Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) haben auch über Fachkreise hinaus in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. In vielen europäischen Ländern – so auch in Deutschland – ist ein deutlicher Zuwachs an gemeldeten autochthonen Hepatitis E Fällen in den vergangenen Jahren zu verzeichnen. Es ist jedoch unklar, ob die Zunahme der Meldungen tatsächlich eine Zunahme der Infektionslast in der Bevölkerung widerspiegelt.
Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit mit dem zeitlichen Verlauf der HEV-Seroprävalenz als Indikator der Infektionslast in Süddeutschland zwischen 2003 und 2015. Insgesamt 3000 Probandenseren wurden auf das Vorhandensein von Anti-HEV Immunglobulin G (IgG) untersucht. Diese waren gleichmäßig über die Jahre 2003, 2006, 2009, 2012 und 2015, zwei Altersgruppen (20–29 und 30–39 Jahre) sowie beide Geschlechter verteilt. Bei positiv getesteten Proben wurde zusätzlich die Antikörperkonzentration bestimmt. Es zeigte sich, dass die Seroprävalenz von 32,8 % im Jahr 2003 über 22,5 % im Jahr 2006 (p < 0,001) und 22,3 % im Jahr 2009 hin zu 17,7 % und 17,8 % in den Jahren 2012 und 2015 sank. Bei männlichen im Vergleich zu weiblichen Probanden (p = 0,018) und bei 30- bis 39-Jährigen im Vergleich zu 20- bis 29-Jährigen (p < 0,001) konnte ein höheres Prävalenzniveau festgestellt werden. Insgesamt variierten die gemessenen Antikörperkonzentrationen zwischen 0,22 WU/ml und 1783,19 WU/ml. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen war die mediane Antikörperkonzentration mit 2,41 WU/ml signifikant höher als in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen, in welcher sie bei 1,89 WU/ml lag (p < 0,001).
Im Zeitraum von 2003 bis 2012 nahm die Anti-HEV IgG Seroprävalenz von 32,8 % bis auf einen Wert von circa 18 % ab, welcher auch für 2015 gemessen wurde. Die beobachtete Abnahme der Seroprävalenz spricht für einen in den letzten Jahrzehnten niedrigeren Infektionsdruck in der Bevölkerung Süddeutschlands. Eine solch niedrige Anti-HEV Prävalenz unter den jungen Erwachsenen deutet auf eine Population geringer spezifischer Immunität hin und kennzeichnet ein zukünftig potenziell höheres Infektionsrisiko bezüglich des Hepatitis E Erregers in dieser Altersgruppe. Folglich ist die Identifikation und Reduktion potenzieller HEV-Infektionsquellen, eine kontinuierliche Überwachung der epidemiologischen Situation und eine gewissenhafte HEV-Diagnostik bei Verdachtsfällen auch weiterhin indiziert