Physikalische Parameter bei der Inkorporation von Radon und seinen Folgeprodukten im Modell und Organismus

Abstract

Das radioaktive Edelgas Radon ist allgegenwärtig in unserer Umwelt und trägt zu einem signifikanten Anteil der jährlichen Strahlenbelastung bei. Inhalierte Zerfallsprodukte akkumulieren in der Lunge und sind die zweithäufigste Ursache für die Induktion von Lungenkrebs nach Rauchen. Auf der anderen Seite wird Radon zur Behandlung von entzündlichen Krankheiten wie beispielsweise rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew eingesetzt. Dennoch ist der Wirkungsmechanismus der Radontherapie bis heute weitestgehend ungeklärt. Es existieren jedoch erste Hinweise auf eine Wirkung über die Stimulation des Immunsystems. Zur Risikoeinschätzung sowie der Aufklärung des Wirkungsmechanismus der Radontherapie ist eine akkurate Dosisbestimmung und Kenntnis der Radonverteilung im Körper essentiell. Derzeitige Verfahren zur Dosisabschätzung beruhen jedoch auf unsicherheitsbehafteten, retrospektiven epidemiologischen Studien oder biokinetischen Modellen, in die Daten aus Tierexperimenten einfließen, die auf den menschlichen Organismus übertragen werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit Aktivitätsmessungen an einem Probanden direkt nach Radonexposition zur Dosisbestimmung in der abdominalen sowie thorakalen Region vorgestellt. Nach einstündiger Inhalation von Radon und seinen Zerfallsprodukten in einem Therapiestollen wurden extern gamma-Spektren der gamma-emittierenden Radonzerfallsprodukte Blei (Pb-214) und Bismut (Bi-214) in der abdominalen und thorakalen Region eines freiwilligen Probanden aufgenommen. Aus diesen Spektren wurde der zeitliche Aktivitätsverlauf der Nuklide bestimmt und durch Kenntnis der Zerfallskaskade von Radon Rückschlüsse auf die in der Körperregion applizierte Dosis gezogen. Zudem wurden aus dem Zeitverlauf der Aktivitäten unterschiedliche Verweildauern von Radon in den einzelnen Körperregionen ermittelt und mit ihren physiologischen Charakteristika verknüpft. Um die in der Arbeit verwendete Messmethode zu validieren, wurden im Vorfeld Absorptionsmessungen der Zerfallsprodukte auf einem luftdurchströmten Filtersystem durchgeführt. Die so erhaltenen Daten können einheitlich in einem Modell mit rein physikalischen Parametern beschrieben und verstanden werden. Bei den Probandenmessungen hingegen musste die Modellvorstellung zur konsistenten Beschreibung der Daten um biologische Komponenten wie aktive Transportprozesse und unterschiedliche Gewebeeigenschaften erweitert werden. Ein weiteres Hindernis war die inhomogene Verteilung von Radon in den gemessenen Körperregionen, die bei der Aktivitätsbestimmung von Pb-214 und Bi-214 eine große Rolle spielt. Bei den Probandenmessungen werden Dosiskonversionsfaktoren, die die Exposition mit einer bekannten Radonaktivitätskonzentration bei bekannter Expositionsdauer in eine Dosis überführen, für die abdominale und thorakale Region bestimmt. Diese betragen im Abdomen 1,55+/-0,33 microGy und im Thorax 1,11+/-0,35 microGy für eine einstündige Exposition bei 55 kBq/m^3 . Somit liegen sie in derselben Größenordnung wie derzeitige Modelle des Strahlenschutzes vorhersagen, jedoch weisen sie um einen Faktor 2-4 höhere Dosiswerte auf. Des Weiteren kann ein linearer Zusammenhang zwischen der Radonaktivitätskonzentration während der Exposition und der applizierten Dosis verifiziert und jeweils zwei verschiedene Verweildauern für Radon in der abdominalen sowie thorakalen Region bestimmt werden. Daraus wird der Dosisanteil durch lang- sowie kurzzeitig gespeichertes Radon ermittelt, wobei etwa ein Drittel des Radons länger im Körper verbleibt und dabei für über 80 % der applizierten Dosis durch Radoninkorporation verantwortlich ist. Im Gegensatz zu der Vorhersage bisheriger Modelle deuten die in der Arbeit durchgeführten Messungen auf einen fast doppelt so hohen Anteil inkorporierten Radons hin, das nach Exposition schnell aus dem Körper abtransportiert wird. Zudem konnte ein größerer Anteil lang gespeicherten Radons in der abdominalen als in der thorakalen Region detektiert werden, was mit dem höheren subkutanen Fettgehalt im Abdomen korreliert wurde. In dieser Arbeit werden durch direkte Aktivitätsmessungen am Probanden Dosiskonversionsfaktoren für verschiedene Körperregionen bestimmt. Die hier präsentierten Experimente liefern das erste in dieser Präzision erhobene Datenset, das ohne weitere Modellierungen eine inhomogene Verteilung von Radon im menschlichen Körper zeigt. Zusätzlich bietet es die Möglichkeit bisher existierende Modelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen und anzupassen, um eine verbesserte Dosisabschätzung durch Radonexposition im Strahlenschutz und zur Untersuchung der entzündungshemmenden Wirkung von Radon zu erlangen

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