Bereits ab dem 30. Lebensjahr reduziert sich die motorische Leistungsfähigkeit, wobei
vor allem die Gleichgewichtsfähigkeit und Kraft betroffen sind. Dieser Abbau beschleunigt
sich nochmals rapide ab der siebten Lebensdekade, was in reduzierter
Mobilität, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und letztlich auch frühzeitigem Tod münden
kann. Um dies zu vermeiden, besteht zunehmender Bedarf an präventiven Maßnahmen,
vor allem vor dem Hintergrund des Bedeutungszuwachses der alternden Gesellschaft.
Diese Maßnahmen sollen ein möglichst langes, selbstständiges Leben und
gesundes Alter(n) ermöglichen. Bisher existieren keine Trainingskonzepte, welche
spezifisch für die Prävention funktioneller Einschränkungen entwickelt wurden.
Darüber hinaus mangelt es vorhandenen Trainingsprogrammen an Nachhaltigkeit.
Gerade strukturierte Formate, gekennzeichnet durch standardisierte Übungen mit
vorgegebener Wiederholungszahl und Intensität (beispielsweise 4 Übungen mit 12
Wiederholungen an 3 Tagen/Woche). Ältere Menschen ziehen es vielmehr vor, Übungen
in ihren Alltag integrieren zu können, was einerseits die Motivation steigert und
dadurch gleichzeitig die Nachhaltigkeit verbessert, andererseits eine kostengünstige,
zeitsparende und flexible Möglichkeit ist, zu jeder Zeit und an jedem Ort aktiv zu sein
(beispielsweise Einbeinstand beim Zähneputzen oder auf den Zehenspitzen den Flur
entlang zu gehen). Entsprechend ist die Entwicklung eines alltagsintegrierten Trainingsprogramms
eine Alternative, welche spezifisch in einer jüngeren Zielgruppe (60-
70 Jahre) eingesetzt werden könnte, um sowohl präventiv funktionellen Einschränkungen
vorzubeugen als auch die Nachhaltigkeit und Effektivität zu erhöhen.
Um dies zu realisieren, bedarf es jedoch vorab der Entwicklung geeigneter Messinstrumente,
welche spezifisch für die Erfassung der individuellen funktionellen Leistungsfähigkeit
einer jüngeren, fitteren Zielgruppe geeignet sind. Einerseits können
dadurch gezielt Personen mit einem erhöhten Risiko für funktionelle Einschränkungen
identifiziert werden, andererseits sind solche Tests auch Voraussetzung für eine korrekte
Evaluation des Trainingskonzepts, insbesondere mit Blick auf dessen Effektivität.
Basierend auf diesen Überlegungen befasst sich die vorliegenden Arbeit mit der
Entwicklung und Evaluation eines neuen alltagsintegrierten Trainingskonzepts für
junge ältere Menschen (60-70 Jahre) sowie der Identifikation und Evaluation geeigneter
Messinstrumente für diese Zielgruppe.
Manuskript 1 ist eine systematische Übersichtsarbeit der vorhandenen Tests zur Erfassung
der Kraft und/oder Gleichgewichtsfähigkeit in der Zielgruppe gesunder, junger
älterer Menschen (60-70 Jahre). Dabei zeigt sich, dass zahlreiche klinische Tests,
welche ohne aufwendiges Laborequipment durchgeführt werden können, existieren.
Jedoch fehlt es insbesondere an geeigneten Gleichgewichtstests, welche die Gleichgewichtsfähigkeit
gesunder, junger älterer Menschen adäquat abbilden.
Aufbauend auf dem ersten Manuskript wird in Manuskript 2 die Eignung einer anspruchsvollen
Skala zur Erfassung der Gleichgewichtsfähigkeit und Mobilität, die
Community Balance & Mobility (CBM)-Skala, bei jungen älteren Menschen analysiert.
Die CBM erweist sich dabei als valides Messinstrument mit exzellenter Test-Retest-
Reliabilität und zeigt, im Gegensatz zu anderen Tests, keine Deckeneffekte (das heißt
die maximal mögliche Punktzahl wurde nicht erreicht). Entsprechend empfiehlt sich
die CBM-Skala zur Ermittlung von Gleichgewichts- und Mobilitätsdefiziten in dieser
Zielgruppe, insbesondere vor dem Hintergrund der frühzeitigen Aufdeckung von funktionellen
Einschränkungen.
Manuskript 3 ist eine systematische Übersichtsarbeit vorhandener Studien mit Fokus
auf alltagsintegrierte Trainingsprogramme. Im Ergebnis zeigt sich, dass das „Lifestyle-
integrated Functional Exercise“ (LiFE) Programm bislang das am besten evaluierte
Trainingsprogramm ist. Andere Studien kombinieren alltagsintegriertes und
strukturiertes Training, vorwiegend im institutionellen Bereich (beispielsweise Pflegeheime).
In Bezug auf die Nachhaltigkeit des Trainings erweisen sich beide Ansätze
als effektiver verglichen mit einem strukturierten Training. Trotz dieser vielversprechenden
Befunde fehlt es an umfassend angelegten Studien zur Durchführbarkeit als
auch Effektivität des alltagsintegrierten Trainings in verschiedenen Zielgruppen.
Basierend auf den Befunden aus Manuskript 3 wird in Manuskript 4 die Durchführbarkeit
eines an junge ältere Menschen angepassten LiFE (aLiFE)-Programms überprüft.
Dabei zeigt sich, dass sowohl die Teilnehmenden als auch Trainer/innen aLiFE
positiv beurteilten. Die Teilnehmenden schätzten insbesondere den individuellen Ansatz,
den präventiven Fokus und die Unterstützung seitens der Trainer/innen. Die
Trainer/innen betonten ebenfalls die Flexibilität des Programms. Dennoch bemängelten
sowohl Teilnehmende als auch Trainer/innen die umfangreiche Papierarbeit.
Nichtsdestotrotz berichteten die Teilnehmenden von einer Verinnerlichung einzelner
Übungen innerhalb des kurzen 4-wöchigen Zeitraums, auch ohne kontinuierliche
Selbstkontrolle. Aufgrund dieser Befunde empfiehlt sich die Testung der Durchführbarkeit
und Effektivität von aLiFE im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie.
Insgesamt belegen die Studienergebnisse die Durchführbarkeit und hohe Akzeptanz
des neu entwickelten aLiFE-Programms. Zudem erweist sich die CBM als geeignetes
Messinstrument zur Erfassung der Gleichgewichtsfähigkeit und Mobilität bei jungen
Älteren. Weitere Forschung ist notwendig, um die Ergebnisse in größeren randomisiert-
kontrollierten Studien zu evaluieren sowie alternative Vermittlungsformen des
Programms zu testen