Perioperative Risikofaktoren für ein verschlechtertes Überleben bei postoperativer Sepsis: Bedeutung von Hypothermie und Unterernährung im Rattenmodell
Trotz erheblicher Fortschritte in der Intensivmedizin und Forschung, stellt das Krankheitsbild der Sepsis aufgrund stetig steigender Inzidenz und nur marginal zurückgehender Mortalität ein immer wichtiger werdendes Problem auf der Intensivstation dar. Insbesondere Patienten, die großen abdominalchirurgischen Eingriffen unterzogen werden, sind gefährdet eine postoperative Sepsis zu entwickeln, of mit infauster Prognose. Da zurzeit eine kausale Therapie der Sepsis limitiert ist und die Mittel der Intensivmedizin begrenzt sind, erscheint es wichtig, Risikofaktoren für ein verschlechtertes Sepsisoutcome zu kennen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese modifizierbar sind. Auch für die Planung und Durchführung klinischer Studien ist die Kenntnis von Risikofaktoren wichtig, da ein Nichtbeachten dieser die Interpretierbarkeit der Ergebnisse einschränkt. In dieser Dissertation wurde die Bedeutung von perioperativer milder Hypothermie (32°C) und chronischer Unterernährung als Risikofaktoren für ein verschlechtertes postoperatives Sepsisüberleben evaluiert. Sowohl Unterkühlung, prä- und postoperativ, als auch Unterernährung lassen sich häufig bei chirurgischen Patienten im perioperativen Verlauf beobachten. Für beide Faktoren sind negative Effekte auf das Immunsystem beschrieben worden, die Bedeutung für den postoperativen Verlauf wird jedoch kontrovers diskutiert.
In dieser Dissertation wurde das CMRT Modell verwendet, bei dem unter Simulation klinischer Komplexizität eine fäkale Peritonitis in Wistar-Ratten induziert wird. In zwei Versuchen wurde der Effekt von sowohl vor, als auch nach Operation induzierter milder Unterkühlung auf die 120-Stunden-Mortalität untersucht. Zusätzlich wurde der Effekt von perioperativer G-CSF Prophylaxe bei Hypothermie studiert. In einer separaten Versuchsreihe wurde der Einfluss von 50%igem Nahrungsentzug über drei Wochen auf die postoperative Mortalität untersucht.
Sowohl bei prä-, als auch bei postoperativ induzierter Hypothermie zeigte sich ein signifikant verschlechtertes Überleben der Ratten. Bei zusätzlicher G-CSF Prophylaxe war die Mortalität wieder normalisiert und der normothermen Gruppe gleich. Im Versuch mit präoperativer Hypothermie zeigten die Zytokinmessungen eine verminderte Immunreaktion der unterkühlten Ratten, mit signifikant reduzierter IL-6 und signifikant gesteigerter IL-10 Expression. Im Versuch mit postoperativer Hypothermie zeigte sich anhand einer signifikant gesteigerten IL-6 Expression ein hyperinflammatorischer Zustand der gekühlten Tiere. Unter zusätzlicher G-CSF Prophylaxe war dies in abgemilderter Form zu beobachten.
In der Versuchsreihe mit chronischem Nahrungsentzug zeigte sich eine Mortalitätsrate von 50% in beiden Gruppen. Die unterernährte Gruppe wies eine nicht signifikante Suppression der Zytokine TNF-α, MIP-2 und IL-6 auf.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass perioperative milde Hypothermie einen negativen Effekt auf das Überleben der postoperativen Sepsis hat, unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Operation induziert wird. In beiden Fällen scheint dieser Effekt in einer Störung der empfindlichen Zytokinbalance in der frühen Phase der Sepsis begründet zu sein. Allerdings drängt präoperative Hypothermie diese Balance in Richtung Immunsuppression, postoperative Unterkühlung hingegen in Richtung Hyperinflammation. Aufgrund der klinischen Nähe des verwendeten Tiermodells, unterstützen diese Daten die Empfehlung, Patienten im perioperativen Umfeld normotherm zu halten. Sollte eine perioperative Hypothermie eindeutig indiziert sein, kann möglicherweise eine G-CSF Prophylaxe die negativen Auswirkungen der Kühlung auf das Immunsystem abmildern. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstützen diese These. Klinische Studien sind nun erforderlich, um eine Empfehlung auszusprechen zu können.
Chronische Unterernährung zeigt trotz nachgewiesener negativer Auswirkungen auf das Immunsystem in dieser Arbeit keinen Effekt auf die postoperative Mortalität. Diese Beobachtung unterstützt die These, dass Unterernährung im komplexen perioperativen Umfeld keine ausreichend große Bedeutung trägt und somit nicht als unabhängiger Risikofaktor identifiziert werden kann. Die vorliegende Arbeit untermauert damit die Forderung, eine notwendige operative Versorgung nicht aufgrund einer vorherrschenden Unterernährung aufzuschieben