Am 18. und 19. Oktober 2002 wurde an der Freien Universität Berlin ein
international besetztes, zweitägiges Colloquium mit ca. 60 Teilnehmern
durchgeführt, auf der neuere sozialwissenschaftliche Forschungen zum Thema
Möglichkeiten und Restriktionen des Pionierverhaltens von Staaten in der
Umweltpolitik vorgetragen und diskutiert wurden. Das Colloquium wurde von der
Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert. Anlass war der 65. Geburtstag von Prof.
Martin Jänicke im August 2002. Ziel der Veranstaltung war es, den Stand der
Forschung von bisher unverbundenen Forschungssträngen zu diesem Thema
miteinander zu kombinieren und Synergien für zukünftige Forschungen zu
identifizieren. Im einzelnen waren dies Ansätze, die (1) nach den nationalen
Aus-prägungen und Bedingungen für Pionier-verhalten suchen, (2) nach
internationalen Bedingungen fragen und (3) ökonomische Bedingungen und
Implikationen einer Vor-reiterrolle in der Umweltpolitik untersuchen. Die
Tagung fokussierte im Wesentlichen auf politikwissenschaftliche Beiträge.
Weitgehende Übereinstimmung fand die Feststellung, dass das Pionierverhalten
einzelner Staaten eine kritische Einflussgröße für die Fortentwicklung
europäischer und internationaler Umweltpolitik darstellt. Dabei wurde
konzediert, dass trotz fortschreitender Internationalisierung politischer
Regel- und Entscheidungsstrukturen Handlungsspielräume für eine ambitionierte
nationale Umweltpolitik nach wie vor gegeben sind. Darüber hinaus können
Staaten u.U. durch ein geschicktes Interdependenzmanagement in internationalen
Regimen und Organisationen ihre Handlungsspielräume auch erweitern. Dies zeigt
sich u.a. an der gewachsenen Bedeutung der skandinavischen Länder für die
weltweite Umweltpolitikentwicklung. Allerdings ist hin-sichtlich des
Forschungsstandes und weite-rer Forschungsperspektiven festzuhalten, dass nach
wie vor keine allgemein akzeptierten Analysekriterien für die empirische
Bestimmung von Pionierverhalten als auch für die Ermittlung der relevanten
Einfluss-faktoren und Auswirkungen eines solchen Verhaltens existieren.
Vielmehr werden unterschiedliche Definitionen, Untersuchungsperspektiven und
Messmethoden verwandt, die der Klärung und gegenseitigen Abstimmung im
Hinblick auf die Entwicklung eines konsistenten Analyserahmens bedürfen,
innerhalb dessen fundierte empirische Untersuchungen im Mehrländervergleich
möglich sind. Im Laufe der Veranstaltung wurden die Konturen eines solchen
Unterfangens ermittelt und im Hinblick auf weitere Forschungsperspektiven
diskutiert. Es ist beabsichtigt, die Beiträge in einem Tagungs-band zu
veröffentlichen