Zellphysiologie der Odontoblasten - Signalwege multifunktionaler Epithelzellen

Abstract

Odontoblasten trennen das Weichgewebe der dentalen Pulpa vom Hartgewebe des Dentins und kleiden als terminal differenzierte Zellen in einem einschichtigen Epithel die Pulpakammer aus. Odontoblasten vereinen drei sehr komplexe und scheinbar unabhängige Funktionen. Als sensorische Zellen rezipieren Odontoblasten thermische, mechanische sowie chemische Reize. Sie exprimieren mechanosensitive Ionenkanäle oder allgemein TRP-Kanäle (transient receptor potential channels) als Basis von Mechanorezeption und Signaltransduktion. In einer vollkommen anderen Funktion detektieren Odontoblasten im verzweigten System der zellulären Immunantwort als Epithelzellen die Invasion pathogener kariogener Keime, verstärken diese Information und geben sie an andere Immunzellen, etwa dendritische Zellen, im Pulpa-Dentin-Komplex weiter. Schließlich ist die Bildung von Dentin die primäre Funktion reifer Odontoblasten. Allerdings ist es bis heute nicht gelungen, primäre humane Odontoblasten zu isolieren und in vitro zu kultivieren. Eine Kultur humaner Odontoblasten wäre äußerst wünschenswert, weil nur so Prozesse ihrer komplexen Funktionen auf zellulärer Ebene studiert werden könnten. Dieses Wissen wäre dann die Basis für therapeutische Ansätze und Strategien in der restaurativen Zahnheilkunde. Ein erster Ansatz dazu wäre die vertiefte Charakterisierung von Zellen, die kürzlich in unserer Arbeitsgruppe an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie aus der Pulpa-Dentin-Grenze isoliert wurden. Jedoch ist die Identifizierung dieser Zellen als Odontoblasten ein schwieriges Vorhaben, weil ein spezifischer Marker für Odontoblasten derzeit nicht bekannt ist. Obwohl die aus der Pulpa-Dentin-Grenze isolierten primären Zellen einen Odontoblasten-Phänotyp zu exprimieren scheinen, sollte eine detaillierte Analyse von Mechanismen der unterschiedlichen Funktionen ihre exakte Identifizierung ermöglichen. Daher sollte in einem ersten Schritt in der vorliegenden Literaturarbeit das derzeit verfügbare Wissen über intrazelluläre Signalwege der Bildung von Dentin und Tertiärdentin als eine der Funktionen von Odontoblasten vergleichend diskutiert werden. Vor allem sollten die über Wnt/β-Catenin, TGF-β/Smad und FGF vermittelten Pathways in Odontoblasten, odontoblasten-ähnlichen Zellen und dentalen Pulpazellen erfasst werden. Momentan ist nicht bekannt, wie spezifisch diese Signalwege für Odontoblasten wirklich sind und wie weit andere alternative Wege für die Funktion der Dentin- und Tertiärdentinbildung erforscht wurden. Zu diesen Fragen wurde eine Literaturrecherche in der Datenbank MEDLINE® über die Plattform OVID durchgeführt. Die von Dubletten bereinigte Suche mit spezifischen Schlüsselwörtern ergab 8992 individuelle Einträge. Als Ergebnis eines Relevanzrankings wurde in erster Priorität eine Trefferzahl von 2761 erzielt, in zweiter Priorität ohne molekulare Terme wurden 6246 Referenzen ermittelt. Diese Quellen wurden in das Literaturverwaltungsprogramm Citavi importiert. Für die vorliegende Arbeit wurden ausschließlich die Referenzen erster Priorität nach „relevant“, „nicht relevant“, „Relevanz unklar“ und „aussortierte Dubletten“ sortiert. In der vorliegenden Arbeit wurden zunächst noch vor der Analyse spezifischer Signalwege die Struktur des Dentin-Pulpa-Komplexes dargestellt und die Stadien der Entwicklung humaner Zähne analysiert. Anschließen wurde gezeigt, wie die Signalwege, die zur Dentinbildung führen, auch an der Regulation der Zahnentwicklung beginnend mit der Bildung von Plakoden beteiligt sind. Zu diesen Pathways zählen diejenigen über Wnt, TGFβ/BMP oder auch Wachstumsfaktoren wie der Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGF). Wnt ist eines der zentralen Signalmoleküle der Ontogenese und als wachstumsstimulierendes Protein ein Signalmolekül, das Zellproliferation und Zellmigration induziert, die Physiologie von Stammzellen reguliert und wachsendem Gewebe eine Form verleiht. Die Komplexität des Pathways spiegelt sich in der großen Zahl an Liganden und Rezeptoren wider und aus der Aktivierung von Wnt-Rezeptoren in der Zellmembran resultiert bevorzugt über die Aktivierung des ß-Catenin/TCF-Transkriptionskomplexes eine Vielfalt intrazellulärer Reaktionen. Der Wnt-ß-Catenin Signalweg hat eine bedeutende Funktion als Regulator der Dentinogenese und ist ein zentraler Mechanismus der Reparatur von Schäden des Pulpa-Dentin-Komplexes. Dieser Pathway übernimmt auch eine zentrale Funktion in der Bildung von Tertiärdentin durch die Förderung der Proliferation und der Differenzierung dentaler Stammzellen und Zellen der dentalen Papille. Ein anderer Signalweg zur Dentinbildung wird von transformierenden Wachstumsfaktoren-ß (TGF-ß) gesteuert, die als Zytokine der Kommunikation zwischen Zellen dienen. Die heterogene Familie humaner TGF-ß Proteine umfasst drei Isoproteine von TGF-ß, Aktivine (Inhibine), Nodal (Bmp-16), BMPs (bone morphogenetic proteins) und GDFs (growth and differentiation factors). Vor allem BMP-2 und BMP-4 scheinen an der Bildung des Skelettes und der Differenzierung von Hartgewebe beteiligt zu sein. Funktionell binden die TGF-ß-Liganden zunächst an Rezeptoren in der Zellmembran und aktivieren Smad- und Nicht-Smad-abhängige Signaltransduktionsketten. Smad-Proteine sind die Haupteffektorproteine des TGF-ß-Signalwegs. Isoformen des TGF-ß fungieren auch in der Zahnreparatur. So war TGF-ß1 in Odontoblasten und Pulpazellen kariöser Zähne verstärkt exprimiert und im tertiären Dentin nachweisbar. TGF-ß scheint die Differenzierung dentaler Pulpazellen zu Odontoblasten zu steuern und so die reparative Dentinbildung zu induzieren. Die Mitglieder der Familie der Fibroblasten-Wachstumsfaktoren (FGF) interagieren mit signalgebenden Tyrosinkinase-FGF-Rezeptoren (FGFRs) in der Zellmembran und vermitteln ein breites Spektrum an Funktionen. FGFs sind in den frühesten Stadien der Embryonalentwicklung und während der Organogenese an Differenzierung und Wachstum beteiligt und regulieren im erwachsenen Gewebe Stoffwechsel-, Reparatur- und Regenerationsprozesse. In der Zahnentwicklung steuern FGFs die charakteristischen epithelialen-mesenchymalen Interaktionen. FGF2 scheint hier auf die Zellen der Odontoblastenlinie stadienspezifisch zu wirken, und FGF-2,-3,-4 und -8 sind an der Entwicklung der Zahnkrone beteiligt. Mitglieder der Familie der FGFs kontrollieren aber auch die reparative Dentinogenese, beispielsweise über die Differenzierung von Vorläuferzellen in Pulpazellkulturen zu funktionellen Odontoblasten. Neben diesen klassischen Signalwegen scheinen auch besondere Enzymaktivitäten wie die der Sphingomyelinasen (SMases) oder der Histonacetyltransferasen (HAT) die Bildung von Dentin und Tertiärdentin zu fördern. SMases katalysieren die Hydrolyse von Sphingolipiden wie Sphingomyelin (SM) zu Ceramid, die ihrerseits als Signalmoleküle zellulären Stress, Zellteilung oder Zelldifferenzierung steuern. Die Notwendigkeit der Expression von Smpd3 (Sphingomyelin-Phosphodiesterase 3) in Odontoblasten als Regulator der Mineralisation der extrazellulären Matrix der Zähne wurde kürzlich nachgewiesen. Die reversible Acteylierung von Histonen durch Histonacetyltransferasen (HAT) wiederum ist ein wichtiger epigenetischer Mechanismus der Regulation des Gleichgewichts zwischen Knochenbildung und -abbau. Es gibt inzwischen auch Untersuchungen zur Funktion von Histondeacetylasen (HDACs) in der Dentinbildung und von Möglichkeiten, durch die Verwendung von HDAC-Inhibitoren etwa die Differenzierung von Pulpazellen und die Bildung von Tertiärdentin zu beeinflussen. Trotz dieser teilweise sehr detaillierten Kenntnisse von Signaltransduktionswegen ist das aktuelle Wissen über molekulare Mechanismen im Prozess der Tertiärdentinbildung weiterhin sehr gering. Dennoch sind die hier erzielten Resultate eine Grundlage für experimentelle Arbeiten, Funktionen verschiedener Pathways für die Bildung von Tertiärdentin zu untersuchen. Man darf erwarten, dass die spezifische Bedeutung einzelner Signalwege durch die Inhibition mit chemischen Substanzen oder knockdown-Experimenten und andererseits mittels Überexpression zentraler Regulatorproteine identifiziert werden kann

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