thesis

Identifizierung von Zielgenen des chimären Transkriptionsfaktors ETV6/RUNX1

Abstract

Die häufigste Leukämieform im Kindesalter, mit einem Anteil von ca. 80% ist die akute lymphoblastische Leukämie (ALL). Bei ca.75% der ALL im Kindes- und Jugendalter werden chromosomale Aberrationen numerischer oder struktureller Art, wie z.B. Translokationen, Inversionen oder Deletionen nachgewiesen. Die am häufigsten vorkommende Translokation t(12;21)(p13;q22) mit einem Anteil von ca. 25% resultiert in der Bildung des chimären Transkriptionsfaktors ETV6/RUNX1. Die Transkriptionsfaktoren ETV6 und RUNX1 sind elementare Regulatoren der Hä-matopoese. Deren Fusionsprodukt ETV6/RUNX1 interferiert entscheidend mit dieser Regulation und bewirkt eine veränderte Funktion der hämatopoetischen Transkriptionsfaktoren ETV6 und RUNX1, die in der Struktur des Fusionsproteins begründet ist. Zum jetzigen Zeitpunkt geht man davon aus, dass ETV6/RUNX1 mit dem endogenen RUNX1 um dieselben Promotorbereiche ihrer Zielgene konkurriert und dass das N-terminal im Fusionsprotein gelegene ETV6 Co-Repressoren wie z.B. N-CoR, mSin3A und Histondeacetylasen (HDAC) rekrutiert. Die Rekrutierung dieser Co-Repressoren führt zu einer Kondensation der Chromatinstruktur und somit zu einer Repression der Zielgene. Dies bedeutet, dass die Expression von ETV6/RUNX1 v.a. eine Inaktivierung von Genen bewirkt, die normalerweise durch RUNX1 aktiviert werden. Verschiedene Studien im Mausmodell, mit eineiigen Zwillingen und retrospektive Studien mit Nabelschnurblut von Neugeborenen zeigten u.a. dass die Bildung des Fusionsgens ETV6/RUNX1 den initialen Schritt in der Pathogenese ETV6/RUNX1-positiver ALL dar (first hit) darstellt („Greaves-Hypothese“). Für die Ausbildung einer klinisch manifesten Leukämie sind jedoch weitere genetische Veränderungen, sogenannte second hits notwendig. Ein solcher second hit kann z.B. die Deletion des zweiten endogenen ETV6-Allels sein, die besonders häufig in ETV6/RUNX1 positiven ALL gefunden wird. Ziel dieser Promotionsarbeit war es, zur Aufklärung dieser molekularen Mechanis-men durch die genomweite Identifizierung von DNA-Bindungsstellen und damit von Zielgenen des chimären Transkriptionsfaktors ETV6/RUNX1 und deren Einordnung in die zellulären Prozesse beizutragen, die letztendlich zur Ausprägung der Leukämie führen. Um diese Fragestellung zu bearbeiten, wurden ChIP-Seq-Analysen von etablierten ETV6/RUNX1 positiven humanen Prä-B Leukämie-Zelllinien REH und UoC-B6 sowie von primären ALL-Blasten aus Knochenmarkproben von Kindern (ALL_#1 und ALL_#2) mit ETV6/RUNX1 positiven ALL durchgeführt um potenzielle ETV6/RUNX1 Zielgene zu identifizieren. Die Chromatin-Immunpräzipitation ist eine sensitive und spezifische Methode zur Untersuchung der Interaktionen zwischen Proteinen und DNA. Gegenüber herkömmlichen Genexpressionsanalysen hat die ChIP den entscheidenden Vorteil, dass durch die Anwendung spezifischer Antikörper und anschließender Sequenzierung regulatorische Elemente der DNA, wie z.B. Promotoren, direkt untersucht und Zielregionen bzw. potenzielle Zielgene von Transkriptionsfaktoren identifiziert werden können. Für das Gelingen der ChIP wurden die Versuchsbedingungen optimiert. Dazu gehörten die Bestimmung der optimalen Zellzahl pro Ansatz, der Art und Dauer der Fixierung sowie die Evaluation geeigneter ETV6 und RUNX1 Antikörper. Unter diesen für die ChIP-Seq optimierten Bedingungen wurden mit den ETV6/RUNX1 positiven humanen Prä-B Leukämie-Zelllinien REH und UoC-B6 sowie mit den ETV6/RUNX1 positiven ALL-Blasten aus dem KM von Kindern (ALL_#1 und ALL_#2) 935 potenzielle proteincodierende ETV6/RUNX1 Zielgene (Kerngenset), identifiziert. Durch die Zuordnung dieses Kerngensets zu biologischen Prozessen bzw. Signalwegen wurden 23 Signalwege identifiziert, die statistisch signifikant überrepräsentiert sind (p-value<0,05) und möglicherweise durch ETV6/RUNX1 fehlreguliert werden. Neben dem Signalweg Transendotheliale Migration der Leukozyten waren u.a der Signalweg, der das Aktin-Zytoskeletts reguliert und der B-Zell-Rezeptor Signalweg die am signifikantesten hervortretenden Signalwege (Tabelle 4.8. und Tabelle 5.3). Ein Vergleich des Kerngensets mit differenziell regulierten Genen, die von Fuka et al.184 durch Genexpressionsanlysen nach ETV6/RUNX1 knockdown in den Zelllinien REH und AT2 ermittelt wurden, ergab eine hohe Übereinstimmung an Genen (= 100 durch ETV6/RUNX1 in ihrer Expression beeinflusste Gene). Die Zuordnung dieser Gene zu Signalwegen zeigte ebenfalls den B-Zellrezeptor-Signalweg signifikant überrepräsentiert. Über die Identifizierung von DNA-Bindungsmotiven in den ETV6/RUNX1-Bindungsregionen (Peaks) des Kerngensets und der anschließenden Zuordnung dieser Motive zu Transkriptionsfaktoren wurden 110 DNA-Bindungsmotive, die 29 Transkriptionsfaktoren zugeordnet werden konnten, ermittelt. Von diesen wurden sieben Transkriptionsfaktoren (ERG, FEV, KLF5, MYOG, RUNX1, RUNX2 und SP1) sowohl in den ETV6/RUNX1 positiven Zelllinien REH und UoC-B6, als auch den den primären ALL-Blasten aus Knochenmarkproben von Kindern (ALL_#1 und ALL_#2) gefunden. Für ein zukünftig besseres Verständnis über die biologischen Folgen der chromosomalen Translokation (t12;21) sowie deren Auswirkungen auf die Entstehung von malignen Zellen sollten die von Fuka et al184 veröffentlichten und in der vorliegenden Arbeit gezeigten Ergebnisse durch einen effektiven ETV6/RUNX1 knockdown in REH- und UoC-B6 Zellen validiert werden. Über die direkten Auswirkungen eines stabilen ETV6/RUNX1 knockdowns in leukämischen Zellen ist wenig bekannt, daher wurde für den shRNA vermittelten ETV6/RUNX1 knockdown ein durch Tetrazyklin induzierbares System gewählt (Tet-on). Die Effizienz der Transduktion wurde mittels FACS und fluoreszenzmikroskopisch bestimmt: In den REH-Zellen war die Transduktion des TetR und der shRNAs zu 90%, in den UoC-B6-Zellen zu 60% bis 70% erfolgreich. Auf Proteinebene konnte jedoch kein knockdown von ETV6/RUNX1 festgestellt werden. Für die Fehleranalyse wurde die genomische DNA aus den transduzierten Zellen zunächst isoliert und anschließend sequenziert. In allen shRNAs zeigten sich Mutationen. Die Ursache für die Entstehung dieser Mutationen ist nicht bekannt. Nichtdestotrotz ist die Identifizierung von Zielgenen des chimären Transkriptionsfak-tors ETV6/RUNX1 und die Zuordnung dieser Gene zu Signalwegen ein wichtiger Schritt für das Verständnis der biologischen Prozesse die die Entwicklung einer kli-nisch manifesten Leukämie begünstigen können. Basierend auf den in der vorliegenden Arbeit gewonnenen Ergebnisse können weitere Forschungen durchgeführt werden, die es ermöglichen könnten direkt in betroffene Signalwege einzugreifen bzw. die Expression bestimmter Gene so zu manipulieren (z.B. durch CRISPR/CAS9), dass die Manifestation der Leukämie abgeschwächt oder sogar unterbunden werden kann.The most common form of leukemia in childhood, accounting for about 80% of all forms, is acute lymphoblastic leukemia (ALL). Chromosomal aberrations of a numeri-cal or structural type, e.g. translocations, inversions or deletions, are found in around 75% of cases of ALL in childhood and adolescence. The most common translocation t(12;21)(p13;q22), with a share of around 25%, results in the formation of the chimeric transcription factor ETV6/RUNX1. The transcription factors ETV6 and RUNX1 are elementary regulators of hemato-poiesis. Their fusion product ETV6/RUNX1 interferes decisively with this regulation and the structure of the fusion protein leads to a change in the function of the hematopoietic transcription factors ETV6 and RUNX1. It is currently assumed that ETV6/RUNX1 competes with the endogenous RUNX1 for the same promoter regions of their target genes and that the N-terminal recruits ETV6 co-repressors located in the fusion protein such as N-CoR, mSin3A, and histone deacetylases (HDAC). The recruitment of these co-repressors leads to condensation of the chromatin structure and thus to repression of the target genes. This means that ETV6/RUNX1 expression chiefly causes the inactivation of genes that are normally activated by RUNX. Different studies of a mouse model, with monozygotic twins, and retrospective stu-dies with umbilical cord blood of newborns show among other things that the formation of the fusion gene ETV6/RUNX1 is the initial step (first hit) in the pathogenesis of ETV6/RUNX1-positive ALL (“Greave’s hypothesis”). However, additional genetic changes, known as second hits, are necessary for the development of clinically manifest leukemia. One of these second hits can be the deletion of the second endogenous ETV6 allele, for example, which is found particularly frequently in ETV6/RUNX1-positive ALL. The objective of this doctoral thesis was to contribute to the explanation of these molecular mechanisms through the genome-wide identification of DNA binding sites and thus of target genes of the chimeric transcription factor ETV6/RUNX1 and its integration into cellular processes that ultimately lead to the manifestation of leukemia. To address this question, ChIP-Seq analyses of established ETV6/RUNX1-positive human pre-B leukemia cell lines REH and UoC-B6 and of primary ALL blasts from bone marrow samples from children (ALL_#1 and ALL_#2) with ETV6/RUNX1-positive ALL were conducted to identify potential ETV6/RUNX1 target genes. Chromatin immunoprecipitation is a sensitive and specific method for examining the interactions between proteins and DNA. Compared with conventional gene expression analyses, ChIP has the decisive advantage that by using specific antibodies and subsequent sequencing, regulatory elements of DNA such as promoters are examined directly and target regions and potential target genes of transcription factors can be identified. The test conditions were optimized to ensure the success of ChIP, including determination of the optimized cell count per batch, the type and duration of fixation, and the evaluation of suitable ETV6 and RUNX1 antibodies. Under these conditions optimized for ChIP-Seq, 935 potential protein-coding ETV6/RUNX1 target genes (core gene set) were identified with the ETV6/RUNX1 positive human pre-B leukemia cell lines REH and UoC-B6 and with the ETV6/RUNX1 positive ALL blasts from the bone marrow of children (ALL_#1 and ALL_#2). By allocating this core gene set to biological processes or signaling pathways, 23 signaling pathways were identified that are statistically significantly over-represented (p<0.05) and possibly dysregulated by ETV6/RUNX1. In addition to the leukocyte transendothelial migration signaling pathway, the signaling pathway that regulates the actin cytoskeleton and the B-cell receptor signaling pathway were the most significant signaling pathways occurring (Table 4.8 and Table 5.3). A comparison of the core gene set with differentially regulated genes detected by Fuka et al.184 in gene expression analyses using ETV6/RUNX1 knockdown in the REH and AT2 cell lines showed a high correspondence of genes (= 100 genes whose expression was influenced by ETV6/RUNX1). The allocation of these genes to signaling pathways also showed that the B-cell receptor signaling pathway was significantly over-represented. By identifying DNA-binding motifs in the ETV6/RUNX1 binding regions (peaks) of the core gene set and subsequently allocating these motifs to transcription factors, 110 DNA-binding motifs were identified that could be assigned to 29 transcription factors. Of these, seven transcription factors (ERG, FEV, KLF5, MYOG, RUNX1, RUNX2 and SP1) were found both in the ETV6/RUNX1 positive cell lines REH and UoC-B6 and in the primary ALL blasts from bone marrow samples from children (ALL_#1 and ALL_#2). In order to achieve a better understanding of the biological consequences of chromosomal translocation (t12;21) and the impact on the development of malignant cells in the future, the results published by Fuka et al.184 and presented in this study were to be validated by an effective ETV6/RUNX1 knockdown in REH and UoC-B6 cells. As little is known about the direct impact of a stable ETV6/RUNX1 knockdown in leukemia cells, a system that can be induced by tetracycline (Tet-on) was selected for the shRNA-mediated ETV6/RUNX1 knockdown. The effectiveness of transduction was determined using FACS and fluorescence microscopy: In the REH cells, transduction of TetR and shRNAs was 90% successful and 60% to 70% successful in the UoC-B6 cells. However, no knockdown of ETV6/RUNX1 was found at the protein level. For the error analysis, genomic DNA from transduced cells was first isolated and then sequenced. Mutations were found in all shRNAs. The cause of these mutations is not known. Nevertheless, the identification of target genes and the chimeric transcription factor ETV6/RUNX1 and the allocation of these genes to signaling pathways is an im-portant step toward understanding the biological processes that can lead to the development of clinically manifest leukemia. Based on the results of this study, additional research can be conducted that could allow the direct intervention in affected signaling pathways or manipulation of the expression of certain genes (e.g. by CRISPR/CAS9) so that the manifestation of leukemia can be attenuated or even prevented

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