwischen sexuellen Minderheiten und der Masse der Gesellschaft zu verringern problematisch und somit abzuwarten

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