Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands - Aktualisierung und Erweiterung 1996

Abstract

Wissen ist ein zentraler und eigenständiger Motor für Innovation und Wachstum in der Wirtschaft sowie für die Beschäftigung. Der internationale Strukturwandel ist auf ,,wissensintensives Wachstum" eingestellt: Bereiche mit hohem Einsatz von Forschung und Entwicklung (FuE) sowie überdurchschnittlich qualifiziertem Personal tragen in immer größerem Umfang zur gesamtwirtschaftlichen Produktion bei. Der internationale Warenaustausch erstreckt sich immer stärker auf Güter mit hohem Wissensgehalt, der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft stellt zusätzlich höhere Anforderungen an das Qualifikationsniveau des Personals. Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit der ökonomischen Entwicklung sowie Sicherung von Arbeitsplätzen gründet sich darauf, Wissen in Innovationen umzusetzen. Deutschland hat im internationalen Wettbewerb um Innovationen sowie hochwertige Güter und Dienstleistungen über lange Jahre hinweg sowohl Richtung als auch Tempo des Strukturwandels mitbestimmt. Die technologische Leistungsfähigkeit hat eine hohe Substanz: - Ein guter Bildungsstand der Bevölkerung, - hochqualifizierte Arbeitskräfte mit Schlüsselqualifikationen für den Innovationsprozeß, - zunehmend beachtete Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung mit ansehnlicher Verwertungsrelevanz, - eine hoch differenzierte Forschungslandschaft sowie - über einen langen Zeitraum hinweg zunehmende und intensive FuE-Anstrengungen der Unternehmen haben Deutschland in den 80er Jahren einen vorderen Rang unter den Industrieländern eingebracht. Strukturelle Probleme werden zunächst jedoch nicht in den Ergebnissen auf den Güter- und Faktormärkten sichtbar, sondern kündigen sich in verändertem Investitionsverhalten an - bei Investitionen in Bildung, in FuE oder in Produktionskapazitäten. Und in diesem Sinne hat sich Deutschlands Bilanz in den 90er Jahren etwas eingetrübt: Die Investitionen haben sich in der ersten Hälfte der 90er Jahre mit deutlich geringerer Dynamik entwickelt als noch in den 80er Jahren und auch im Vergleich zu wichtigen Mitbewerbern auf dem Weltmarkt. Dies wiegt deshalb besonders schwer, weil private und staatliche Investitionen in Bildung, in Forschung und in Sachanlagen für die technologische Leistungsfähigkeit an Bedeutung gewonnen haben. Der aktuelle Konjunkturaufschwung hat einen Stimmungsumschwung gebracht, vieles mag in günstigerem Licht erscheinen. Eine Reihe von Anhaltspunkten lassen die Grundlagen der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands wieder etwas gefestigter erscheinen: - der Rückgang der industriellen FuE-Ausgaben scheint gestoppt, - die patentgeschützten Erfindungen aus Deutschland nehmen wieder zu, - das Sortiment der Unternehmen ist vielfach von alten Produkten entschlackt, neue und wesentlich verbesserte Produkte bestimmen den Wachstumspfad, - forschungsintensive Industrien sind wieder mit an der Spitze der konjunkturellen Expansion forschende Unternehmen rechnen gar wieder mit einer Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten, - in ,,neuralgischen" Bereichen der technologischen Entwicklung (z. B. Biotechnologie, Mikroelektronik, Multimedia-Technik) wird der Anschluß gehalten, ohne daß allerdings in absehbarer Zeit Aufholeffekte in der Breite zu erwarten sind, - die Rahmenbedingungen haben sich partiell verbessert und (z. B. in der Biotechnologie auch durch die Novellierung des Gentechnikgesetzes) verwertungsrelevante Erfindungen herausgelockt. Dennoch besteht kein Grund, Entwarnung zu geben. Denn eine dauerhafte Trendwende und eine entscheidende Verbesserung der fundamentalen Wachstumsbedingungen ist nicht auszumachen. Die Achillesferse ist die schwache Investitionstätigkeit: Der forschungsintensive Sektor der Industrie hat im Vergleich zu früheren vergleichbaren Aufschwungphasen seine ,,Zugpferdfunktion" noch nicht wieder unter Beweis gestellt; er ist eher ,,Mitläufer" im ,,normalen" Konjunkturverlauf, vermag aber - anders als noch in den 80er Jahren - der Wirtschaft kaum eigenständige struktur- und wachstumswirksame Impulse zu geben. Eine gewisse Durststrecke wird sich nicht vermeiden lassen. Denn die immer noch hohe technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands ist weitgehend das Ergebnis von Investitionen in Wissen und Kapazitäten der Vergangenheit. Industrielle Innovationen, d. h. Erfindungen und der Einsatz neuer Technologien, von heute zielen auf die Weltmärkte des Jahres 2000. Erhöhtes Engagement für Innovationen ist erforderlich, damit der Strukturwandel zügig verläuft und Deutschland am Wachstum von wissensintensiver Produktion und Dienstleistungen angemessen teilhaben kann. Der Aufschwung bietet allerdings Chancen zu durchgreifenden Strukturanpassungen, zum Umschalten auf Expansion und vor allen Dingen zu Investitionen, um die hohen Wissenspotentiale auszuschöpfen. Die Pläne der Unternehmen für Investitionen in Sachanlagen sowie in FuE, die den ,,harten Kern" der Innovationstätigkeit darstellen, sehen dies derzeit noch nicht vor. Eine Steigerung der Investitionsdynamik der deutschen Wirtschaft ist aktuell von hoher Bedeutung. Wenn jetzt nicht in technische Neuerungen, vor allem nicht in FuE investiert wird, dann wäre dies die dritte Aufschwungperiode in Folge, in der die Unternehmen Zurückhaltung üben; es wäre ein schlechtes Zeichen für die Beurteilung des Innovationsstandortes Deutschland. Andernfalls ist davon auszugehen, daß eine längere Innovationslücke entsteht, daß sich die künftigen Wachstumsspielräume verengen und daß sich die Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Rahmen halten, der einen Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland illusorisch erscheinen läßt. Die Faktoren Technologie und Wissen sind das Beste, was Deutschland im internationalen Wettbewerb in die Waagschale werfen kann. Sie bilden als ,,klassische Stärken" Deutschlands das entscheidende Fundament für die Zukunftsvorsorge, für Produktinnovation, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. An diese Vorteile gilt es anzuknüpfen: - Innovative Potentiale sind zu erhalten, (re-)aktivieren und auszuweiten: z. B. durch Stärkung der Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen, schnellere Entwicklung von Ausbildungsberufen, Qualifizierung gering Qualifizierter, Anpassung der Weiterbildung für künftige Strukturwandelerfordernisse, kürzere Studiengänge, mehr Qualitätskontrolle und Wettbewerb an den Hochschulen, Deregulierungen im Infrastrukturbereich, Zukunftsvorsorge durch Neuorganisation der ,,strategischen Forschung" und des institutionellen Forschungssystems. - Hindernisse und Innovationshemmnisse, die einer stärkeren Nutzung der Potentiale im Wege stehen, sind abzubauen: z. B. durch Verbesserung der Rentabilität von Innovationen und Investitionen, Senkung von Marktrisiken, zügigere Genehmigungsverfahren für Investitionen, schnellere Zulassungsverfahren für neue Produkte, Verbesserung der Akzeptanz neuer Technologien, Förderung von Existenzgründungen, Anreize FuE-Personal in die Betriebe zu bringen. - Die Bedingungen für eine Ausweitung und Stimulierung von Märkten sind zu verbessern: z. B. durch innovationsorientierte Bewältigung gesellschaftlicher und weltwirtschaftlicher Herausforderungen (z. B. Energie, Umwelt, Gesundheit, Mobilität, Ernährung), Pflege und Aufbau von regionalen und sektoralen Kompetenznetzwerken (wie am Beispiel BioRegio probiert)

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