Jablonski, Simone

Ludwig, Matthias

Eldorado - Ressourcen aus und für Lehre, Studium und Forschung

Simone JABLONSKI, Frankfurt a. M. & Matthias LUDWIG, Frankfurt a. M. Mathematik draußen entdecken – Förderung potentiell begabter Kinder mit MathCityMap Einleitung Bei der Förderung von mathematischer Begabung im Regelunterricht stehen Lehrkräfte vor der Herausforderung, geeignete Konzepte auszuwählen und situationsgerecht einzusetzen. Methodische Anforderungen an Konzepte zur Förderung von Begabung sind beispielsweise Aufgaben mit tiefgehender mathematischer Substanz, ebenso wie Offenheit und Differenzierung in Be-zug auf Lösungswege und Hilfsmittel. Weiterhin sollten verschiedene ma-thematikspezifische Begabungsmerkmale und Interessensausprägungen an-gesprochen werden (Fuchs & Käpnick, 2009). Im Beitrag wird das System MathCityMap unter dem Gesichtspunkt der Förderung mathematischer Be-gabung durch Einsatz einer adaptiven Unterrichtsform vorgestellt. Mathematische Wanderpfade mit MathCityMap  Grundlegend für das Konzept ist die Idee der mathematischen Wanderpfade. Ein mathematischer Wanderpfad führt entlang einer festgelegten Route zu mathematischen Problemen und Fragestellungen in der Umwelt. Die Lösung dieser Aufgaben erfordert mathematische Aktivitäten, wie Modellieren, Zäh-len und Messen und kann nur vor Ort, d.h. außerhalb des Klassenzimmers, erfolgen (Ludwig, Jesberg & Weiß, 2013). Im MathCityMap-System werden die Erstellung, das Ablaufen und die Nachbesprechung dieser mathemati-schen Wanderpfade durch den Einsatz von mobilen Technologien organi-siert. Vorbereitung: Lehrkräfte können im MathCityMap-Webportal auf öffentli-che Aufgaben zugreifen und – im Sinne eines adaptiven Systems – eigene Aufgaben an beliebigen Orten mit individuellen Problemstellungen anlegen. Zu einer Aufgabe gehören ein festgelegter Ort und ein Foto des zu untersu-chenden Objekts. Für jede Aufgabe werden die Aufgabenstellung, Muster-lösung und bis zu drei gestufte Hilfestellungen durch die Lehrkraft formu-liert. Durch Kombination mehrerer Aufgaben entsteht ein Wanderpfad.  Durchführung: Das eigentliche Ablaufen der Route erfolgt mithilfe der MathCityMap-Smartphone-App. Die SchülerInnen laufen den Wanderpfad in Kleingruppen ab und sind dabei mit Smartphone, Messwerkzeug und Schreibutensilien ausgerüstet. Die App unterstützt durch eine Karte und den darauf dargestellten eigenen Standort die Navigation zu den einzelnen Auf-Siller, H.-S., Weigel, W. & Wörler, J. F. (Hrsg.). Beiträgezum Mathematikunterricht 2020. Münster: WTM-Verlag, 2020.doi: 10.37626/GA9783959871402.0 1121gaben und gibt Hinweise und direktes Feedback zu den eingegebenen Lö-sungen. Zusätzliche Möglichkeiten sind Punkte und ein Chat mit der Lehr-kraft. Nachbereitung: Durch händische Notizen können die Lösungswege der SchülerInnen in der folgenden Unterrichtstunde aufgegriffen und diskutiert werden. Auch das E-Portfolio im sogenannten Digitalen Klassenzimmer übermittelt Informationen der app-basierten Lösungsprozesse und ermög-licht diagnostische Überlegungen. Mathematische Wanderpfade im Kontext mathematischer Begabung Durch ihren offenen – an das Stationenlernen erinnernden – Charakter schei-nen mathematische Wanderpfade im Allgemeinen für die individuelle För-derung von Stärken und Schwächen geeignet (Buchholtz & Armbrust, 2018). Im Folgenden werden diese Möglichkeiten für die eingangs beschriebenen konzeptionellen Ansprüche an die Förderung mathematischer Begabung mit MathCityMap betrachtet. An geeigneten Stellen geschieht dies mithilfe von Beispielaufgaben, die im Rahmen des Enrichmentprogramms „Junge Mathe-Adler Frankfurt“ mit potentiell begabten Kindern der dritten bis sechsten Klassenstufen eingesetzt wurden.  Mathematische Substanz und Anschlussfähigkeit: MathCityMap ermöglicht die Umsetzung verschiedener Themen und Inhalte, die weiterführende Fra-gestellungen thematisieren, wie die Aufgabe „Treppenstufen“ verdeutlicht:   Abb. 1: Aufgabe „Treppenstufen“ Der Treppenabsatz in Abb. 1 besteht aus sechs Stufen. Das Foto bildet ab-sichtlich nicht den gesamten Absatz ab, damit die Aufgabe nur vor Ort gelöst werden kann. Insgesamt gibt es 13 mögliche Kombinationen aus Einer- und Zweierschritten. Neben dem systematischen Probieren und Notieren aller Lösungen hilft die Überlegung, dass der letzte Schritt entweder eine Stufe oder zwei Stufen umfasst. Lässt man diesen letzten Schritt weg, so ergibt 1122sich für eine Treppe mit n Stufen die Anzahl der Möglichkeiten mithilfe der Möglichkeiten n-1 und n-2 Stufen hochzulaufen. Dies führt zu den Fibo-nacci-Zahlen, einer rekursiven Folge, bei der sich eine Zahl durch Addition ihrer beiden Vorgänger ergibt. Offenheit in Bezug auf Lösungsweg und Hilfsmittel: Viele Objekte in der Umwelt eignen sich für geometrische Fragestellungen, die je nach Objekt mathematisches Modellieren notwendig machen. Gerade das Vereinfachen und Mathematisieren realer Objekte steht bei Mathematik außer Haus im Fo-kus (Gurjanow, Jablonski, Ludwig & Zender, 2019). Es handelt sich um of-fene Probleme, die multiple Lösungswege und Vorgehensweisen zulassen. Bei solcher Modellierung, wie in Abb. 2 zur Größe der „Body of Know-ledge“-Statue, unterstützt die App durch bis zu drei Hinweise den offenen Problemlöseprozess und validiert individuelle Antworten mithilfe eines Lö-sungsintervalls unmittelbar nach der Eingabe. Verschiedene Lösungswege über einfaches Schätzen, Nutzung eines Referenzobjektes oder Berechnung mithilfe von Proportionalität können genutzt und kombiniert werden.    Abb. 2: Aufgabe „Body of Knowledge“ (links) und Hinweis zur Aufgabe (rechts) Berücksichtigung verschiedener mathematikspezifischer Merkmale und In-teressensausprägungen: Die Ausprägungen von mathematikspezifischen Merkmalen des individuellen Begabungsprofils (siehe hierzu u.a. Fuchs & Käpnick, 2009) können auch bei MathCityMap-Aufgaben berücksichtigt werden. Bei der Aufgabe „Bäume verbinden“ sind 15 Bäume kreisförmig angeordnet und es wird die Frage gestellt, wie viele Seile man spannen müsste, um jeden Baum mit jedem weiteren Baum zu verbinden. Bei der Lösung der Aufgaben konnten verschiedene mathematikspezifische Bega-bungsmerkmale angesprochen werden: 1123• Strukturieren mathematischer Sachverhalte: Die Kinder beginnen mit den ersten Bäumen und erkennen, dass die Anzahl der Seile bei jedem Baum um eins abnimmt.  • Selbstständiger Transfer erkannter Strukturen: Die Kinder erkennen, dass die Anzahl der Seile in dieser Situation hoch ist. Sie überlegen zunächst für eine kleinere Anzahl Bäume und übertragen ihre Überlegungen auf die Situation vor Ort. Insbesondere ein Verweis zum Händeschütteln kann durch Hinweise zur Analogienbildung beitragen. • Selbstständiges Wechseln der Repräsentationsebenen: Die Kinder arbei-ten auf verschiedenen Repräsentationsebenen – enaktiv mit dem Objekt vor Ort, ikonisch durch Anfertigung geeigneter Skizzen, symbolisch beim Notieren ihrer Rechnungen.  Durch die Anwendung von Mathematik außer Haus kann das individuelle Interesse von potentiell mathematisch begabten SchülerInnen am Fach auf-recht erhalten werden. Dies geschieht hier durch Objekte aus der Realität, die unter Umständen auch eine persönliche Bedeutung für die Kinder haben (Wie hoch ist unsere Schule?). Die Relevanz des Faches wird dabei durch ihre Anwendung zur Lösung realer Fragestellungen besonders betont.  Fazit Unter Berücksichtigung verschiedener Ansprüche an die Förderung mathe-matischer Begabung wurde das MathCityMap-System als adaptives Konzept vorgestellt. Insbesondere die thematische Offenheit, aber auch Offenheit in Bezug auf Lösungswege, Hilfestellungen und begabungsspezifische Merk-male lassen sich dabei als geeignete Faktoren für mathematische Begabung und mathematisches Interesse im Förderkontext hervorheben.  Literatur Buchholtz, N. & Armbrust, A. (2018). Ein mathematischer Stadtspaziergang zum Satz des Pythagoras als außerschulische Lernumgebung im Mathematikunterricht. In S. Schukajlow & W. Blum (Hrsg.), Evaluierte Lernumgebungen zum Modellieren, Rea-litätsbezüge im Mathematikunterricht (S. 143–163). Wiesbaden: Springer. Fuchs, M. & Käpnick, F. (2009). Mathe für kleine Asse – Empfehlungen zur Förderung mathematisch interessierter und begabter Kinder im 3./4. Schuljahr.Berlin: Cornelsen. Götz, T. (2004). Emotionales Erleben und selbstreguliertes Lernen bei Schülern im Fach Mathematik. München: Utz. Gurjanow, I., Jablonski, S., Ludwig, M. & Zender, J. (2019). Modellieren mit MathCi-tyMap. In J. Maaß & I. Grafenhoefer (Hrsg.), Neue Materialien für einen realitätsbe-zogenen Mathematikunterricht 6 (S. 95–105). Wiesbaden: Springer. Ludwig, M., Jesberg, J. & Weiß, D. (2013). MathCityMap – eine faszinierende Belebung der Idee mathematischer Wanderpfade. Praxis der Mathematik, 53, 14–19.  1124

Mathematik draußen entdecken – Förderung potentiell begabter Kinder mit MathCityMap

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