thesis

Protein protein interactions in complex cosolvent solutions revealed by synchrotron small angle x-ray scattering

Abstract

In dieser Arbeit wurden die intermolekularen Wechselwirkungen zwischen zwei Proteinen in Lösung charakterisiert, welche unterschiedliche Implikationen haben und von essentieller Wichtigkeit - reichend von in vivo zu in vitro Szenarien - sind. Protein-Protein-Wechselwirkungen spielen eine wichtige Rolle in einer ganzen Bandbreite von Prozessen, wie bei pathologischen Störungen (Katarakt des menschlichen Auges, Alzheimer und Parkinson), der Herstellung dynamisch gefangener Zustände, der Stabilisierung und Reinigung von Proteinen, der Applikation von Protein-Pharmaka mit Cosolventien als Wechselwirkungs-Modulatoren sowie der Kristallisation von Proteinen zur Bestimmung ihrer dreidimensionalen Struktur. Die Effekte verschiedener kosmotroper sowie chaotroper Cosolventien und Salze auf das intermolekulare Wechselwirkungspotential V(r) der Proteine Lysozym und Insulin und die jeweiligen repulsiven und attraktiven Anteile wurden bei verschiedenen Proteinkonzentrationen mittels Synchrotron Röntgen-Kleinwinkelstreuung in Kombination mit Flüssigkeits-theoretischen Modellen bestimmt. Der experimentell gewonnene Strukturfaktor S(Q), erhalten aus den Streukurven verschiedener Proteinlösung in An- und Abwesenheit von Cosolventien und Salzen, wurde mit einem statistisch-mechanischen Modell angefittet, welches auf dem DLVO-Potential basiert und die repulsiven sowie attraktiven Wechselwirkungen zwischen den Proteinmolekülen berücksichtigt. Die sog. Random Phase Approxiamtion (RPA) wurde zur Berechnung des theoretischen Strukturfaktors verwendet, welches aus einem Potential harter, undurchdringlicher Kugeln (“hard sphere potential”) als Referenzsystem sowie der Summe aus einer repulsiven, abgeschirmten Coulomb-Wechselwirkung (VC(r)) und einem attraktiven Yukawa-Potential (VY(r)) als Störpotential besteht. Das attraktive Yukawa-Potential wird als Summe der van-der-Waals Wechselwirkungen und des attraktiven osmotischen Potentials aufgrund des Ausschlussvolumen-Effekts der Salzionen aufgefasst. Die Streudaten des nativ stabilen globulären Proteins Lysozym in Lösung zeigen, dass Effekte intermolekularer Wechselwirkungen von Lysozymlösungen oberhalb von ~ 1 % (w/v) signifikant sind, und die Streumuster für Konzentrationen bei und oberhalb von 4 % (w/v) weisen starke intermolekulare Korrelationssignale auf. Die repulsive Natur von V(r) vergrößert sich mit ansteigender Proteinkonzentration. So steigt z.B. die Tiefe des Potentialtopfs von VY(r) von –3,75 kBT für die 4 %ige Lösung auf –2,5 kBT für die 10 %ige Proteinlösung. Die Zugabe kosmotroper Cosolventien wie Glycerin und Sucrose führt zu stark konzentrationsabhängigen Effekten auf das Wechselwirkungspotential. Wie durch ergänzende PPC („Pressure Pertubation Calorimetry“)-Messungen gezeigt, erhöhen diese proteinstabilisierenden Agenzien die Stärke der Hydratation und führen so zu einer Erhöhung der abstoßenden Kräfte zwischen den Proteinmolekülen. Dieser Effekt fällt für Sucrose stärker aus, da hierfür ein größeres sterisches Ausschlussvolumen aufgrund des größeren Volumens der Sucrosemoleküle erwartet werden kann; und in der Tat ist dies in Übereinstimmung mit der erhöhten Kapazität zur preferentiellen Hydratation („preferential hydration“) dieses Osmolyten. So steigt z.B. die Höhe des Potentialtopfes von VY(r) deutlich von –3,75 kBT für die 4 %ige Lösung auf –2,25 kBT für die Proteinlösung mit nur 0,5 M Sucrose. In diesem Konzentrationsbereich wirken sowohl Glycerin als auch Sucrose in der Art, dass sie die Abstoßung zwischen den Proteinmolekülen vergrößern, wahrscheinlich indem sie die Stärke und Ausdehnung der Hydratationsschicht erhöhen. Dieser Effekt der Erhöhung der repulsiven Kräfte führt zu mehr Ordnung im Nahbereich zwischen den Proteinmolekülen. Nur bei sehr hohen Osmolytkonzentrationen (jenseits von 1 M), ist eine ausreichende Hydratation des Proteins nicht mehr möglich (in Einklang mit kalorimetrischen Daten [Ravindra und Winter, 2003, sowie Ravindra und Winter, 2004]), und der Effekt könnte sich umkehren. Trifluorethanol (TFE) weist mit sich ändernder Konzentration einen multiphasischen Effekt auf V(r). Bei Zugabe von 10 % TFE werden die intermolekularen Wechselwirkungen repulsiver, ähnlich wie bei den Osmolyten Glycerin und Sucrose. Bei höheren Konzentrationen (35 %) ändert sich das Bild. Aufgrund der drastisch erhöhten dielektrischen Permeabilität des Mediums werden sowohl der attraktive sowie der repulsive Teil des Wechselwirkungspotentials erhöht. Zusätzlich, als ein Effekt des stark verminderten Werts von , wird eine Exposition hydrophober Reste energetisch günstiger, was zu einer teilweisen Entfaltung (in Übereinstimmung mit einem erhöhten Gyrationsradius Rg) und zu erhöhten hydrophoben Wechselwirkungen der Proteinmoleküle führt. Die Tiefe des Potentialtopfes von VY(r) sinkt auf –7,75 kBT für die 4 %ige (w/v) Lösung. Salze wie Natriumchlorid und Kaliumsulfat bewirken eine stark konzentrationsabhängige Änderung des attraktiven Potentials aufgrund der Abschirmung der positiven Ladungen der Proteinmoleküle. Mit ansteigender Salzkonzentration sinkt die Tiefe des Potentialtopfes von VY(r) von –3,75 kBT für 0 mM NaCl auf –4,75 kBT für 50 mM, –8,25 kBT für 100 mM bis auf –13 kBT für 200 mM NaCl sowie auf –13 kBT für 250 mM K2SO4. Bei hohen Proteinkonzentrationen wird hier die Grenze des verwendeten Modells erreicht, da die Proteine in diesem stark attraktiven Regime Oligomere bilden. Mit ansteigender SO42--Konzentration setzt die Präzipitation des Proteins ein. Guanidiumchlorid, ein vielfach eingesetztes, chaotropes Agens, weist einen vergleichbaren Abschirmungseffekt auf, der zu erhöhten attraktiven Wechselwirkungen zwischen den Proteinmolekülen führt. Bei hohen GdmCl-Konzentrationen (3,5 M) jedoch wird V(r) repulsiver, was darin begründet sein könnte, dass bei hohen Gdm+-Konzentrationen dieses Ion an das Protein bindet und so zu einer verstärkten elektrostatischen Abstoßung führt. Diese Abstoßung könnte weiterhin daran liegen, dass bei höheren GdmCl-Konzentrationen die Ausdehnung und Hydratation des Proteins aufgrund der teilweisen Entfaltung des Moleküls zu steigen beginnt (Rg erhöht sich um ~ 7%), was ebenfalls ein Anstieg der repulsiven Wechselwirkungen bewirkt. Bei noch höheren GdmCl-Konzentrationen setzt eine ausgeprägte Entfaltung und die Bildung verschiedener Populationen von Proteinspezies ein, so dass das verwendete theoretische Modell nicht weiter anwendbar ist. Schließlich unterstreicht dieser Teil der Arbeit die Notwendigkeit, die Solvatation und intermolekularen Wechselwirkungen von Proteinen genau zu verstehen und zu quantifizieren, um den physikalisch-chemischen Eigenschaften von Proteinen - auch bei niedrigen Salz- und Cosolventkonzentrationen - Rechnung zu tragen. Im Besonderen muss betont werden, dass diese Befunde zeigen, dass bei der Berechnung thermodynamischer Größen von Proteinen Aktivitätskoeffizienten generell oberhalb einer Konzentration von 1 % (w/v) aufgrund der signifikanten intermolekularen Wechselwirkungen nicht vernachlässigbar sind. In den meisten biochemischen und biophysikalischen Studien wird dies jedoch getan. Viele Studien haben gezeigt, dass die Proteinaggregation und Fibrillbildung von Natur aus ein Nukleations- und Wachstumsprozess ist, bei dem Aggregate akkumulieren, bis sie eventuell ihre Löslichkeit überschreiten und präzipitieren. Die Existenz einer Verzögerungsphase („lag phase“) bei der Aggregation wird durch eine energetische Barriere bei der Nukleation verursacht. Diese Barriere beim Zusammenbau der Moleküle kann orientierungsspezifisch sein. Falls eine Orientierung mit niedrigerer freier Energie bei der Clusterbildung existiert, so wird das Wachstum vornehmlich in dieser Orientierung voranschreiten, was zu einer geordneten Struktur des Aggregats führt, wie z.B. zu Fibrillen. Um den Anteil von V(r) aufzuklären, der für die Initiation des protein-fibrillären Self-assembly verantwortlich ist, wurde S(Q) für Insulinlösungen verschiedener Konzentration unter ladungsabschirmenden Bedingungen (Zusatz von NaCl), nicht ladungsabschirmenden Bedingungen sowie in Anwesenheit von 20 % (v/v) Ethanol im prä-aggregierten Zustand bestimmt. Die attraktiven und repulsiven Wechselwirkungspotentiale wurden durch Fitten des experimentellen Strukturfaktors S(Q) berechnet, um Informationen über den Initiationsprozess der Aggregation und Fibrillbildung bezüglich der intermolekularen Wechselwirkung zu erhalten. Überraschenderweise ist das Maximum von S(Q) im Wesentlichen unabhängig von der Insulinkonzentration, was aufzeigt, dass die Insulinpartikel sich in Gleichgewichts-Clustern mit einer konzentrationsabhängigen Aggregationszahl zusammenlagern, anstatt eine räumlich homogene Verteilung von Proteinpartikeln einzunehmen. Der Potentialtopf von VY(r) sinkt drastisch auf –18, –27 und –32 kBT für Insulinkonzentrationen von 1, 4 bzw. 10 % (w/v). Im Gegensatz dazu ist der attraktive Teil von VY(r) für Lysozym, welches ein stabiles Protein darstellt, wesentlich kleiner und weist eine andere Konzentrationsabhängigkeit auf. Der deutliche Anstieg der attraktiven Wechselwirkungen für Insulin zeigt, dass die kurzreichweitigen van-der-Waals -und wahrscheinlich auch spezifischen hydrophoben Wechselwirkungen des teilentfalteten Insulinmoleküls (welches hydrophobe „Patches“ exponiert) schon bei vergleichsweise niedrigen Konzentrationen und Temperaturen (25 °C) sehr stark sind. Unter Ladungsabschirmung des positiv geladenen Insulins in Anwesenheit von 0,1 M NaCl wird eine drastische Abnahme der Potentialtopftiefe von VY(r) beobachtet, welche –38 kBT in der 1 %igen (w/v) und –50 kBT in der 4 %igen (w/v) Insulinlösung beträgt. Dieser deutliche Anstieg der attraktiven Wechselwirkungen erklärt die erhöhte Rate der Proteinaggregation und Fibrillbildung unter ladungsabschirmenden Bedingungen. Um herauszufinden, wie die intermolekularen Wechselwirkungen von den Lösungsbedingungen und den initialen, zur Aggregation neigenden Insulinspezies abhängen, wurden weitere Experimente durchgeführt, unter denen Insulin nur als Monomer vorliegt. Die Daten zeigen, dass die Tiefe und die Reichweite von VY(r) in Anwesenheit von 20 % (v/v) Ethanol etwa ~ 10 % kleiner sind als diejenigen des dimeren Proteins in Wasser. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die erhöhte Hydrophobizität des Lösungsmittels teilweise den hydrophoben Teil der attraktiven Wechselwirkungen aufhebt, was im Einklang mit dem Befund ist, dass die Zugabe von Ethanol den Nukleationsprozess der Fibrillbildung von Insulin verzögert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kombination einer schwach abgeschirmten, langreichweitigen Abstoßung und eine signifikante, kurzreichweitige Anziehung zu einer ausgeprägten Bildung von Gleichgewichts-Clustern von zur Aggregation neigenden Proteinen führt. Der teilentfaltete Zustand von Insulin weist hydrophobe „Patches“ auf, die zu einem drastischen Anstieg ortsspezifischer, kurzreichweitiger und hydrophober Wechselwirkungen in Form von Clustern in diesem Aggregations-Vorstadium führen. Dies geschieht bereits unter Bedingungen, die fern von denjenigen sind, unter denen die eigentliche Aggregation und Fibrillbildung einsetzt. In anderen Worten: Es geschieht, bevor die Entropie der freigesetzten Hydratationsschichten und die attraktiven Kräfte der kurzreichweitigen Wasserstoffbrückenbindungen genug treibende Kraft vermitteln können, um die Kontaktflächen zu „trocknen“ und geordnete, fibrilläre Strukturen zu formen. Derlei Vorgänge finden auf kurzer Zeitskala bei höheren Temperaturen statt. Der hier verwendete Ansatz ist in der Lage, auffallende Unterschiede der Wechselwirkungspotentiale von zur Aggregation neigenden Proteinen wie Insulin, und nativ stabilen, globulären Proteinen wie Lysozym unter verschiedenen Bedingungen von Hydratation, Solvatation, Hydrophobizität und Ladungsabschirmung aufzuzeigen. Er könnte daher in weiteren Studien über andere, mehr krankheitsbezogene amyloide Proteine, wie das Alzheimer-Peptid oder dem Prion-Protein, Verwendung finden. Die Kenntnis der Wechselwirkungskräfte könnte es erlauben, die Aggregation amyloider Proteine gezielt zu kontrollieren

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