Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereiches - auch HNSCC genannt (engl. head and neck squamous cell carcinoma) - stellen eine schwerwiegende neoplastische Erkrankung mit globaler Prävalenz dar und gehören zu den sechsthäufigsten Krebserkrankungen in der männlichen Population weltweit. Trotz etablierter Therapieregime bestehend aus Chirurgie, Radiatio und Chemotherapie beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur ca. 50%, welche häufig auf lokoregionäre Rezidive oder Fernmetastasierungen auf Grund einer späten Diagnosestellung in fortgeschrittenen Stadien zurückzuführen ist. Gerade für diese fortgeschrittenen Stadien werden daher dringend neue Therapieansätze benötigt. Im aktuellen Forschungsinteresse steht dabei die Immuntherapie, welche die durch den Tumor unterhaltende Evasion des Tumors vor dem wirtseigenen Immunsystem zu inhibieren versucht, um dadurch die Tumorprogression zu verhindern. Als ein Mechanismus bei der Tumorevasion wurde dabei die Ausschüttung des immunsupprimierenden Faktors Adenosin identifiziert. Es wurden jedoch auch direkte protumerogene Effekte von Adenosin auf Tumorzellen bestimmter Entitäten beobachtet. Welche Rolle Adenosin bei HNSCC-Zellen spielt, ist jedoch noch ungeklärt. Daher befasste sich die vorliegende Arbeit mit der Charakterisierung des adenosinergen Systems in zwölf Zelllinien, die sich von HNSCCs ableiten.
Bei den laborexperimentellen Arbeiten kamen Expressionsanalysen mit Hilfe von Polymerasekettenreaktionen, Durchflusszytometrie und Western Blots sowie funktionelle Zellassays zur Untersuchung von Proliferation, Migration und spontaner VEGF-Sekretion (engl. vascular endothelial growth factor) zur Anwendung.
Das adenosinerge System besteht u.a. aus den Ektonukleotidasen CD39 und CD73 (engl. cluster of differentiation), welche im extrazellulären Raum ATP (Adenosintriphosphat) zu AMP (Adenosinmonophosphat) und schlussendlich zu Adenosin degradieren. Weiterhin spielen die vier Adenosinrezeptoren ADORA1, ADORA2A, ADORA2B und ADORA3 eine Rolle.
In den untersuchten zwölf HNSCC-Zelllinien zeigte sich, dass alle CD73 auf ihrer Zelloberfläche überexprimierten, während eine Expression von CD39 nicht nachzuweisen war. Es wurde diskutiert, dass dadurch die klassische Achse der Adenosingenerierung durch die Tumorzellen alleine nicht bedient werden kann, allerdings gibt es Möglichkeiten über andere enzymatische Pfade oder diskontinuierliche Pfade unter Zuhilfenahme anderer Zellen innerhalb des Tumormikromilieus signifikante extrazelluläre Adenosinkonzentrationen trotz CD39-Defizienz zu erreichen. Weiterhin wurde ein tumorfördernder Effekt von CD73 unabhängig von seiner enzymatischen Aktivität für andere Tumorentitäten beschrieben, was prinzipiell auch bei HNSCCs der Fall sein könnte.
Im Weiteren wurde gezeigt, dass von allen Adenosinrezeptor-Subtypen ausschließlich ADORA2B exprimiert wird. Dabei zeigte sich auf RNA- (engl. ribonucleic acid) als auch auf Proteinebene eine Überexpression für alle zwölf untersuchten Zelllinien, wobei die Transkriptions- und die Translationsraten miteinander korrelierten. In den folgenden Experimenten wurden die Proliferation, Migration und spontane VEGF-Sekretion unter ADORA2B-Modulation analysiert. Dabei kamen der endogene Agonist Adenosin, der im Vergleich chemisch stabilere Agonist NECA sowie der inverse Agonist PSB603 zum Einsatz. Hierbei zeigte sich, dass die Agonisten nur einen geringen positiven bis keinen Effekt auf die oben genannten untersuchten Eigenschaften hatten, während der inverse Agonist PSB603 eine signifikante Inhibition dieser Prozesse nach sich zog. Es wurde diskutiert, dass ein solcher Effekt durch eine möglicherweise vorliegende konstitutive Aktivität von ADORA2B zu erklären sei, welche bereits bei Karzinomen der Mundhöhle beschrieben wurde. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass die hier dargestellten Ergebnisse in Folgestudien bereits weiter charakterisiert wurden und sich unter anderem in in vivo-Untersuchungen in Tumor-Xenograft-Modellen in Hühnereiern bestätigten.
Zusammenfassend konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass HNSCC-Zelllinien bestimmte ‚key players‘ des adenosinergen Systems exprimieren und diese Einfluss auf die Tumorprogression haben. Insbesondere die Inhibition von ADORA2B konnte als ein potentielles vielversprechendes strategisches Angriffsziel zur Tumorsuppression herausgearbeitet werden. Daher scheint ein weiteres Forschungsbemühen zu dem adenosinergen System bei HNSCCs lohnenswert, da sich hieraus innovative Impulse zur Entwicklung spezifischer Therapien für Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereiches zukünftig ergeben könnten