Bednorz, David

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David BEDNORZ, Bielefeld Die Beziehung zwischen Variationen von Aufgabentext und Aufgabenkontext Für den Erfolg im Mathematikunterricht sind die sprachlichen Kompetenzen ein bedeutender Faktor. Unter dem Aspekt der Sprache als Lernvorausset-zung und -hindernis wird die Bedeutung für die Leistung im Mathematikun-terricht deutlich (Meyer & Tiedemann, 2017). Sind bei Lernenden die sprachlichen Kompetenzen gering ausgeprägt, zeigen sich Hürden u.a. bei Textaufgaben. Didaktische Potentiale zum Umgang mit sprachlichen Hür-den, sind unter anderem Variationen der sprachlichen Komplexität von Text-aufgaben. In diesem Beitrag sollen einzelne Aspekte eines sprachlichen Va-riationsmodell dargestellt werden, welches die sprachliche Veränderung mit der fachlichen Kontextveränderung einer Textaufgabe in Beziehung zuei-nander untersucht. 1. Hintergrund Es existieren unterschiedliche psychologische und didaktische Ansätze zur Variation der Sprache bei mathematischen Textaufgaben. Ein für die Fach-didaktik adaptiertes heuristisches Variationsmodell zur Veränderung der sprachlichen Komplexität betrachtet nicht nur einzelne sprachliche Merk-male, sondern verknüpft sprachliche Variation auf drei Dimensionen: Struk-turelle Komplexität, Eindeutigkeit von Form-Bedeutung-Beziehungen und Frequenz (Heine et al., 2018; Leiss, Domenech, Ehmke, & Schwippert, 2017). Daneben konzipieren Bednorz & Kleine (2019) einen quantitativen Ansatz zur Bestimmung der Dimensionen der sprachlichen Variation (Vari-ationsdimensionen). Grundlage für die Analyse sind 17 sprachliche Variab-len, die quantitativ bestimmt wurden. Durch eine explorative Faktorenana-lyse wurden die sprachlichen Merkmale auf fünf Faktoren abgebildet, mit den in diesem Beitrag betrachteten zwei Variationsdimensionen: narrativ-diskutierend und verdichtend-verallgemeinernd. Die Faktoren werden, ange-lehnt an die Literatur, als sprachliche Variationsdimensionen gedeutet (Bi-ber, 2006). Offen bleiben Fragen nach der Effektivität der Veränderungen (besonders in Bezug auf Vereinfachungen) und inwieweit sich fachlich-kontextuelle Merkmale als sensitiv bezüglich sprachlicher Veränderungen zeigen. So stel-len Heine et al. (2018, S. 86) fest, dass sich auch andere Bedeutungsdimen-sionen, die Kontextmerkmale betreffen können, in ihrem Variationsmodell verändern können. Diese offene Fragestellung wird theoretisch gerahmt, als Zusammenhang zwischen sprachlicher Variation in Wechselbeziehung mit Siller, H.-S., Weigel, W. & Wörler, J. F. (Hrsg.). Beiträgezum Mathematikunterricht 2020. Münster: WTM-Verlag, 2020.doi: 10.37626/GA9783959871402.0 113kontextueller Variation, welche begrifflich als Register definiert werden (Halliday, 2014). 2. Fragestellungen und Ziele Um die bisherigen Ansätze der sprachlichen Variationen von Aufgaben zu ergänzen und zusätzliche Perspektiven auf die Verwendung von sprachli-chen Variationen auf der Ebene des Text-Kontext-Gefüges zu schaffen, ver-folgt die Teilstudie des Forschungsprojekts folgende Fragestellung: Welche fachliche Kontextbeziehungen können in Aufgabentexten mit bestimmten sprachlichen Variationsdimensionen (exemplarisch in diesem Beitrag für die narrativ-diskutierende und verdichtend-verallgemeinernde Variationsdi-mension) unterschieden werden? 3. Methoden Als Basis zur Beantwortung der Forschungsfrage dienen die oben genannten ermittelten fünf sprachlichen Variationsdimensionen. Aus den fünf Variati-onsdimensionen werden für die Fragestellungen zwei Variationsdimensio-nen, in denen narrativ-diskutierende und verdichtend-verallgemeinernde sprachliche Mittel dominieren, für die exemplarische Darstellung des Zu-sammenhangs ausgewählt. Die Variationsdimension, die besonders stark durch verdichtend-verallgemeinernde Sprachmittel geprägt ist, hat eine hohe durchschnittliche Silbenanzahl, viele Passivkonstruktionen, eine hohe lexi-kalische Vielfalt und ist oft ein diskontinuierlicher Text. Die Variationsdi-mension mit narrativ-diskutierenden Sprachmitteln zeichnet sich durch eine hohe Verwendung von Synonymen, Modalverben, Perfekt-Formen und (ne-gativ korreliert) mathematischen Begriffen aus. Für die qualitative Vertiefungsanalyse wurden für die Variationsdimensio-nen N =20 (Gesamt-N =49) charakteristische Aufgaben aus dem Datenkor-pus ausgewählt. Die Auswahl erfolgt durch den Faktorenwert aus der explo-rativen Faktorenanalyse für jede Aufgabe. Wenn eine Aufgabe einen Fakto-renwert größer (kleiner) als ±1 hat, dann repräsentiert diese Aufgabe den je-weiligen Faktor besonders hoch (gering). Ziel ist es, Aufgabentypen zu bil-den, die durch ihren fachlichen Kontext charakteristisch für die jeweiligen Variationsdimensionen sind. Zur Kategorienbildung wurde ein deduktiv-in-duktives Vorgehen gewählt. Basis für die deduktive Kategorienzuweisung sind inhaltliche Differenzierungen der Aufgabenmerkmale durch bereits vor-handene Klassifikationsmöglichkeiten von Mathematikaufgaben. Durch das deduktiv-induktive Vorgehen wurde ein Kategoriensystem entwickelt, mit folgenden Hauptkategorien: Argumentation, Gebrauch von mathematischen Darstellungen, mathematische Tätigkeit, Daten und Informationen, Trans-ferbezug, kommunikative Funktion, Gestalt. Mittels des Kategoriensystems 114werden die ausgewählten Aufgaben kodiert (Kodierung: 1 – max. 4), um Aufgabentypen auf fachlich-kontextueller Ebene festzustellen. Um die zent-rale Tendenz der Kodierung zum Ausdruck zu bringen, wurde die häufigste Kodierung pro Hauptkategorie je Variationsdimension ermittelt (vgl. Abb.1). 4. Ergebnisse Die Ergebnisse der qualitativen Vertiefungsanalyse sind in Abb. 1 darge-stellt. Keine fachlichen Kontextunterschiede sind bei den Hauptkategorien Daten und Informationen und Gestalt zu erkennen.  Abb.1: Ausprägung der Kodierung für die fachlichen Kontextmerkale Interessante Unterschiede sind bei den Hauptkategorien Darstellung und Transferbezug zu erkennen. Dabei zeigen sich für Aufgaben, die insbeson-dere durch die verdichtend-verallgemeinernde Variationsdimension geprägt sind, dass diese für die Kategorie Darstellungen am häufigsten mit vier ko-diert wurden, der Transferbezug wurde am häufigsten mit eins kodiert. Mit-hin stellt sich damit dar, dass die verdichtend-verallgemeinernde Variations-dimension tendenziell sowohl mit den Unterkategorien Darstellungen als Lerngegenstand als auch keinen Transferbezug, einhergeht. Für die narrativ-diskutierende Variationsdimension zeigen sich die gegenteiligen Ausprä-gungen im Bereich der Darstellung und dem Transferbezug. Für diese Vari-ationsdimension sind zum einen in der Tendenz keine Darstellungen, zum anderen realitätsnahe oder authentische Transferbezüge als Unterkategorien typisch. 1155. Diskussion Die Ergebnisse der qualitativen Analyse liefern auf zwei Ebenen weitere Er-kenntnisse. Zum einen lassen sich die sprachlichen Variationsdimensionen mit den fachlichen Kontextmerkmalen der Textaufgaben assoziieren. Damit können die aus der Theorie abgeleiteten Verbindungen zwischen Text und Kontext für Textaufgaben in der Mathematik empirisch nachgewiesen wer-den. Daraus lassen sich für das quantitative sprachliche Variationsmodell Aufgabentypen feststellen, die charakteristisch für die sprachlichen Variati-onsdimensionen sind. Diese bieten einen Ansatzpunkt für weitere Möglich-keiten für die Anwendung, sei es auf methodischer oder praktischer Seite.  Zum anderen leiten sich neue Perspektiven auf die Nutzung und Untersu-chung von Registern ab. In Anlehnung an Biber (2006) kann die Register-analyse in einem Kontinuum zwischen Mikro- und Makroebene stattfinden. Die bisherige Forschungspraxis basiert eher auf der Makrounterscheidung von Registern der Alltags-, Bildungs- und Fachsprache, die sich zur Analyse von Textaufgaben nicht hinreichend eignen. Die Ergebnisse bestätigen auf einer Mikroebene den Variationszusammenhang von Sprache und Kontext zur Bildung von Registern auf der Ebene von Textaufgaben. Die Ergebnisse implizieren damit die Analyse von sprachlichen Registern und demzufolge der paarweisen Variation von sprachlichen und fachlich-kontextuellen Merkmalen für fallspezifische Sprachanalysen im Mathematikunterricht. Literatur Bednorz, D. & Kleine, M. (2019). Konfiguration von Textmerkmalen als Ansatz zur Be-stimmung der textuellen Schwierigkeit von Mathematikaufgaben. In Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag. Biber, D. (2006). Dimensions of register variation. A cross-linguistic comparison. Cam-bridge: Cambridge University Press. Halliday, M. A. K. (2014). Halliday’s introduction to functional grammar (fourth ed.). London: Routledge. Heine, L., Domenech, M., Otto, L., Neumann, A., Krelle, M., Leiss, D., Höttecke, D., Ehmke, T. & Schwippert, K. (2018). Modellierung sprachlicher Anforderungen in Testaufgaben verschiedener Unterrichtsfächer: Theoretische und empirische Grundla-gen. Zeitschrift für angewandte Linguistik, 69, 69-96. Leiss, D., Domenech, M., Ehmke, T. & Schwippert, K. (2017). Schwer – schwierig – diffizil: Zum Einfluss sprachlicher Komplexität von Aufgaben auf fachliche Leistungen in der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann. Meyer, M. & Tiedemann, K. (2017). Sprache im Fach Mathematik. Berlin: Springer Spektrum. 116

Die Beziehung zwischen Variationen von Aufgabentext und Aufgabenkontext

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