Systematische Literatursuche ohne DIMDI. Ein Szenario

Abstract

Im Rahmen der sog. Evidenzbasierten Medizin (EBM) wird versucht, Empfehlungen für medizinisches Handeln zu erstellen. Basis dafür ist, alle Studien der medizinischen Forschung zu einem bestimmten Thema im Rahmen eines transparenten, reproduzierbaren Prozesses zu finden und zu bewerten. Hierfür wurden methodische Standards entwickelt, die sich auch auf die Literatursuche erstrecken und dabei die Einbindung von Informationsspezialisten vorsehen. In diesem Bereich findet die Rolle klassischer Informationsvermittlung, erweitert um Beratung, zunehmend an Bedeutung. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), eine Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, kündigte Anfang 2016 an, ab dem Jahr 2017 keine Literaturdatenbanken für die Recherche mehr zu hosten. Während die herausragende Bedeutung der EBM für die Gesundheitsversorgung international anerkannt ist und durch die öffentliche Hand zunehmend gefördert wird, reduziert Deutschland dieses Feld und nimmt seinen Bürgern den Zugang zur medizinischen Evidenz. Es wird die Möglichkeit verloren gehen, auf eine größere Bandbreite der wichtigsten medizinischen Literaturdatenbanken zugreifen zu können und dabei auch ausgefeilte Retrievalmöglichkeiten zu nutzen, wie sie für Systematische Literatursuchen notwendig sind. Andere Zugänge zu Literaturdatenbanken sind keine gangbaren oder adäquaten Alternativen für professionelle Recherchen insb. für die Forschung in öffentlicher Hand. Da die Kosten für Pauschallizenzen vieler Datenbanken so hoch sind, bietet das DIMDI mit dem Pay-per-Use oft den aus finanziellen Gründen einzig möglichen Zugang zu diesen Datenbanken. Für umfassende Suchen mit dem Anspruch an Vollständigkeit (Systematic Reviews, Metaanalysen, Leitlinien, HTA) ist deshalb oft die Suche beim DIMDI mit Unterstützung durch Informationsspezialisten notwendig. Diesen Recherchen kommt im Gesundheitssystem die mit Abstand größte Bedeutung zu und sie haben außerordentlichen Einfluss auf die Qualität und die Kosten der Krankenversorgung. Der überwiegende Teil der Forschungssynthesen wird dezentral durch Fachgesellschaften und an Universitäten erarbeitet. Wenn die Suche beim DIMDI wegfällt, werden solche qualifizierten Recherchen aufgrund personeller und finanzieller Limitierungen kaum mehr möglich sein. Die Barrieren für Informationsspezialisten bspw. an Universitätsbibliotheken, die der Nachfrage entsprechend ein Angebot aufbauen möchten, steigen. Die beiden zentralen medizinischen Informationsversorger Deutschlands, DIMDI und ZBMed, entziehen sich der Unterstützung. Das DIMDI gibt zusammen mit den Literaturdatenbanken auch jahrzehntelang aufgebautes Know-How auf. Der Beitrag der ZBMed, das Suchportal LIVIVO, ist für qualifizierte Suchen kaum geeignet

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