"Die Einkommensdifferenzen waren in den ehemals sozialistischen Ländern systembedingt deutlich niedriger als in den westlichen Gesellschaften. Insofern überrascht es wenig, dass sich die soziale Ungleichheit in den postsozialistischen Gesellschaften im Zuge der Transformationsprozesse zumeist deutlich erhöht hat. Die Vermutung liegt nahe, dass der Anstieg der Ungleichheit eine Folge des sich etablierenden marktwirtschaftlichen Prinzips war. Der Beitrag untersucht, inwieweit sich dieser unterstellte Zusammenhang im Transformationskontext nachweisen lässt. Entgegen der Ausgangserwartung findet man in ländervergleichender Betrachtung kaum Belege für diese These: Zwischen dem Grad der Marktliberalisierung (Privatisierung, Reichweite der Reformen) und dem Anstieg der Einkommensungleichheit gibt es keinen positiven Zusammenhang. Auch die unterschiedliche Integration der Länder in die Weltwirtschaft hat keinen nachweisbaren Effekt auf die Ungleichheit. Überraschenderweise sind es insbesondere Länder mit unvollständiger Marktreform, in denen die Ungleichheit am deutlichsten zugenommen hat. In diesen Ländern ist auch das Ausmaß der Korruption besonders groß, so dass dieses der beste Prädiktor für den Anstieg der Ungleichheit ist. Der marktliche Tausch ist in vielen Transformationsländern in den politischen Bereich vorgedrungen und hat dort den allgemeinen Schutz von Eigentums- und Verfügungsrechten in Frage gestellt. Es ist demzufolge wohl nicht das Marktprinzip an sich, sondern vor allem die ungenügende 'Einbettung' und Einhegung des Marktes, die primär für den Anstieg der Ungleichheit verantwortlich ist." (Autorenreferat