Zusammenfassung
Hintergrund Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) führt für alle neu zugelassenen Arzneimittel eine (Zusatz)Nutzenbewertung durch (vgl. § 35a SGB V). Für Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen (sogenannte Orphan Drugs [OD]) gelten einige Sonderregeln.
Methodik Anhand öffentlich zugänglicher Dokumente auf der Homepage des G-BA sowie der Fachinformationen erfolgte eine deskriptive Analyse der von September 2011 bis Juni 2016 abgeschlossenen OD Verfahren. Die Datenextraktion umfasste dabei u. a. den Studientyp der zulassungsbegründenden Studie, den primären Endpunkt und die Einschätzung dessen Patientenrelevanz, die in der Nutzenbewertung festgestellte Nutzenkategorie (nicht quantifizierbar, gering, beträchtlich, erheblich) sowie die Erfassung der Lebensqualität.
Ergebnisse Insgesamt wurden 36 Verfahren (47 Anwendungsgebiete [AWG]) analysiert. Auf Verfahrensebene dienten 16 der bewerteten ODs der Behandlung von onkologischen Erkrankungen, 11 der Therapie von Stoffwechselkrankheiten, und 9 der Behandlung von sonstigen Erkrankungen. Bei ca. 83% der Verfahren (70% der AWG) lag mind. eine randomisiert kontrollierte Studie vor. Bei 26 Verfahren (29 AWG) bewertete der G-BA den primären Endpunkt der Zulassungsstudie als nicht patientenrelevant. 64% der OD Zulassungsstudien enthielten Ergebnisse zur Lebensqualität. Daten zu diesen Endpunkten lagen häufig jedoch eingeschränkt vor. Bei 19 OD Verfahren wurde das Ausmaß des Zusatznutzen vom G-BA als nicht quantifizierbar, bei 14 Verfahren als gering und bei einem Verfahren als beträchtlich eingestuft. Bei 2 weiteren Verfahren wurden jeweils 2 Subgruppen unterschieden. In dem ersten Verfahren wurden jeweils ein geringer und ein beträchtlicher Zusatznutzen und in dem zweiten Verfahren wurden ein geringer und ein nicht quantifizierbarer Zusatznutzen festgestellt.
Schlussfolgerung Nach den bisherigen Erfahrungen mit der wertung von OD im G-BA zeigt sich, dass für 70% der zugelassenen Anwendungsgebiete Daten aus RCTs vorliegen, d. h. dass ein randomisiertes Studiendesign auch bei seltenen Erkrankungen möglich ist. Bei unzureichender Evidenzlage, v. a. wenn keine RCTs durchgeführt wurden, resultiert oftmals eine Befristung des Beschlusses. Unterschiedliche Auffassungen bestehen derzeit noch bei der Einschätzung der Patientenrelevanz einer Reihe von primären Endpunkten. Daten zu Lebensqualitäts-Endpunkten müssen besser berichtet werden, damit ein Einbezug zur Bestimmung des Zusatznutzens möglich wird.</jats:p