Kolditz, Sebastian

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NachrichtenTotentafelElmar Büttner 24.7. 2020Giles Constable 17.1. 2021Josef Engemann 14.11. 2020Wolfram Hörandner 27.1. 2021Cyril Mango 8. 2. 2021Jean-Marie Martin 14.1. 2021Klaus-Peter Matschke 5.9. 2020Françoise Petit 18.1. 2021Jean Richard 25.1. 2021Yıldız Ötüken 10.9. 2020Klaus-Peter Matschke (14.5. 1938–5.9.2020)Der Leipziger Byzantinist und Mediävist Klaus-Peter Matschke, der am 5. Sep-tember 2020 im Alter von 82 Jahren verstorben ist, hat zweifellos die Erforschungder Palaiologenzeit in den letzten Jahrzehnten nachhaltig geprägt. Aus demschlesischen Liegnitz stammend, nahm er 1957 an der Leipziger Universität dasStudium der Geschichte und Klassischen Philologie auf. Hier wurde er zumSchüler des Mediävisten Ernst Werner (1920– 1993), eines vielseitigen, in derMediävistik der DDR einflussreichen Forschers, dessen nicht unumstrittenesWirken Klaus-Peter Matschke später selbst wissenschaftsgeschichtlich beleuchtethat.¹ Werners nachhaltiges Interesse an der frühen osmanischen Geschichte² warausschlaggebend für die – im mediävistischen Feld durchaus ungewöhnliche –Orientierung seines Schülers auf die Geschichte des späten Byzanz im Zuge der1967 abgeschlossenen Dissertation zur byzantinischen Hauptstadt in den Jahren Siehe K.-P. Matschke / S. Tanz (Hrsg.), Mittelalterforschung in Leipzig: der Mediävist ErnstWerner (–) und sein Platz in der internationalen Geschichtswissenschaft. Leipzig. E.Werner, Die Geburt einer Großmacht. Die Osmanen (–). Ein Beitrag zur Genesedes türkischen Feudalismus. Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, . Berlin  [undweitere Auflagen].DOI 10.1515/bz-2021-0018 BZ 2021; 114(1): 457–462des zweiten Bürgerkriegs (1341/47) und der Kantakuzenenherrschaft.³ Die Hin-wendung zur Geschichte der Palaiologenzeit und ihren vielfältigen politischen,gesellschaftlichen und religiösen Konflikten und Entwicklungstendenzen solltefür Klaus-Peter Matschkes Wirken bestimmend bleiben. Auf die Tätigkeit alsOberassistent im Bereich der mittelalterlichen Geschichte an der UniversitätLeipzig und die einer Habilitation entsprechende Promotion B (1977) folgte 1986die Ernennung zumProfessor für Allgemeine Geschichte desMittelalters in Leipzigund schließlich von 1992 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2003 die Tätigkeit alsProfessor für Mittelalterliche und Byzantinische Geschichte am wiedergegrün-deten Leipziger Historischen Seminar. SeinemWirken ist es zu verdanken, dass diebyzantinische, südosteuropäische und mediterrane Dimension des Mittelalters inder Leipziger Lehre einen hohen Stellenwert erlangte, nicht zuletzt in Kooperationmit der seinerzeit von Günther S. Henrich bekleideten Professur für byzantinischeund neugriechische Philologie am Institut für Klassische Philologie, doch wid-mete er sich auch mit großem Engagement der Vermittlung traditionell mediä-vistischer Themen wie der Geschichte der Kreuzzüge, mittelalterlicher Welter-kundungen oder derWirtschaftsgeschichte italienischer und oberdeutscher Städteim späteren Mittelalter („Von den Bardi zu den Fuggern“) und verstand es, Stu-dierende für diese Themen ebenso zu inspirieren und zu begeistern wie für dasbyzantinische Jahrtausend. Ein besonderes Anliegenwar ihm aber auch die Pflegeseiner vielseitigen internationalen wissenschaftlichen Kontakte, etwa nachDumbarton Oaks, Wien, Genua, Sofija und im besonderen Maße zu den Kolle-ginnen und Kollegen in Ekaterinburg, mit denen ihn Kontakte noch aus Studi-enzeiten und besonders gemeinsame Forschungsinteressen zur Palaiologenzeitund zur byzantinischen Stadtgeschichte verbanden.Die ursprüngliche Prägung durch ein marxistisches Geschichtsverständnishat ihren Niederschlag auch in der Wahl von Klaus-Peter Matschkes vor allem inder Sozial- und Wirtschaftsgeschichte liegenden Interessenschwerpunkten ge-funden. Bereits in seinen frühen byzantinistischen Arbeiten tritt die Theorie je-doch klar hinter den Primat einer sorgfältigen und originellen Quellenerschlie-ßung zurück. So wurde vor allem die souveräne Durchdringung der ebensovielfältigen wie kleinteiligen und oft an entlegener Stelle edierten dokumentari-schen und narrativen Überlieferung zur Geschichte der Romania im 14. und15. Jahrhundert zum Kennzeichen seiner Arbeiten. Immer wieder ist es ihm dabei K.-P. Matschke, Fortschritt und Reaktion in Byzanz im . Jahrhundert. Konstantinopel in derBürgerkriegsperode von  bis . Berliner Byzantinistische Arbeiten, . Berlin .458 Byzantinische Zeitschrift Bd. 114/1, 2020: Nachrufgelungen, durch die Zusammenstellung verstreuter Evidenzsplitter den Phäno-menen, Personen und sozialen Gruppen der späteren Palaiologenzeit ein deutli-ches Profil zu geben, stets mit hoher Sensibilität für die Feinheiten der Termi-nologie in den zahlreichen Quellensprachen.Im Zentrum seines zweiten Buches⁴ stand denn auch nicht die titelgebendeSchlacht bei Ankara (1402), sondern die Analyse der aus ihrem Ausgang resul-tierenden Chancen für die byzantinische Gesellschaft in den folgenden Jahr-zehnten – ebenso im Hinblick auf das Verhältnis zu den Osmanen wie in öko-nomischen und sozialen Bezügen. So treten etwa auch die Salinen vonThessalonike oder Besitzkonflikte zwischen der Familie Argyropulos und demKloster Iberon ins Licht der Untersuchung; und mit Nikolaos Notaras begegnethier auch bereits in ausführlicher Darstellung⁵ ein Protagonist jenes „aristokra-tischen Unternehmertums“, dessen gesellschaftliches Profil Matschke in Anleh-nung an Forschungen Michail Sjuzjumovs in weiteren Einzelstudien⁶ herausge-arbeitet und schließlich in der gemeinsam mit Franz Tinnefeld verfasstenMonographie zur spätbyzantinischen Gesellschaftsgeschichte von 2001 umfas-send analysiert hat.⁷ Doch richtete sich sein Blick in dieser Summe seiner sozi-algeschichtlichen Forschungen auch erneut auf die so viel schwerer zu fassendenAkteure unterhalb der Führungsschichten, indem er den in den palaiologenzeit-lichen Quellen phasenweise deutlicher in Erscheinung tretenden Mittelschichten(μέσοι) die Grundzüge eines Gruppenprofils zu geben versuchte.⁸Neben diesem sozialgeschichtlichen Blick ist es andererseits der Fokus desStadthistorikers, der viele Forschungen Klaus-Peter Matschkes auszeichnete.Seine an teils entlegener Stelle erschienenen Studien zum komplexen sozialen,politischen und stadträumlichen Gefüge Konstantinopels in der Palaiologenzeithat er 2008 zu einer einschlägigen Aufsatzsammlung unter Einschluss einiger bis K.-P. Matschke, Die Schlacht bei Ankara und das Schicksal von Byzanz. Studien zur spätby-zantinischen Geschichte zwischen  und . Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte,. Berlin . Vgl. ebd., –. K.-P. Matschke, The Notaras familiy and its Italian connections. DOP  () –;Personengeschichte, Familiengeschichte, Sozialgeschichte: Die Notaras im späten Byzanz, in L.Balletto (Hrsg.),Oriente e Occidente tra Medioevo ed Etàmoderna. Studi in onore di Geo Pistarino.Genua , –; Der Fall von Konstantinopel  in den Rechnungsbüchern der ge-nuesischen Staatsschuldenverwaltung, in C. Scholz / G. Makris (Hrsg.), Polypleuros nous. Misc-ellanea für Peter Schreiner zu seinem . Geburtstag. BA, . München , –. K.-P. Matschke / F. Tinnefeld, Die Gesellschaft im späten Byzanz: Gruppen, Strukturen undLebensformen. Köln , –. Ebd., –.S. Kolditz: K.-P. Matschke 459dahin unpublizierter Vorträge zusammengestellt.⁹ Sie beleuchten so unter-schiedliche Facetten wie die Nachrichten über Stadttore und Fischer, über Mi-grationsvorgänge in die Hauptstadt hinein und aus ihr heraus, aber auch dieBautätigkeit und das Hauseigentum in der Metropole.Wieder ist es die Liebe zumkleinen, oft übersehenen Detail und die methodisch-kritische Erörterung seinerAussagekraft für die großen Strukturen, die in diesen Arbeiten zumTragen kommt.Neben Konstantinopel galt Matschkes besondere Aufmerksamkeit stets der„zweiten Stadt“ des Reiches, Thessalonike, auch mit Bezug auf die Zelotenbe-wegung.¹⁰ Als Mediävist verstand er byzantinische Stadtgeschichte zudem nielosgelöst von ihren überregionalen, europäischen und mediterranen Kontexten,wie es bereits der programmatische Titel der Akten eines von ihm in Leipzig or-ganisierten Kolloquiums¹¹ zum Ausdruck bringt, aber auch eine spätere Synthesezu Charakteristika der byzantinischen Städte (nicht nur in der Spätzeit) erkennenlässt.¹² Eng verbunden mit dem stadtgeschichtlichen Blickwinkel war sein Inter-esse an der spätbyzantinischen Wirtschaftsgeschichte und ihren transregionalenVerflechtungen – einem international besonders dynamischen Forschungsfeldder vergangenen Jahrzehnte, zu dem Matschke wichtige Beiträge verfasst hat: sowidmete er sich etwa den Konjunkturen und Akteuren des Fernhandels im pon-tischen Raum, wiederholt der Geschichte des Bergbaus in Südosteuropa, derSalzgewinnung und dem Münzwesen der spätbyzantinischen Zeit.Seine beständige Offenheit für die Erschließung neuer Themenfelder zurspätbyzantinischen Geschichte zeigt sich darüber hinaus an vielen Beispielen, soin seiner souveränen Analyse der Träger und Rahmenbedingungen spätbyzanti-nischer Diplomatie,¹³ an Forschungen rund um den Malvasier Wein, seine Ver- K.-P. Matschke, Das spätbyzantinische Konstantinopel. Alte und neue Beiträge zur Stadtge-schichte zwischen  und . Byzanz, Islam und Christlicher Orient, . Hamburg . Vgl. dazu K.-P. Matschke, Thessalonike und die Zeloten. Bemerkungen zu einem Schlüssel-ereignis spätbyzantinischer Stadt- und Reichsgeschichte. Byzantinoslavica  () –; Art.Zeloten (). Lexikon des Mittelalters, . München , –. Zur Stadt Thessalonike sieheaber beispielsweise auch:Tuchproduktion und Tuchproduzenten in Thessalonike und in anderenStädten und Regionen des späten Byzanz. Byzantiaka  () –. K.-P. Matschke (Hrsg.), Die byzantinische Stadt im Rahmen der allgemeinen Stadtentwick-lung. Leipzig . K.-P. Matschke, Selbstverständnis, Außenansicht und Erscheinungsbilder mittelalterlicherStädte im Byzantinischen Reich, in K.-U. Jäschke / C. Schrenk (Hrsg.),Was machte im Mittelalterzur Stadt?Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn, . Heilbronn , –. K.-P. Matschke, Von der Diplomatie des Überflusses zur Diplomatie des Mangels. Byzanti-nische Diplomaten auf der Suche nach westlicher Hilfe gegen die Türken am Vorabend des Fallsvon Konstantinopel, in R. C. Schwinges / K.Wriedt (Hrsg.), Gesandtschafts- und Botenwesen imspätmittelalterlichen Europa. Vorträge und Forschungen, . Ostfildern , –.460 Byzantinische Zeitschrift Bd. 114/1, 2020: Nachrufmarktungund kulturelle Symbolkraft imwestlichen und nördlichen Europa¹⁴ oderan der Mitwirkung an den von Franz-Reiner Erkens initiierten fachübergreifendenLeipziger Forschungen zur Sakralität von Herrschaft.¹⁵ In den letzten Jahren galtMatschkes besonderes Interesse aber der Phänomenologie spätbyzantinischerÖffentlichkeit, deren vielfältige Ebenen er bereits 1993 in einem wegweisendenAufsatz aufgezeigt hatte¹⁶ und deren Dynamiken in der Zeit Manuels II. und Io-annes’ VIII. er nun vertieft untersuchte.¹⁷ Seine Forschungen zu diesem The-menfeld hat er nicht mehr zum Abschluss bringen können.Die Entwicklung einer neuen Sichtweise auf das späte Byzanz, welche nebenden vorherrschenden Niedergangsnarrativen¹⁸ auch nach den Spezifika undNeuansätzen dieser Epoche fragt, wird immer mit Klaus-Peter Matschkes Namenverbunden bleiben. Doch ebenso war es ihm stets ein besonderes Anliegen, dieErforschung von Byzanz räumlich und epochal in übergreifenden Zusammen-hängen zu verankern: So hat er die Frage nach Kontinuität und Wandel über dieZäsur von 1453 hinweg wiederholt sowohl in mikrogeschichtlichen Untersu-chungen¹⁹ wie auch in übergreifenden Essays²⁰ thematisiert und dabei nicht nur K.-P. Matschke, Der Malvasier. Byzanz und die lateinische Romania im spätmittelalterlichenund frühneuzeitlichen Westen. Hellenika. Jahrbuch für griechische Kultur und deutsch-griechischeBeziehungen NF  () –; Ein Weinname aus Byzanz in der deutschen Reformation: derMalvasier, in F. Kolovou (Hrsg.), Byzanzrezeption in Europa. Spurensuche über dasMittelalter unddie Renaissance bis in die Gegenwart. BA, . Berlin , –. K.-P. Matschke, Sakralität und Priestertum des byzantinischen Kaisers, in F.-R. Erkens(Hrsg.), Die Sakralität von Herrschaft – Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten undRäume. Berlin , –. K.-P. Matschke, Die spätbyzantinische Öffentlichkeit, in S. Tanz (Hrsg.), Mentalität und Ge-sellschaft im Mittelalter. Gedenkschrift für Ernst Werner. Frankfurt am Main , –. K.-P. Matschke, Kaisertum, Kirche und Volk. Formen und Besonderheiten byzantinischerÖffentlichkeit in der Endphase des Reiches, in Ch. Gastgeber / E. Mitsiou / J. Preiser-Kapeller(Hrsg.), The Patriarchate of Constantinople in Context and Comparison. Veröffentlichungen zurByzanzforschung, . Wien , –; Kaisertum, Kirche und Volk. Erscheinungsformenund Charakteristika byzantinischer Öffentlichkeit in der Endphase des Reiches (Fortsetzung).ADSV  () –. Die Relevanz der Niedergangsproblematik hat Matschke dabei nie bestritten, vgl. dazu seineAufsätze: K.-P. Matschke, Orthodoxie, Häresie und Fall von Byzanz. Bemerkungen zur Nieder-gangsgeschichte einer mittelalterlichen Großmacht, in Häresie und Gesellschaft im Mittelalter.Berlin , –; Der Untergang einer Großmacht. Thesen und Hypothesen zur Stellung vonByzanz in einer vergleichendenNiedergangsgeschichte von Staaten undGesellschaften. Zeitschriftfür Geschichtswissenschaft  () –. Beispielsweise: K.-P. Matschke, Some merchant families in Constantinople before, duringand after the fall of the City . Balkan Studies / () –. K.-P. Matschke, Der Übergang vom byzantinischen Jahrtausend zur Turkokratie und dieEntwicklung der südosteuropäischen Region. Jahrbücher für Geschichte und Kultur SüdosteuropasS. Kolditz: K.-P. Matschke 461byzantinisches Gebiet im engeren Sinn, sondern den gesamten südosteuropäi-schen Raum in den Blick genommen. Aus seiner langjährigen Vorlesungstätigkeitzur Geschichte der Kreuzzüge ist mit der „Geschichte der Türkenkriege“ ein Buchhervorgegangen,²¹ das die traditionelle Grenze zwischen Mittelalter und FrüherNeuzeit bewusst überschritt und die weniger im allgemeinen Geschichtsbe-wusstsein verankerten spätmittelalterlichen Kreuzzüge einer breiteren Leserschafterschließen sollte.Byzanz als bis in seine letzten Jahrzehnte hinein dynamische, adaptionsfähigeGesellschaft; Byzanz als facettenreiche Lebenswelt von Angehörigen unter-schiedlicher sozialer Gruppen, die mehr oder weniger zufällig ihre Spuren imQuellenmaterial hinterlassen haben; Byzanz und sein Erbe als Gegenstand einerEpochen- und Fächergrenzen überschreitenden historischen Erforschung – sooder so ähnlich ließen sich vielleicht einige Grundzüge im wissenschaftlichenŒuvre Klaus-Peter Matschkes auf den Punkt bringen: seine vielseitigen Anre-gungen werden mit Sicherheit weitere Früchte tragen.Dr. Sebastian Kolditz: Universität Heidelberg, Historisches Seminar, Grabengasse 3–5, 69117Heidelberg; sebastian.kolditz@zegk.uni-heidelberg.de () –; Research Problems concerning the transition to Tourkokratia: the Byzantiniststandpoint, in F. Adanir / S. Faroqhi (eds.), The Ottomans and the Balkans. A discussion of his-toriography. Leiden , –. K.-P. Matschke, Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Düsseldorf.462 Byzantinische Zeitschrift Bd. 114/1, 2020: Nachruf

Nachruf - Klaus-Peter Matschke (14. 5. 1938 – 5. 9. 2020)

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