Wirksamkeit einer emotionsfokussierten kognitiven Verhaltenstherapie bei Patienten mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis – wird die Behandlung durch die Hinzunahme von Kotherapeuten effektiver?
Die Schizophrenie gehört zu den besonders schweren psychischen Erkrankungen mit einem hohen Leidensdruck für Betroffene. Weit über die Hälfte der Patienten leiden an Wahnsymptomatik. Neue epidemiologische Studien zeigen jedoch, dass Wahnideen auch in der normalen Bevölkerung vorhanden sind und weisen so auf ein Kontinuum zwischen normalem und psychotischem Erleben hin. Diese Erkenntnisse ermöglichen den Einsatz kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen, die direkt an der Wahnsymptomatik ansetzen, sodass kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren für Patienten mit Psychosen entstanden. Es konnten in mehreren randomisiert- kontrollierten Wirksamkeitsstudien eine verbesserte Positiv- und Negativsymptomatik, ein verbessertes allgemeines Funktionsniveau sowie reduzierte depressive Symptomatik nach Abschluss kognitiver Verhaltenstherapien gefunden werden. Trotz vieler Versuche konnte jedoch die Verbesserung der Wahnsymptomatik durch die klassische kognitive Verhaltenstherapie für Patienten mit Psychosen bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden. Eine Möglichkeit dies zu erreichen ergibt sich aus dem „causal interventionist approach“-Ansatz, welcher besagt, dass weniger den Symptomen der psychiatrischen Erkrankungen Aufmerksamkeit gewidmet werden soll, sondern vielmehr den bereits vor der Entwicklung der Symptome bestehenden kausalen Faktoren (Mediatoren), welche zur Entstehung oder Aufrechterhaltung der Symptome beitragen. Der Einfluss emotionaler Faktoren geht aus vielen Grundlagenbefunden zur Wahnentstehung und -aufrechterhaltung hervor, wobei diese stabil im Zusammenhang mit der Wahnsymptomatik stehen. Ebenso führen Interventionen, welche die Reduktion von Grübeln und Sorgen oder auch von Angst und Depressivität bewirken zu einer Reduktion der Wahnsymptomatik. So scheint die Veränderung der emotionalen Faktoren ein lohnendes Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie zu sein. Vor diesem Hintergrund entwickelte Mehl (2013) eine neue Form der kognitiven Verhaltenstherapie, indem sie bereits erforschte Interventionen vereinte und stärker an die Grundlagenbefunde zur Wahnentstehung anpasste. Eine neue umfassende Therapieform entstand, die indirekt durch Verbesserung der emotionalen Faktoren (wie negative Emotionen, Emotionsregulation, Selbstwert und Schlaf) an wahnhaften Überzeugungen ansetzt („emotion-oriented Cognitive Behaviour Therapy for delusions“, CBT-E).
Die Effektivität der kognitiven Verhaltenstherapie wird erwiesenermaßen durch Hausaufgaben deutlich gesteigert. Durch diese werden neu erlernte kognitive Methoden trainiert und Emotionsregulationsfähigkeiten im täglichen Leben gefestigt. Die ausgeprägte Negativsymptomatik der Patienten mit Schizophrenie stellt bei der Ausführung jedoch ein Problem dar. In der Depressionsforschung wurden daher erfolgreich zusätzliche Kotherapeuten getestet, die Patienten im täglichen Leben unterstützen und die Durchführung der Hausaufgaben sicherstellen. Außerdem zeigen Interventionen durch nicht-professionelle Kotherapeuten eine vergleichbare Effektivität wie durch ausgebildete professionelle Therapeuten. Die Hinzunahme von Kotherapeuten könnte folglich die Durchführung der Hausaufgaben sicherstellen, die Implementierung neuer Fähigkeiten verstärken und durch eigene kotherapeutische Interventionen die Effektivität der emotionsfokussierten kognitiven Verhaltenstherapie steigern.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es somit, anhand einer Prä-Post-Messung erste Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit der neu entwickelten emotionsfokussierten kognitiven Verhaltenstherapie zu erbringen. Dabei werden Wahnsymptomatik, Positiv-, Negativ-, Gesamtsymptomatik, allgemeine Psychopathologie, Depressivität, soziale Funktionalität und Lebenszufriedenheit untersucht. In einer weiteren Prä-Post-Analyse wird getestet, ob emotionale Faktoren (negative Emotionen, niedriger Selbstwert, negative Selbstschemata, geringe Emotionsregulationsfähigkeiten und Schlafprobleme) durch die Interventionen beeinflusst werden. Zusätzlich wird die Verbesserung der Therapieeffektivität durch Kotherapeuten mittels multipler linearer Regressionsanalysen untersucht sowie auch die langfristige Stabilität der Effekte über einen Follow-Up- Zeitraum von einem Jahr. Die verwendeten Daten stammen aus einer Studie im randomisiert kontrollierten Design mit einer Stichprobe von 64 Patienten mit Wahnsymptomatik, welche die neu entwickelte emotionsfokussierte kognitive Verhaltenstherapie mit der Standardbehandlung vergleicht. Die oben beschriebene Symptomatik wurde anhand von Fragebögen und Interviews vor und nach der Therapie sowie nach einer Follow-Up-Periode von 12 Monaten untersucht. Die Hinzunahme von studentischen Kotherapeuten war ein zusätzliches Angebot, dem die Probanden zustimmen konnten.
Die Prä-Post-Analysen der primären und sekundären Zielvariablen zeigten eine Reduktion aller wahnhafter Symptome, Positiv-, Negativsymptomatik, der allgemeinen Symptome sowie eine größere Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Die Effektstärken reichten von klein (durch die Patienten selbst anhand der Fragebögen) bis moderat (Therapeutenbewertung und Bewertung durch verblindete Bewerter). Nach einem Jahr zeigten sich die Ergebnisse noch eindeutiger mit teilweise großen Effektstärken. Nur einige emotionale Faktoren der Wahnentstehung zeigten sich nach der Therapie verbessert. Depression, Sorge und Grübeln wurden etwas reduziert und die Emotionsregulation zeigte sich nach der Therapie leicht verbessert. Außerdem konnten nach der Therapie weniger negative Selbstschemata und mehr positive Selbstschemata gefunden werden. Patienten, die einen zusätzlichen Kotherapeuten wünschten, zeigten schon zu Anfang eine stärkere depressive Symptomatik. Die multiplen linearen Regressionsanalysen machten deutlich, dass die Therapie mit zusätzlichen Sitzungen durch Kotherapeuten in Bezug auf Wahnsymptomatik und allgemeiner Psychopathologie weniger effektiv war.
Verglichen mit anderen aktuellen Studien, die kognitive Verhaltenstherapien für Patienten mit Psychosen in Bezug auf die oben genannte Symptomatik untersuchten, zeigte sich damit keine Überlegenheit der Hinzunahme von Kotherapeuten. Aufgrund dessen und um klare Aussagen über die Effektivität der Therapieform machen zu können, sind weitere randomisiert-kontrollierte Studien notwendig, die einen Vergleich mit der Wartekontrollgruppe ziehen. Wenn dies gelingt, stünde eine neue Therapieform für Patienten mit Schizophrenie zur Verfügung, die weniger belastend für die therapeutische Beziehung ist und schnell erlernt werden kann. Auch die Verbesserungen der emotionalen Faktoren zeigten sich nicht so signifikant wie bei bereits angewendeten Interventionen. Da es aber zu einer Reduktion negativer Emotionen und zu häufigerem Gebrauch funktioneller Emotionsregulationsstrategien kam, könnte die Therapie zur emotionalen Stabilisierung genutzt werden. Auch bei Patienten mit starken negativen Selbstschemata könnte sie sich als nützlich erweisen. Um definitive Aussagen treffen zu können, sind jedoch auch hier weitere statistische Analysen notwendig. Es bedarf weiterer Forschungsarbeit, die mögliche Gründe für die fehlende Steigerung der Therapieeffektivität evaluiert. Bei dem jetzigen Wissensstand erscheint eine Hinzunahme studentischer Kotherapeuten bisweilen nicht sinnvoll