thesis

Zur Konstituierung von Gemeinschaft in einem Fantasy- und Rollenspielchatraum

Abstract

Die vorliegende Arbeit beruht auf der Forschung in einem Mittelalterrollenspiel- und Fantasy-Chat im Internet, der "Taverne zum Wanderer". Die zentrale These dieser Arbeit lautet, daß sich im Internet Gemeinschaften bilden können, die in ihrer Intensität den Gemeinschaften des "wirklichen Lebens" in nichts nachstehen, sondern über ganz eigene Qualitäten verfügen, welche auf die Internetgemeinschaft wirken und diese festigen. Wie diese Gemeinschaften im Internet entstehen und was sie zusammenhält, soll im folgenden unter Einbeziehung der spezifischen Chatkommunikation, der Interaktionsrituale und der Sozialität der Gäste der Taverne zum Wanderer gezeigt werden. Die Arbeit gibt zunächst einen kurzen Überblick über die ethnologische und ethnographische Internetforschung. Des weiteren geht sie auf ethnologische Methoden zur Erforschung von Internetgemeinschaften und Ethnographie im Cyberspace ein. Einige allgemeine Gedanken über Gemeinschaft, Online-Communities und das Verhältnis von Virtualität und Realität sollen auf die Thematik hinführen, wobei neben modernen Definitionen von Online-Communities auch traditionelle Ansätze zur Gemeinschaft (Tönnies, Weber, Simmel) berücksichtigt werden. Das Kapitel über Cyberspace und Virtuelle Realitäten wird zeigen, daß es "den" Cyberspace eigentlich nicht gibt, und daß Virtuelle Realitäten bzw. Virtualität nicht allein auf das Internet beschränkt sind. Einen ersten Schwerpunkt bildet die "Taverne zum Wanderer" und ihre Gäste. Der Rollenspiel- und Phantasiechatraum "Taverne zum Wanderer" wird vorgestellt, und es wird erklärt, wie man in einem Chat agiert und kommuniziert. Die Begriffe "inplay" und "offplay" werden erläutert. Anhand der Analyse von Chatprotokollen wird die Frage geklärt, ob und warum ein Chat eine kommunikative Gattung darstellt, und inwieweit ein Chat eine Sonderstellung zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation einnimmt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einem Vergleich von Chat mit Telephon und Chat mit Hörspiel. Ein weiteres großes Kapitel stellt die "Taverne zum Wanderer" als Online-Community vor. Es wird diskutiert, ob die gemeinhin gebräuchlichen Ausdrücke "Virtuelle Realität" im Gegensatz zum "Real Life" gerechtfertigt sind, oder ob nicht ein Umdenken im Sprachgebrauch, beruhend auf den Empfindungen und Erfahrungen der User, angebracht wäre, wobei besonders auf den Stellenwert von "Imagined Communities" eingegangen wird. Ein kurzer Abschnitt diskutiert die "Taverne zum Wanderer" als "Lineage". In Anlehnung an Appadurais "scapes" wird anschließend den Begriff "Cyberscape" eingeführt, der den Möglichkeiten zur Imagination im fluiden Medium Cyberspace gerecht wird. Anhand von Beispielen aus protokollierten Chatlogs werden abschließend Machtstrukturen und Machtverhältnisse in der "Taverne zum Wanderer" gezeigt, wobei das Lösen von Konflikten innerhalb der Chattergemeinschaft gesondert behandelt wird. Die letzten beiden großen Kapitel der Arbeit widmen sich dem Aspekt der Theatralität im Internet: Die "Taverne zum Wanderer" wird zum Schauplatz des Geschehens, dessen Akteure auf vielfältige Weise versuchen, Dreidimensionalität in virtuelle Welten zu zaubern. Ferner soll die "Taverne zum Wanderer" als Ort der Inszenierung betrachtet werden, an dem ludische Performanzen aufgeführt und Spielewelten erzeugt werden. Anhand einer bestimmten Chatepisode sollen schließlich die verschiedenen Frames gezeigt werden, die während einer Chatsitzung in einer solchen Spielewelt entstehen können

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