Aufgabenstellung dieser Arbeit ist die Prozessdarstellung des Kompetenzerwerbs im Umgang mit menügesteuerten Informationssystemen (kurz: Menüsysteme) im Fahrzeug. Hierzu zählen die Darstellung des Lernverlaufs sowie der Bedeutung von förderlichen und hinderlichen Lernbedingungen. Als ein Schwerpunkt der Arbeit werden mentale Repräsentationen der Nutzer bezüglich des Menüsystems betrachtet. Zusätzlich wird die Kompatibilität des Kompetenzerwerbs für Menüsysteme mit der Fahrzeugführung geprüft. Aus diesen Analysen ergeben sich Methoden der Überprüfung des Lernaufwands, -verlaufs und -erfolgs. Zur empirischen Überprüfung werden prototypische Menüsysteme konstruiert. Anhand sog. Raumschiff-Systeme wird z.B. der Umgang des Nutzers mit einem begrifflich weitgehend eindeutigen Menüsystem eines Raumschiffs der Bedienung eines Menüsystems ohne bedeutungshaltige Informationen (sog. System sinnloser Silben) gegenübergestellt. Um die Auswirkungen des Kompetenzerwerbs für Menüsysteme auf die Fahrsicherheit zu untersuchen, werden fahrkontextnahe Systeme konzipiert. Diese werden sowohl unter Single-Task Bedingungen (z.B. an einem Bildschirmarbeitsplatz, im stehenden Fahrzeug) als auch unter Dual-Task Bedingungen (z.B. während der Fahrt) bedient. Zielsetzung weiterer Explorationsstudien ist die Analyse der zeitlichen Struktur einer Bedienhandlung in einem Menüsystem in Abhängigkeit des Kompetenzerwerbs. Insgesamt werden sechs Hauptstudien und fünf Explorationsstudien in dieser Arbeit berichtet. Es wird gezeigt, dass der Kompetenzerwerb für Menüsysteme dem sog. Potenzgesetz der Übung folgt: So findet sich zu Übungsbeginn ein starker Leistungsanstieg im Umgang mit einem Menüsystem unter Single-Task Bedingungen, in späteren Übungsphasen verringert sich dieser Leistungsanstieg. Das erzielte Leistungsniveau in der Menübedienung ist nach einer längeren Lernpause (von bis zu 12 Wochen) weitgehend stabil. Zu Übungsbeginn treten v.a. Orientierungs- und Bedienfehler auf, in späteren Übungsphasen vermehrt Flüchtigkeitsfehler. Diese Fehler stellen voneinander unabhängige Fehlerklassen dar. Zu Lernbeginn ist v.a. die Bediengenauigkeit von Bedeutung, mit zunehmender Übung die Bediengeschwindigkeit. Insbesondere antizipative Aspekte der Handlungsvorbereitung und -initiierung im Umgang mit Menüsystemen sind Lerneinflüssen zugänglich. Für exekutive Aspekte der Handlungsdurchführung und -kontrolle ist der Kompetenzerwerb von untergeordneter Bedeutung. Als Nutzermerkmale erweisen sich das bereichsspezifische Vorwissen, die kognitive Leistungsfähigkeit und das Nutzeralter als bedeutsam: Diese Merkmale werden mit zunehmender Übung weniger wichtig für interindividuelle Leistungsunterschiede. Die realisierten Systemvariationen eines Menüsystems (Menüstruktur und Bedienmodell) wirken sich unabhängig vom Lernstatus auf das Bedienverhalten der Systemnutzer aus. Auf Nutzerseite werden im Umgang mit einem Menüsystem mentale Repräsentationen konstruiert: Zu Lernbeginn wird insbesondere begriffliches Wissen (sog. Inhaltsstruktur und begriffliche Unterbegriffs-Oberbegriffs-Relationen) angeeignet. Mit zunehmender Übung wird eine räumliche Repräsentation, in der die Positionen der einzelnen Menüinhalte abgebildet sind, aufgebaut. Eine motorische Repräsentation als Resultat einer Optimierung des Umgangs mit dem Bedienelement bis hin zu einer (Teil-)Automatisierung der motorischen Handlungssequenz wird erst nach umfangreicher Übung im Umgang mit einem Menüsystem erworben. Diese Repräsentationen beeinflussen wiederum die Bedienleistung: Zu Übungsbeginn ist z.B. das Erkennen der sog. Inhaltsstruktur für die starken Lernzuwächse verantwortlich. Die Kompatibilität von Vorwissen auf Nutzerseite und für die Bedienung notwendiges Systemwissen bestimmt den Lernaufwand und –verlauf. Die Veränderung räumlicher Positionen von Menüinhalten geht mit Einbußen in der Bedienleistung einher. Personen mit präzisem räumlichem Wissen können effizienter mit einem Menüsystem umgehen. Bedienfehler treten v.a. zu Übungsbeginn auf. Mit zunehmender Übung wird der sensumotorische Umgang mit dem Bedienelement optimiert. Diese Befunde führen zu folgenden Schlussfolgerungen: (1) Der Umgang mit Menüsystemen führt zu einer trialen Kodierung der für die Menübedienung notwendigen Informationen. (2) Das Potenzgesetz der Übung beschreibt den Kompetenzerwerb für Menüsysteme lediglich summativ und resultiert aus der Kombination der einzelnen Lernfunktionen der zu kodierenden Lerninhalte. Unter Dual-Task Bedingungen treten zu Übungsbeginn stärkere Interferenzen zwischen Fahrzeugführung und Menübedienung auf. Mit zunehmender Übung verringern sich diese Interferenzen v.a. auf Seiten der Menübedienung. Dies ist u.a. auf die Instruktion der Probanden zurückzuführen. Übungsbedingt schauen die Nutzer seltener bei vergleichbarer Blickdauer auf das Systemdisplay. Insbesondere ältere Nutzer haben Probleme mit einer Verschränkung von Fahrzeugführung und Menübedienung. Mit zunehmender Übung verringern sich diese Alterseffekte, werden aber nicht eliminiert. Wird ein Menüsystem parallel zur Fahrzeugführung bedient, werden zudem stärkere und präzisere begriffliche und räumliche Repräsentationen über das Menüsystem vom Nutzer konstruiert. Bei diesen Studien wird ein multimethodaler Messansatz verfolgt, in dem verschiedenartige Werkzeuge zur Bestimmung des Kompetenzerwerbs und seiner Wirkungen auf die Fahrsicherheit eingesetzt werden. Es kann dabei zu einer Dissoziation der Ergebnisse in verschiedenen Messmethoden kommen. Unter Single-Task Bedingungen gewonnene Ergebnisse können nicht ohne weiteres auf Dual-Task Bedingungen generalisiert werden.This work aims at describing the learning process of handling menu-driven information systems within the vehicle including facilitating and detrimental conditions of this learning process. For this means, the users’ mental representations of the so-called “menu systems” are considered. As one emphasis, the compatibility of learning these menu systems with driving a vehicle is under investigation. These works result in a set of methods for describing the effort, the process and the success of learning how to handle a menu system. Within the empirical studies prototypical menu systems are introduced: “Spaceship systems” (German: “Raumschiff-Systeme”) are used in contrast to a “System of meaningless syllables” (German: “System sinnloser Silben”) for evaluating how the users handle with semantically unambiguous menu systems. In order to examine possible dual-task effects (caused by handling a menu system while driving) prototypical menu-systems derived from realistic Driver Information Systems are investigated under single-task conditions (e.g. handling the menu system in a parked vehicle) as well as under dual-task conditions (e.g. while driving a vehicle). Furthermore, exploratory studies are conducted for evaluating the temporal structures of single actions while handling a menu system. In sum, six main studies and five exploratory studies are part of this work. It is shown that the learning process for handling a menu system follows the so-called “potency law of practice”: This law suggests that large learning effects particularly take place in early stages of a learning process. In later stages these learning effects diminish. If the user pauses after extensive practice (e.g. for 12 weeks), the achieved level of performance is maintained. Furthermore, “orientation errors” and “handling errors” while handling the menu system particularly arise in early stages of the learning process, whereas “slips” occur more often in later stages. These classes of errors are independent from each other. The accuracy of handling the menu system is of major importance in early stages of the learning process, whereas the speed is more important in later stages. Anticipatory aspects of preparing and initiating the user’s actions are especially susceptible to learning effects, whereas their executive aspects of maneuvering and controlling are not as important for the learning process. Prior knowledge of the user, his/her cognitive abilities as well as the user’s age are relevant aspects of the user for the learning process: These features are of importance for differences between individuals in early stages of the learning process. The variation of specific aspects of the menu systems (i.e. menu structure, concept of the control elements) are of importance independent from the learning process. While handling the menu system, mental representations are constructed by the user: In early stages of the learning process semantic representations (i.e. structure of the contents, semantic hyponym-hypernym relations) are acquired. With increasing practice, spatial representations come into play as the position of distinct menu contents are remembered by the user. Motor representations as a result of optimizing how to handle the control itself and of automating handling sequences are built up in later stages. These representations also influence the user’s performance while handling the menu system: As soon as the user realizes the semantic structure and content of the menu system, learning effects are made possible. If prior knowledge of the user is compatible with the required knowledge for handling the system, positive learning effects result. A sudden change of spatial positions of single menu contents goes along with negative effects on the learner’s performance while handling the menu system. Users with higher spatial abilities are more effective in learning the system. Operating errors particularly take place in early stages of the learning process. With growing practice, the sensu-motoric handling of the control is optimized. These results lead to the following conclusion: (1) Handling a menu system leads to a triple coding of the user’s knowledge which is of importance for learning process. (2) The “potency law of practice” solely describes the learning process of handling a menu system superficially and results from the combination of single learning curves for each of the mental representation. Large interference effects of handling a menu system while driving (“dual-task condition”) can be demonstrated in early stages of the learning process. With increasing practice these interferences diminish, particularly on the side of handling the menu system. It is discussed that these effects can be attributed to the participant’s instruction. In later stages of the learning process the user does not look as often onto the display as in earlier stages. However, the mean gaze duration remains constant. Additionally, handling a menu system while driving a vehicle leads to more precise semantic and spatial representations of the menu system compared to single-task conditions. Elderly users are of special interest in these analyses: They show larger interference effects in dual-task conditions than younger user, but these age-related effects diminish with growing practice. In all these studies, a multi-method approach is pursued in which different tools for describing the learning process and its consequences on driving are in use. It can be shown that the results of the different methods might dissociate from each other. For instance, results of single-task situations cannot be generalized to dual-task situations without restrictions