Analyse von zwei strukturell ähnlichen aber funktionell unterschiedlichen viralen K+-Kanälen: Strukturelle Ursache der inhärenten Einwärtsgleichrichtung

Abstract

Viren besitzen kodierende Sequenzen für Kaliumkanäle (K+-Kanäle), welche die gleichen strukturellen und funktionellen Merkmale wie komplexere K+-Kanäle aus Pro- und Eukaryonten aufweisen. So wie Letztere verfügen sie ebenfalls über Transmembran-Helices (TMs), eine kanonische Porenregion (Poren-Loop), welche zwei TMs miteinander verbindet und die typische Signatursequenz beinhaltet. In einigen Fällen sind auch sehr kurze zytoplasmatische C- und N-Termini vorhanden. Die bisher bekannten viralen K+-Kanäle sind alle aus zwei TMs, welche über die Porenregion verbunden sind, aufgebaut. Anders als die baugleichen Kir-Kanäle zeichnen sich die viralen Kanäle jedoch über eine sehr geringe Größe aus. In Abwesenheit von großen zytosolischen Domänen sind sie in der Lage mit weniger als 100 Aminosäuren funktionelle Kanäle zu bilden. Wegen der Kombination aus robuster Kanalfunktion und geringer Größe eignen sie sich hervorragend als Modellsystem, um grundlegende Struktur- und Funktionsanalysen durchzuführen, welche auf komplexere K+-Kanäle übertragen werden können. In dieser Arbeit wurden die Kmpv-Kanäle (K+-Kanal Micromonas pusilla virus), welche zu der Familie der Phycodnaviren gehören, untersucht. KmpvSP1, welcher aus dem Micromonas pusilla virus SP1 isoliert wurde, zeigt nach Expression in HEK293-Zellen sowohl in der whole-cell Konfiguration, als auch nach Rekonstitution in einen planaren Lipid-Bilayer eine Einwärtsgleichrichtung. Diese Gleichrichtung ist nicht, wie bei Kir-Kanälen, auf einen intrazellulären Block zurückzuführen. KmpvSP1 leitet auch in einer reinen K+-Lösung fast ausschließlich Einwärtsstrom, woraus zu schließen ist, dass die Gleichrichtung eine intrinsische Eigenschaft des Kanalproteins ist. Obwohl die molekularen Mechanismen der Gleichrichtung unterschiedlich sind, zeigt KmpvSP1 dennoch einige charakteristische Funktionseigenschaften von Kir-Kanälen. Wie bei den letztgenannten Kanälen verschiebt sich nach einer Veränderung der externen K+-Konzentration die Gleichrichtung mit dem Umkehrpotential. Auch im Falle des viralen Kanals hängt dabei die Leitfähigkeit von der Quadratwurzel der externen K+-Konzentration ab. Ein zweiter viraler Kanal aus dieser Familie, Kmpv1 (K+-Kanal Micromonas pusilla virus 1), welcher eine sehr ähnliche Aminosäure-Sequenz zu KmpvSP1 aufweist, zeigt ein völlig anderes elektrophysiologisches Verhalten. Dieser Kanal hat keine Gleichrichtereigenschaften, sondern zeigt eine ohmsche K+-Leitfähigkeit. Kmpv1 weist ferner eine niedrigere Sensitivität für die typischen K+-Kanalblockern Ba2+ und Cs+ auf und besitzt eine deutlich höhere Leitfähigkeit für Rb+ als K+. Im Vergleich dazu ist der Einwärtsgleichrichter KmpvSP1 sehr sensitiv für Ba2+ und Cs+ und leitet deutlich weniger Rb+ als K+. Aufgrund der elektrophysiologischen Unterschiede wurden die beiden viralen K+-Kanäle als Werkzeug benutzt, um die Struktur-Funktionsbeziehung, die für die unterschiedlichen Funktionseigenschaften verantwortlich sind, zu analysieren. Durch kombinierte Mutations- und Funktionsanalysen kann die unterschiedliche K+- und Rb+-Leitfähigkeit und die unterschiedliche Sensitivität für Cs+ auf die TMs zurückgeführt werden. Diese geht auf den Befund zurück, dass eine Chimäre, welche die TMs aus KmpvSP1 und die Pore aus Kmpv1 vereint, eine niedrige Rb+-Leitfähigkeit, eine hohe Sensitivität für Cs+ und eine deutliche Einwärtsgleichrichtung für K+ zeigt. Das entspricht den funktionellen Eigenschaften von KmpvSP1, also dem Teil des Kanals, der die TMs zu der Chimäre beisteuert. Für die hohe Ba2+-Sensitivität in KmpvSP1 kann hingegen die Struktur der Pore und zwar die Aminosäure Serin (53) hinter dem GYG-Motiv verantwortlich gemacht werden. Durch die Substitution dieser einen Aminosäure durch Phenylalanin, welche Kmpv1 an vergleichbarer Stelle trägt, kann die Sensitivität der Mutante auf das Niveau der Sensitivität des Wildtyp-Kanals Kmpv1 gesenkt werden. Der Mechanismus der Einwärtsgleichrichtung von KmpvSP1 kann in dieser Arbeit nicht vollständig geklärt werden. Die Experimente schließen jedoch die Pore als primäre Struktur für die Gleichrichtung aus. Ein Austausch der Pore in KmpvSP1, durch die entsprechende Domäne des Kanals mit ohmscher Leitfähigkeit, führt nicht zum Verlust der Gleichrichtung. In weiteren Untersuchungen wurden diejenigen Aminosäuren, in denen sich der KmpvSP1 Kanal von Kmpv1 unterscheidet, so mutiert, dass sie dem Kmpv1 gleichen. Aus der Analyse von 22 funktionellen Punktmutanten ergab sich nur eine Mutante, KmpvSP1 F72I, bei der die makroskopischen Ströme zwar sehr klein, aber nicht mehr einwärtsgleichrichtend waren. Nach einer funktionellen Rekonstitution der Mutante in planaren Lipid-Bilayern zeigte der Kanal, anders als der Wildtyp-Kanal, Kanalfluktuationen im positiven Spannungsbereich. Auch wenn diese Mutation das Schaltverhalten des Kanals verändert, kann die Aminosäure F72 nicht als einzige Ursache für die Gleichrichtung interpretiert werden. Auch die F72I Mutante zeigt immer noch eine Einwärtsgleichrichtung mit einer höheren Offenwahrscheinlichkeit bei negativen im Vergleich zu positiven Spannungen. Zudem hat die gleiche Mutation in einem nahe verwandten K+-Kanal von KmpvSP1 dem KmpvPL1, keinerlei Auswirkung auf die Gleichrichtereigenschaften

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