Biaggini, Giovanni

Bieri, Peter

Frey Haesler, Mirjam

Kiener, Regina

Küng, Nadine

Reiter, Catherine

German

ZORA

Zurich Open Repository andArchiveUniversity of ZurichUniversity LibraryStrickhofstrasse 39CH-8057 Zurichwww.zora.uzh.chYear: 2016Staatsrechtliche und staatspolitische Grundfragen (Querschnittsprojekt):WürdigungBiaggini, Giovanni ; Kiener, Regina ; Bieri, Peter ; Frey Haesler, Mirjam ; Küng, Nadine ; Reiter,CatherinePosted at the Zurich Open Repository and Archive, University of ZurichZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-129799Book SectionOriginally published at:Biaggini, Giovanni; Kiener, Regina; Bieri, Peter; Frey Haesler, Mirjam; Küng, Nadine; Reiter, Catherine(2016). Staatsrechtliche und staatspolitische Grundfragen (Querschnittsprojekt): Würdigung. In: Lien-hard, Andreas; Kettiger, Daniel. Justiz zwischen Management und Rechtsstaat: Ergebnisse aus demForschungsprojekt ”Grundlagen guten Justizmanagements in der Schweiz”. Bern: Stämpfli, 32-34.Staatsrechtliche und staatspolitische Grundfragen (Querschnittsprojekt)32zeit nicht wesentlich von der Parteilinie abzuweichen.112 Es besteht dieGefahr einer Nichtwiederwahl, wenn eine Richterin oder ein Richterin der vergangenen Amtsperiode mit Entscheiden gegen die politischeMehrheit aufgefallen ist. Entsprechend wäre es prüfenswert, Mecha-nismen in die Wiederwahlverfahren einzubauen, die eine Nichtwie-derwahl gestützt auf die unabhängige Ausübung des Amts als Richte-rin oder als Richter vermeiden. Denkbar wären höhere Nichtwieder-wahlquoren oder eine Beschränkung der Nichtwiederwahl auf Fälle,die einer Amtsenthebung gleichkommen, gekoppelt mit entsprechen-den Verfahrensvorschriften.113Die Forschungsarbeit kommt zum Schluss, dass die Mechanismendes Justizmanagements, resp. Instrumente des Qualitätsmanagements,welche der Aufsichtsausübung dienen, sowie die Zertifizierung vonGerichten dazu beitragen können, das Vertrauen der Bevölkerung indie Justiz und das gute Funktionieren der Gerichte zu stärken.114 Ef-fektivität und Effizienz der Aufsicht könnten dadurch besser gewähr-leistet werden.1152.3 WürdigungGiovanni Biaggini, Regina Kiener, Peter Bieri, Mirjam Frey Haesler,Nadine Küng und Catherine Reiter2.3.1 Folgerungen für das JustizmanagementFür das Justizmanagement lässt sich aus der Forschungsar-beit zu den Best Practices gerichtsinterner Organisation aus verfas-sungs- und völkerrechtlicher Sicht schliessen, dass die Rechtsetzungzur gerichtsinternen Organisation die verfassungs- und völkerrechtli-112 Differenziert RASELLI (2011), Rz. 5 ff., Rz. 11.113 Ähnlich RASELLI (2011), Rz. 17; LIENHARD (2015), S. 24.114 LIENHARD (2009a), Rz. 80-82, 85; WIPFLI (2006), S. 34; MÜLLER (2014),Rz. 6 ff.; LIENHARD (2010), S. 403 f.115 LIENHARD (2015), S. 40 ff.; LIENHARD (2003), S. 37 ff.; KETTIGER/LIENHARD(2011a), Rz. 18.6263Würdigung33chen Anforderungen und Zielwerte vor allem auf kantonaler Ebenevermehrt berücksichtigen könnte. Für künftige Justizreformen emp-fiehlt es sich daher allenfalls, vermehrt vertieftes Know-how des Ver-fassungs- und Völkerrechts beizuziehen, soweit dies erforderlich ist.Die Forschungsarbeit zur Bearbeitung von personenbezogenen Da-ten zeigt auf, dass rechtlich begründete Bedürfnisse an der Bearbei-tung von Daten über Richterinnen und Richter bestehen. Aus einerindividuellen richterlichen Perspektive können die Datenbearbeitun-gen jedoch einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Per-sönlichkeit bewirken. Datenbearbeitungen können zudem die richter-liche Unabhängigkeit in sachfremder Weise beeinflussen. Aus diesemSpannungsfeld ergeben sich insbesondere folgende Forderungen: Da-tenbearbeitungen müssen gegenüber den Richterinnen und Richterntransparent erfolgen und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage odereiner Einwilligung. Für gerichtsinterne Bearbeitungen wird regelmäs-sig eine Normierung in einem Gerichtsreglement genügen. Es sindAnhörungsrechte der Richterinnen und Richter vorzusehen. Richter-bezogene Daten dürfen nur ausnahmsweise ausserhalb des Gerichtsbekannt gegeben werden. Die Gründe dafür sind gesetzlich vorzuse-hen. Statistiken über Richterinnen und Richter dürfen nur in kommen-tierter Weise extern bekannt gegeben werden.Bezüglich der Aufsicht über die Justiz können folgende Schlussfol-gerungen gezogen werden:– Aufsicht hat stufengerecht zu erfolgen. Auf jeder Ebene (gewal-tenübergreifend, justizintern, gerichtsintern) soll die Aufsichtentsprechend ausgestaltet sein und über die notwendigen unter-schiedlichen Aufsichtsinstrumente verfügen.– Mechanismen des Justizmanagements wie auch die Zertifizie-rung von Gerichten dienen der Aufsichtsausübung und könnendazu beitragen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zustärken.– Die Einführung von Justizräten zur Unterstützung der Aufsicht,resp. zur Aufsichtsausübung wird als nicht notwendig erachtet.Die richterliche Unabhängigkeit kann auch anderweitig ge-schützt werden.6465Staatsrechtliche und staatspolitische Grundfragen (Querschnittsprojekt)342.3.2 Weiterer ForschungsbedarfWeiteren Forschungsbedarf bezüglich Best Practices ge-richtsinterner Organisation findet man sowohl im Bereich der Ablauf-als auch der Aufbauorganisation. Dazu gehören z.B. Untersuchungenzu Gewohnheitsrecht im Bereich der gerichtsinternen Organisation,zur Effizienz der verschiedenen Kategorien von nebenamtlichen Rich-terinnen und Richter sowie zur Frage, ab welcher Zahl Gerichtsschrei-bende pro Richterin bzw. Richter es Letzteren nicht mehr möglich ist,die Akten und die Urteilsentwürfe so zu studieren und zu überprüfen,wie es die richterliche Unabhängigkeit und die Urteilsqualität erfor-dern.Bezüglich der Forschungsarbeit zur Bearbeitung von personenbe-zogenen Daten lässt sich schliessen, dass die Entwicklung hin zu einerstärkeren Professionalisierung des Richteramts weitergehen wird.Folgende Problemfelder werden Praxis und Forschung damit weiter-hin beschäftigen: Richterausbildung, Leistungsbeurteilungen und Qua-lität in der Justiz. Interessant wird sein, die Diskussion rund um dasSpannungsfeld persönliche Verantwortung, richterbezogene Qualitäts-sicherung und -kontrolle und richterliche Unabhängigkeit weiterzuver-folgen.116 Zudem besteht ein Forschungsbedarf im Bereich desRechtsschutzes im Falle von disziplinarischen Massnahmen bis hin zuAmtsenthebungen gegenüber Richterinnen und Richtern und im Fallevon Nichtwiederwahlen.117Im Themenbereich der Aufsicht über die Justiz besteht For-schungsbedarf einerseits auf der Ebene der kantonalen Justizorganisa-tion. Eine umfassende Analyse der kantonalen Ausgestaltung der Auf-sicht über die Justiz fehlt zum heutigen Zeitpunkt.Forschungsbedarf besteht ausserdem, wenn es darum geht, dasSchweizerische Aufsichtssystem mit jenen der umliegenden Nachbar-länder zu vergleichen. Eine rechtsvergleichende Studie wurde bislangnicht vorgenommen und könnte dazu beitragen, weitere Anregungenfür eine sinnvolle Ausgestaltung der Justizaufsicht zu erlangen.116 Vgl. dazu KIENER (2014), Rz. 21 f.117 Vgl. dazu KIENER (2012), S. 429.66676869

Staatsrechtliche und staatspolitische Grundfragen (Querschnittsprojekt): Würdigung

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