Unter der Überschrift "Als wir den goldenen Westen betraten" beschreibt Renate Fabel den ersten Tag, den sie nach ihrer Ausreise aus Ostdeutschland in Westberlin verbrachte: "An einem Wagen mit Obst, wo es auch wirklich welches gab und trotzdem keine Schlange davor stand, kaufte Mutti drei Bananen. Sie schmeckten sehr weich und nach Mehl, und danach hatte man keinen Hunger mehr."
Die Geschichte hat zumindest drei verborgene Pointen. Die erste, daß ihre Autorin eigentlich mehr für Mandarinen als für Bananen schwärmt, sei mit Rücksicht auf die Titelfrucht dieses Beitrags übergangen. Die zweite ist, daß die Szene nicht, wie man vermuten könnte, Ende 1989 spielt, als die Banane - Gottfried Korff hat es dargestellt - zum vielbelachten Symbol für die ostdeutsche Bedürfnislage gemacht wurde, sondern gegen Ende des Jahres 1949. Das führt auf eine richtige Fährte: In der Tat ist die deutsche Frage von Anfang an auch eine Bananenfrage, und der östliche Mangel an der Süd- oder besser Westfrucht Banane ist schon in den 50er Jahren "ein häufig gebrauchtes Argument gegen die Ostzone". Die dritte Pointe liegt darin, daß 1949 das Jahr war, in dem auch viele westdeutsche Kinder zum ersten Mal nach einer Banane greifen konnten. Im Sommer 1949 trafen in den Westzonen die ersten größeren Bananenimporte seit dem Kriege ein. Die Banane als Symbol der Wiedervereinigung mit dem Weltmarkt, der Bananengeschmack als Geschmack von Freiheit und Abenteuer: diese den Ostdeutschen 1989/1990 zugeschriebenen Empfindungen waren - mutatis mutandis - 1949/1950 ein westdeutsches Massenerlebnis