Die Rolle der Sphingosinkinase 2 in der Pathogenese gefäßproliferativer Netzhauterkrankungen

Abstract

Pathologisches Gefäßwachstum ist eine der Hauptursachen für Erblindung in ischämischen Retinopathien, eine diverse Gruppe von Erkrankungen, zu der auch die Frühgeborenenretinopathie (ROP) gehört, bei denen Gefäßverschlüsse oder Durchblutungsstörungen eine retinale Hypoxie mit Neovaskularisation (NV) verursachen. Der Hypoxie-induzierte vaskuläre endothelialer Wachstumsfaktor (VEGF) ist dabei nach derzeitigem Kenntnisstand der wichtigste angiogene Faktor. Daneben spielt auch der Signalweg über den Tyrosinkinase-Rezeptor 2 (Tie2) eine entscheidende angiogene Rolle. Dabei regulieren der Tie2 Ligand Angiopoietin 1 (Angp1) und der Antagonist Angiopoietin 2 (Angpt2) Gefäßstabilisierung und Destabilisierung, und agieren im Zusammenspiel mit VEGF. Sphingolipide sind neben ihrer Funktion als strukturelle Membrankomponenten auch als intra- und extrazelluläre Botenstoffe bekannt. Vor allem das bioaktive Sphingosin-1-Phosphat (S1P) reguliert eine Vielzahl zellulärer Prozesse, zu denen auch Proliferation, Zellüberleben und Angiogenese gehören. Es vermittelt seine biologischen Effekte über seine fünf Rezeptoren (S1PR1–5) und wird durch zwei ubiquitär exprimierte Sphingosinkinasen (Sphk) synthetisiert, die sich in ihren subzellulären Lokalisierungen und Gewebeexpressionen unterscheiden. Im retinalen Gefäßwachstum wurde in den letzten Jahren der S1P/S1PR1 Signalweg als wichtiger die Angiogenese inhibierender Signalweg etabliert, während eine Reduktion der Signaltransduktion Gefäßsprossung verstärkt. Damit ist das S1P generierende Enzym Sphk2, welches das prominentere in neuronalem Gewebe und damit auch der Retina ist, von großem Interesse und dessen Einfluss auf physiologische und pathologische Angiogenese war Hauptaugenmerk dieser Arbeit. Dazu wurden im ersten Teil zwei gentechnisch veränderte Mauslinien in physiologischer Angiogenese untersucht. Die transgene Sphk2 (tgSphk2) Maus, bei der das zusätzliche Einschreiben des humanen Sphk2 Gens, eine systemische Sphk2 Überexpression erzeugt und die Sphk2 knockout (Sphk2-/-) Maus, bei der keine Expression der Sphk2 vorliegt. Allgemein zeigen die tgSphk2 Mäuse eine beschleunigte Angiogenese, bedingt durch einen S1P Gradienten mit im Gewebe erhöhten S1P Konzentrationen, ohne erhöhte VEGF-Expression. Die verringerte S1PR1-Expression zusammen mit den veränderten S1P Leveln deuten auf einen hyper-sprouting Phänotyp hin. Die Sphk2-/- Mäuse zeigten dagegen eine eher verlangsamte Angiogenese, erhöhte plasmatische S1P Konzentrationen, bedingt durch eine kompensatorische Regulierung der Sphk1 und dramatische Mangelexpression der vaskulären Wachstumsfaktoren und der Rezeptoren. Im zweiten Teil der Arbeit wurden diese gentechnisch veränderten Sphk2 Mäuse auf ihre pathologische Angiogenese untersucht. Dazu wurde das Sauerstoff-induzierte Retinopathie (OIR) Modell verwendet, welches die Symptomatik der ROP nachahmt. Hierzu wurden die Mäuse vom postnatalen Tag (P) 7 bis 12 in einer hyperoxischen Umgebung gehalten (75% O2), was zu Vaso-Obliteration (VO) und Regression bereits vorhandener Blutgefäße führt. Nach Rückkehr zur Raumluft entwickelte sich so eine relative Hypoxie in der Retina, welche NV induziert. Bei den tgSphk2 Mäusen zeigte sich eine geringere VO und eine frühere und stärker ausgeprägte NV mit chaotischer Morphologie des Blutgefäßnetzwerkes. Dies ist einerseits auf den hyper-sprouting Phänotyp zurückführen, aber auch auf die zu Beginn der hypoxischen Phase erhöhten S1PR3-Expression, was zur Aktivierung von VEGF-R und damit dessen angiogenem Signalweg beiträgt, auch wenn die VEGF-Expression im Gegensatz zu Wildtyp Tieren im Zuge des OIR Modells nicht ansteigt. Ebenso begünstigt die sinkende Angpt1-Expression Gefäßsprossung, gepaart mit dem NV-induzierenden Zusammenwirken von VEGF und Angpt2. Der dadurch vorliegende angiogene Phänotyp der tgSphk2 Mäuse artet unter diesen pathologischen Bedingungen aus und führt zu unkontrolliertem und chaotischem Gefäßwachstum. Dagegen zeigten die Sphk2-/- Tiere keine Veränderung in der VO, aber eine deutlich verlangsamte und gestörte NV mit auffälliger Mangelexpression sowohl in den Rezeptoren als auch in vaskulären Wachstumsfaktoren. Die Expression von S1PR1 stieg zwar in diesen Mäusen zum letzten Beobachtungstag hin an, was jedoch zu einer Inhibition des VEGFR Signalisierung führt, die eventuell auf eine Rezeptortransaktivierung durch die hohen plasmatischen S1P-Level zurückzuführen ist, da VEGF selbst in diesen Mäusen kaum exprimiert wird. Allgemein könnte der Mangel aller wichtigen Faktoren, die die Bildung neuer Blutgefäße regulieren, wie VEGF, Angpt1, Angpt2 und die S1PRs, zu den spärlich und fehlerhaft gebildeten Gefäßen führen, die bei diesen Mäusen im Krankheitsmodell aufgefunden wurden. In der vorliegenden Arbeit konnte ein bedeutender Einfluss des S1P produzierenden Enzyms Sphk2 auf physiologische und pathologische Angiogenese gezeigt werden, was die wichtige Rolle der Sphk2/S1P/S1PRs Achse unterstreicht und die pleiotropen Effekte von S1P hervorhebt. Global betrachtet bewirkte ein Übermaß an Sphk2 ein Ausarten des Blutgefäßwachstums, während ein Mangel an Sphk2 zu spärlichem und fehlerhaften Blutgefäßwachstum führte. Demensprechend könnte ein Zeitpunkt spezifisches Eingreifen in die Sphk2/S1P/S1PR Achse mittels pharmakologischer Inhibitoren ein vielversprechender Angriffspunkt zur therapeutischen Behandlung von gefäßproliferativen Netzhauterkrankungen, wie der ROP, darstellen

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