Neuronale Korrelate der Tinnitussuppression mittels amplitudenmodulierter akustischer Stimulation: eine EEG-Studie

Abstract

Einleitung Akustische Stimulation ist ein vielversprechender Ansatz zur kurzzeitigen Unterdrückung des chronisch subjektiven Tinnitus. In vorangegangenen Studien wurde bereits die Effektivität amplitudenmodulierter (AM) Töne im Vergleich mit unmodulierten Tönen untersucht, wobei eine etwas bessere Wirksamkeit von amplitudenmodulierten Stimuli, speziell auf der Tinnitusfrequenz beobachtet wurde. Da Tinnitus mit einer Reduktion der Alpha-Power in auditorischen Arealen des Gehirns assoziiert ist, könnte neben dem Mechanismus der residualen Inhibition zusätzlich das Entrainment der auditorischen Alpha-Oszillationen hierbei eine Rolle spiele. Diese Form der neuronalen Anpassung an einen externen Reiz wurde insbesondere für die 10 Hz AM Stimuli angenommen, da dies der Frequenz der Alphawellen (8 – 12 Hz) entspricht. Neben physikalischen Eigenschaften wurde des Weiteren ein Zusammenhang zwischen Tinnitussuppression und emotionaler Bewertung der Stimuli sowie persönlichkeits- und tinnitusbezogener Merkmale untersucht. Methoden Insgesamt nahmen 42 Patienten mit chronischem subjektivem Tinnitus an dem Experiment teil. Das Studienprotokoll beinhaltete eine Fragebogenanalyse, Audiometrie, Tinnitus Matching und die akustische Stimulation mit anschließender Bewertung der Tinnituslautstärke. Letztere erfolgte mit vier AM Tönen und einem unmodulierten Ton auf der Tinnitusfrequenz (iTin) in einer randomisierten Reihenfolge für jeweils 3 Minuten mit einer Lautstärke von 65 dB oberhalb des Sensation Levels (SL). Die AM Stimuli basierten auf Modulationsraten von 10 Hz und 23 Hz, jeweils auf der Tinnitusfrequenz (AM10 und AM23) sowie drei Oktaven tiefer (AM10deep und AM23deep). Abschließend wurden die Stimuli emotional hinsichtlich Valence und Arousal bewertet. Während der gesamten akustischen Stimulation wurde ein EEG aufgezeichnet, um neuronale Korrelate der Tinnitusunterdrückung darzustellen. Mithilfe von Varianzanalysen (ANOVA) und gepaarten T-Tests konnten Unterschiede zwischen den Stimuli hinsichtlich kurzzeitiger Tinnitussuppression sowie Änderungen der Alpha-Power identifiziert werden. Zudem wurden Pearson-Korrelationen berechnet um mögliche Prädiktoren (Tinnitusdauer, -belastung und Persönlichkeit) zu identifizieren. Ergebnisse AM10deep unterschied sich signifikant am stärksten von iTin hinsichtlich kurzzeitiger Tinnitussuppression nach der akustischen Stimulation. Zum Zeitpunkt 0 nach der akustischen Stimulation war die Tinnituslautstärke auf 75% des Ausgangwertes reduziert. AM10 wurde im Vergleich mit iTin am besten emotional in Bezug auf Valence und Arousal bewertet. Für alle fünf Stimuli resultierte eine Reduktion der Alpha-Power nach der akustischen Stimulation. Signifikante Unterschiede für den Faktor Zeit ergaben sich für AM23deep, AM10deep, iTin und AM10. Zudem zeigte sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Differenz der Alpha-Power vor und nach der Stimulation und der Tinnituslautstärke für die Stimuli AM23 und AM10deep. Hinsichtlich möglicher Prädiktoren korrelierten sowohl Tinnitusdauer als auch Tinnitusbelastung positiv mit der Tinnituslautstärke nach der akustischen Stimulation. Diskussion Entgegen vorheriger Akustikstudien mit amplitudenmodulierten Tönen, erzielten die Stimuli im Tieftonbereich, insbesondere AM10deep, bessere kurzzeitige Suppressionseffekte der Tinnituslautstärke als die Töne auf der Tinnitusfrequenz. Generell wurden die Stimuli mit einer Modulationsrate von 10 Hz emotional am besten bewertet. Hinsichtlich guter Verträglichkeit und Wirksamkeit bieten diese Erkenntnisse neue Ansätze für weitere Studien auf diesem Gebiet. Die im EEG aufgezeichnete Reduktion der Alpha-Power nach der akustischen Stimulation für alle fünf Stimuli ist als physiologische Reaktion auf einen akustischen Reiz, im Sinne einer Desynchronisation, zu interpretieren. Der negative Zusammen-hang zwischen der Differenz der Alpha-Power vor und nach der Stimulation und der Tinnituslautstärke könnte Hinweise auf eine zunehmende Variabilität der Alpha-Aktivität geben. Die Studie liefert somit weitere Einblicke in die neuronalen Mechanismen der Verarbeitung akustischer Reize im Alpha-Frequenzbereich. Da jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen der Reduktion der Tinnituslautstärke und einer Zunahme der Alpha-Power gezeigt werden konnte, müssen weitere Studien mit bildgebenden Verfahren wie Magnetenzephalographie (MEG) oder funktioneller Magnetresonanz-tomographie (fMRT) durchgeführt werden. Als mögliche Prädiktoren für die Wirksamkeit von akustischen Stimulationsverfahren könnten zukünftig Tinnitusdauer und Tinnitusbelastung mit einbezogen werden

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