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Versorgungsforschung beim Mammakarzinom anhand von Krebsregisterdaten aus vier Regionen Deutschlands

Abstract

Im Gegensatz zu klinischen Studien, in denen die Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen meist in randomisiert kontrollierten Studien und unter Idealbedingungen analysiert wird, werden in der Versorgungsforschung Fragestellungen unter Alltagsbedingungen untersucht [41, 44]. Darunter fallen u.a. auch Bereiche der Qualitätssicherung mit dem Ziel, eine transparente Versorgung und wenn möglich eine stetige Verbesserung der Versorgungsqualität zu erreichen. Hierbei wird zwi-schen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterschieden [11, 40]. Klinische Krebsregister dokumentieren u.a. Angaben zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge und sind somit zum einen in der Lage, die teilweise komplexen Krankheits- und Therapieverläufe von Krebspatienten ab-zubilden, zum anderen können mithilfe dieser Daten Prozess- und/oder Ergebnisqualität einer Einrichtung oder auch bevölkerungsbezogen einer ganzen Region überprüft werden [54]. Klini-sche Krebsregister arbeiten in enger Kooperation mit Klinikern verschiedener Fachrichtungen - idealerweise innerhalb der Infrastruktur eines Tumorzentrums [58]. Sie können damit zu einem wichtigen Instrument der klinischen Onkologie an Universitäten werden. Aus einem Versor-gungsforschungsprojekt der Deutschen Krebshilfe, das zum Ziel hatte, die Umsetzung der natio-nalen S3 Leitlinie für das Mammakarzinom zu evaluieren [31-33, 49], gingen zwei Publikationen hervor, die ausgewählte Prozess- bzw. Ergebnisqualitätsindikatoren untersuchen [50, 51]. Die erste aus dem S3-Leitlinien-Projekt hervorgegangene Publikation mit dem Titel „Is primary surgery of breast cancer patients consistent with German guidelines? Twelve-year trend of population-based clinical cancer registry data.“ [50] hatte zum Ziel, die Prozessqualität be-züglich der primären Operation des Mammakarzinoms zu evaluieren. Dafür wurden die Leitlini-envorgaben für die brusterhaltende Operation (BCS) sowie für die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) im zeitlichen Trend dargestellt und einem regionalen Vergleich unterzogen. In die Aus-wertung gingen Daten ein von 72.742 Patientinnen aus vier unterschiedlichen Regionen Deutschlands, die zwischen 1999 und 2010 die Diagnose Mammakarzinom erhielten. Neben deskriptiven statistischen Methoden wurden auch multivariate logistische Regressionen verwen-det. Die Analyse zeigte einen kontinuierlichen Anstieg der Raten der BCS von 55% im Jahr 1999 auf 75% im Jahr 2010. Bei einer Tumorgröße bis 5cm (pT1/2) sollte laut S3-Leitlinie von 2004 in mindestens 60% der Fälle brusterhaltend operiert werden [33]. Diese Vorgabe war bereits 1999 erreicht (61%) und stieg während des Beobachtungszeitraums kontinuierlich auf bis zu 80% an. Auch die Raten der SLNB stiegen ab 2003 stark an, im Jahr 2010 erhielten bereits 79% aller Patientinnen mit klinisch nodal negativem Lymphknotenstatus eine SLNB. Der in der Leitlinie von 2008 vorgegebene Schwellenwert von mindestens 60% [31] war im Jahr der Leitlinienpub-likation ebenfalls in allen vier Regionen bereits erreicht. Sowohl bei der BCS als auch bei der SLNB waren regionale Unterschiede bezüglich der Höhe und der Geschwindigkeit des Anstiegs der Raten erkennbar. Multivariat war im Zeitraum 1999-2003 die Chance auf eine BCS in den westlichen Regionen um den Faktor 2,6 höher als in den östlichen Regionen. Die Odds Ratio sank im zeitlichen Verlauf auf den Faktor 1,6 (2004-2007) und schließlich auf den Faktor 1,2 (2008-2010). Das gleiche Muster zeigte sich auch bei der SLNB: Die Chance, eine SLNB zu erhalten, war in den westlichen Regionen im ersten Zeitraum 4,4-fach höher und sank auf den Faktor 3,7 im zweiten Zeitraum und auf 1,5 im dritten Zeitraum. Insgesamt kann festgehalten werden, dass auf aggregierter Ebene BCS und SLNB bei Mammakarzinom-Patientinnen leitliniengerecht durchgeführt wurden, die Schwellenwerte der betreffenden Qualitätsindikatoren waren bereits vor bzw. mit Publikation der jeweiligen Leitlinie erreicht. Als Ursachen hierfür sind zum einen die zahlreiche Publikation von Ergebnissen großer randomisierter klinischer Studien zu nennen [13, 20, 23, 59-61]. Zum anderen existierten bereits vor Implementierung einer nationalen Leitlinie sogenannte Konsensus-Statements, die aus inter-nationalen Brustkrebskonferenzen hervorgingen und die häufig für die Therapieentscheidung herangezogen werden [24, 25, 35]. Der weitere Anstieg der Raten von BCS und SLNB nach Publikation der jeweiligen Version der S3-Leitlinie sowie der Rückgang der regionalen Unter-schiede im zeitlichen Verlauf dürften neben anderen Faktoren auch leitlinienbedingt sein. Im Fokus der zweiten Publikation mit dem Titel „No Survival Benefit for Patients with Treatment in Certified Breast Centers – A Population-based Evaluation of German Cancer Registry Data“ [51] stand die Ergebnisqualität. Hintergrund dieser Arbeit war die Tatsache, dass sich seit 2004 immer mehr Kliniken in Deutschland zu Brustzentren zertifizieren lassen [39]. Laut Brucker [7] wurden 2009 bereits etwa 75% aller Mammakarzinom-Patientinnen in Brustzentren behandelt. Viel Zeit und Geld wurde bislang in den Zertifizierungsprozess inves-tiert, derzeit gibt es allerdings kaum Evidenz darüber, ob dies auch zu einem verbesserten Out-come für die Patientinnen führt. Daher wurde anhand der Daten aus dem S3-Projekt untersucht, inwiefern die Zertifizierung von Brustzentren Einfluss auf das Überleben von Patientinnen mit Mammakarzinom hat. In die Auswertung eingeschlossen wurden insgesamt 32.789 operierte Patientinnen mit einem Mammakarzinom als Erstkarzinom und Diagnose zwischen 2004 und 2010. Für die Survivalanalyse wurden die Kaplan-Meier-Methode sowie die multivariate Cox-Regressionsanalyse verwendet. In der Analyse zeigte sich weder zwischen Patientinnen mit Behandlung vor bzw. nach Zertifi-zierung des Zentrums, noch zwischen Zentrums- und Nicht-Zentrumspatientinnen unter 75 Jah-ren ein statistisch signifikanter Überlebensunterschied. Lediglich in der Altersgruppe 75 Jahre und älter war multivariat die Überlebenswahrscheinlichkeit für die Zentrumspatientinnen um 33% höher im Vergleich zu Nicht-Zentrumspatientinnen (adjustierte Hazard Ratio 0,77; 95%-Konfidenzintervall 0,68-0,87). Dieser Überlebensunterschied bei den älteren Patientinnen dürfte sehr wahrscheinlich vor allem durch Unterschiede im Gesundheitszustand der Patientinnen (z.B. Komorbiditäten, Grad der Gebrechlichkeit) und der damit einhergehenden unterschiedlichen Krankenhauswahl bedingt sein (Selektionseffekt) und nicht durch den Zertifizierungsprozess an sich. Daher ist auf Grundlage der Ergebnisse der vorliegenden Analyse nicht von einem Effekt der Zertifizierung von Brustzentren auf das Überleben von Mammakarzinom-Patientinnen aus-zugehen.While in clinical trials (normally conducted as randomised controlled trials) medical interventions are analysed under ideal circumstances, in health services research, problems are investigated under usual circumstances in everyday life. This includes also fields of quality assurance with the purpose of a continuous improvement of quality of care. Three dimensions of care can be divided: structure quality, process quality, and outcome quality [11, 40]. Among other things, clinical cancer registries document information about diagnostics, therapy, and aftercare. There-fore, they are able to reproduce the frequently complex courses of disease on the one hand and to evaluate process quality and/or outcome quality of an institution or population-based of a whole region on the other hand. Clinical cancer registries work in close cooperation with clinicians of certain medical fields – ideally within an existent infrastructure of a tumour centre [58] . They could become to an important instrument of oncology at universities. The objective of a health services research project, which was funded by the German Cancer Aid was the evaluation of the implementation of the national S3 guideline for breast cancer patients in Germany [31-33, 49]. Two publications resulted from this study with focus on process quality and outcome quality, respectively [50, 51]. The first publication which was originated from the S3 guideline project, entitled „Is primary surgery of breast cancer patients consistent with German guidelines? Twelve-year trend of population-based clinical cancer registry data.“ [50], aimed to evaluate process quality of primary surgery of breast cancer. Therefore, guideline recommendations for breast conserving surgery (BCS) and for sentinel lymph node biopsy (SLNB) were shown over time and were compared between regions. “Cancer registry data from 72 742 breast cancer patients diagnosed between 1999 and 2010 in four different regions in Germany were used. Descriptive statistics and multivariate logistic regression analyses were conducted. Between 1999 and 2010, rates of BCS for pT1/2-tumours rose from 61% to 80%, rates of SLNB increased rapidly to 79%. Both surgical therapies were already adherent to the respective guidelines, although some regional differences could be observed: in 1999–2003, the chance of BCS was 2.6-fold higher [odds ratio (OR) 2.6] in the western regions than in the eastern regions, but this difference decreased over time (2004–2007 OR 1.6; 2008–2010 OR 1.2). A similar pattern was observable for SLNB: in 1999–2003, the chance of receiving SLNB was 4.4-fold higher in the western regions, but these rates converged (2004–2007 OR 3.7; 2008–2010 OR 1.5). The further increase of BCS- and SLNB rates after publication of guidelines and the reduction of regional differences may also be attributable to guideline implementation.” [50]   The focus of the second publication entitled „No Survival Benefit for Patients with Treatment in Certified Breast Centers – A Population-based Evaluation of German Cancer Registry Data.“ [51], was outcome quality. Background of this study was the fact, that since 2004, hospi-tals increasingly became certified breast centers (CBC) [39]. According to Brucker [7], in 2009 about 75% of all breast cancer patients got treated in a CBC. “Much time and money has been spent on the establishment and preservation of CBCs, but up to now there is almost no evidence for whether certification results in an improved outcome for breast cancer patients. Therefore, data from the S3 guidelines project were used to assess, whether the certification of specialized units had any influence on their patients’ outcomes and if a survival difference between CBC patients and non-CBC patients can be shown. This population-based analysis included cancer registry data from 32,789 operated breast cancer patients with no prior cancer diagnosis and with active follow-up. They were diagnosed between 2004 and 2010 in four different regions in Germany. Survival was investigated using the Kaplan–Meier-method and multivariate Cox re-gression analysis. A survival difference was found neither between patients with treatment before and after certification of specialized units nor between CBC patients and non-CBC patients aged up to 75 years. Only for patients older than 75 years, an improved survival could be seen for CBC patients (adjusted hazard ratio 0.77; 95% confidence interval 0.68–0.87). The improved survival of elderly CBC patients is most likely caused by selection effects concerning health status differences and not by processes attributable to certification. Thus, this study found that as of yet, certification has not influenced survival of breast cancer patients.” [51

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