Summer, Anita

Süss-Stepancik, Evelyn

Varelija-Gerber, Andrea

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Anita SUMMER, Krems, Evelyn SÜSS-STEPANCIK, Wien &  Andrea VARELIJA-GERBER, Wien „Weil die beiden Zahlen gleich stark zunehmen...“ 1. Fachsprache als integraler Bestandteil professioneller Kompetenz  Die Diskussion über professionelle Handlungskompetenz von Lehrpersonen wird vielerorts schon seit Jahren geführt. In Österreich wurde die Pädago-ginnen- und Pädagogenbildung NEU im Jahre 2013 eingeführt, mit dem Ziel eine kompetenzbasierte und wissenschaftlich professionalisierte Ausbildung zu etablieren. Baumert und Kunter (2006) gehen davon aus, dass die zentra-len Bausteine der professionellen Handlungskompetenz von Lehrerinnen und Lehrern das Wissen und Können – also deklaratives, prozedurales und strategisches Wissen – umfassen. Nach König und Blömeke (2009, S. 502) gliedert sich Lehrerwissen in drei Bereiche: fachliches Wissen (content knowledge), fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) und fachübergreifendes, pädagogisches Wissen (general pedagogical know-ledge). Das Wissen über Fachsprache ist zweifelsohne immanenter Bestand-teil fachlichen und fachdidaktischen Wissens. Im Bewusstsein der ausdifferenzierten Modelle zur Beschreibung fach-sprachlicher Kompetenz betrachten wir hier Fachsprache als die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, „die in einem fachlich begrenzbaren Kommunika-tionsbereich verwendet wird, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“ (Roelcke, 2010, S. 15) Für die mathematische (Fach-)Sprache bedeutet das also, dass sowohl eine sozial-kommunikative als auch eine kognitiv-linguistische Komponente zu berücksichtigen ist (Linneweber-Lammerskitten, 2013). (Fach-)Sprache im Lernfeld Mathematik muss demnach Verständigung und Erkenntnisgewinn im Sinne einer inhaltlich determinierten „Denksprache“ gleichermaßen er-möglichen. Sprache, als ein entscheidender Prädiktor für den schulischen Er-folg und das Erreichen von Bildungszielen, hat demnach auch im Fokus der Ausbildung angehender Lehrpersonen zu stehen.  Da die Ausbildung (fach-)sprachlicher Kompetenzen nicht von selbst (Rau-tenstrauch, 2017, S. 274) erfolgt, müssen Lehramtsstudierende für dieses Handlungsfeld bereits im Bachelorstudium sensibilisiert werden. Die Curri-cula der Pädagoginnen- und Pädagogenbildung NEU realisieren diesen An-spruch und zielen mit konkret formulierten Kompetenzbeschreibungen (z. B.: Entdecken, Verstehen und Reflektieren von Besonderheiten mathemati-Siller, H.-S., Weigel, W. & Wörler, J. F. (Hrsg.). Beiträgezum Mathematikunterricht 2020. Münster: WTM-Verlag, 2020.doi: 10.37626/GA9783959871402.0 913scher Fachsprache; PH NÖ 2018, S. 250) auf die Entwicklung der sprachli-chen und fachsprachlichen Fähigkeiten zukünftiger Lehrpersonen im Be-reich der Mathematik ab. Derzeit liegen aber kaum Studien zu fachsprachlichen Fähigkeiten und nur wenige Studien zum allgemeinen Sprachstand von Primarstufenstudierenden vor. Es besteht also Handlungsbedarf. Diesem haben sich die Arbeitseinheit Mathematik im Verbund Nord-Ost (M. Fast, B. Riehs, A. Summer – Kirch-liche Pädagogische Hochschule Wien/Krems; M. Musilek-Hofer, E. Süss-Stepancik, A. Varelija-Gerber – Pädagogische Hochschule Wien) gewidmet und gehen in einem hochschulübergreifenden Forschungsprojekt folgender Forschungsfrage nach: Wie verändern sich die (fach-)sprachlichen Kompe-tenzen von Primarstufenstudierenden aufgrund von fachmathematischen bzw. fachdidaktischen Lehrveranstaltungen? 2. Studiendesign Zur Erfassung der Veränderung der (fach-)sprachlichen Kompetenzen wurde der (Fach-)Sprachstand der erstsemestrigen Primarstufenstudierenden zu Studienbeginn (Oktober 2017 / N = 494) und ein Jahr später (Oktober 2018 / N = 298) an allen drei Hochschulen erhoben. Dabei wurden die textproduk-tiven Fähigkeiten mit drei offenen Aufgabenstellungen ermittelt, wobei das Beschreiben, Erklären bzw. Begründen mathematischer Phänomene gefor-dert war. Für die Untersuchung wurden die für die Primarstufe relevanten arithmetischen Inhalte (1) Schriftliche Addition (Beschreibung eines Über-tragfehlers), (2) Entdeckerpärchen (Konstanz der Differenz) und (3) Sub-traktion im Zahlenraum 1000 (Zahlen- und Ziffernrechnen) gewählt. Die textrezeptiven Fähigkeiten der Studierenden wurden durch eine Aufgaben-stellung mit geschlossenem Antwortformat ermittelt (fünf Items, z. B.: 120 Hunderter sind dasselbe wie 1 Zehntausender und 2 Tausender.). Dieses Antwortformat gewährleistet, dass Informationen entnommen, Schlussfol-gerungen aufgrund von eigenem Vorwissen gezogen und vorgelegte Aussa-gen als falsch oder richtig bewertet werden. Zur Auswertung der Daten wurden vier Indikatoren operationalisiert und ein ausdifferenzierter Coding-Guide entwickelt (Fast, Riehs & Summer in print). Exemplarisch wird das Vorgehen anhand der zweiten Aufgabenstel-lung gezeigt. Indikator 1: Korrekter Einsatz von mathematischen Fachbegriffen Der Indikator gilt als erfüllt, wenn einer der Fachbegriffe „Minuend, Subtra-hend, Differenz, konstant, Konstanz“ explizit genannt wird. Im dargestellten Beispiel wurde der Indikator „Einsatz von Fachbegriffen“ nicht erfüllt. 914 Abb. 1: Beispiellösung (DO 19 27) Indikator 2: Korrekter Einsatz der (Fach-)Sprache bzw. mathematische Rich-tigkeit der Aussagen Erwartet wird hier die Formulierung eines mathematisch fachlich korrekten Textes bzw. etwaige andere zeichnerisch oder symbolische korrekte Darstel-lungsformen. Bezogen auf das vorgestellte Beispiel gilt dieser Indikator als nicht erfüllt – das Verb „ergänzt“ wird nicht korrekt verwendet. Indikator 3: Vollständigkeit Dieser Indikator zielt auf die Fähigkeit, eine umfassende Erläuterung bzw. Argumentation des mathematischen Sachverhalts abzubilden. Dieser Indika-tor wird erfüllt, da sowohl auf die Veränderung von Minuend und Subtra-hend, als auch auf die konstante Differenz hingewiesen wird. Indikator 4: Erkennbares mathematisches Konzept (im Gegensatz zu einer reinen Verfahrensorientierung)  Der Indikator 4 gilt bei Aufgabenstellung 3 als erfüllt, wenn das Gesetz der Konstanz der Differenz erkannt und beschrieben wurde, was im vorgestell-ten Beispiel der Fall ist, obwohl das Konstanzgesetz nicht fachsprachlich er-klärt wurde. 3. Ergebnisse Für die Aufgabenstellung 2 konnten aus der verbundenen Stichprobe fol-gende Ergebnisse ermittelt werden: Während zu Beginn des Studiums nur 9,5 % der Studierenden bei Aufgabe 2 die Gesamtpunkteanzahl von 4, die sich durch Addition des Score 1 über alle vier Indikatoren hinweg ergibt, erreichen konnten, waren es bei der Nacherhebung bereits 46,3 %. Damit sind die erreichten Gesamtpunkte nach einem Studienjahr signifikant höher (Median = 3) als zu Studienbeginn (Me-dian = 1; asymptotischer Wilcoxon-Test: z = -7,870, p < .001, n = 296). Die 915Effektstärke nach Cohen liegt bei r = .457 und entspricht einem starken Ef-fekt.  Abb. 2: Häufigkeiten der Gesamtpunkte bei Aufgabe 2 Die bei dieser Aufgabe erzielten Kompetenzzuwächse zeigen, dass die Stu-dierenden bereits im ersten Studienjahr ihre (fach-)sprachlichen Kompeten-zen verbessern können. Dennoch besteht bei einigen Resultaten noch Spiel-raum zur maximal erreichbaren Punktezahl. Daher muss in den folgenden Semestern weiterhin großes Augenmerk auf die fachsprachliche Entwick-lung zukünftiger Primarstufenlehrkräfte gelegt werden. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9. Jahrg., Heft 4/2006469-520.  Fast, M., Riehs, B. & Summer, A. (2020, in print). Auf dem Weg zur (Fach-)sprachlichen Kompetenz von Lehramtsstudierenden im Mathematikunterricht der Primarstufe. KPH. Wien/Krems. König, J. & Blömeke, S. (2009). Pädagogisches Wissen von angehenden Lehrkräften: Erfassung und Struktur von Ergebnissen der fachübergreifenden Lehrerausbildung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 12 (3), 499-527. Linneweber-Lammerskitten, H. (2013). Sprachkompetenz als integraler Bestandteil der mathematical literacy? In M. Becker-Mrotzek, K., Schramm, E., Thürmann & H. J. Vollmer (Hrsg.), Sprache im Fach (S. 151-166). Münster: Waxmann. PH NÖ. (2018). Bachelorstudium für das Lehramt Primarstufe. Curriculum im Rahmen der PädagogInnenbildung. https://www.ph-noe.ac.at/fileadmin/root_phnoe/PHN% C3%96/Mitteilungsblatt/verordnungen/Curricula_Primarstufe/aktu-ell18/PHNOE_BA_Primarstufe.pdf Rautenstrauch, H. (2017). Erhebung des (Fach-)Sprachstandes bei Lehramtsstudieren-den im Kontext des Faches Chemie. Berlin: Logos Verlag. Roelcke, T. (2010). Fachsprachen. Berlin: Schmidt. 28,4%25,0%17,6% 19,6%9,5%14,1%21,8%3,7%14,1%46,3%0,0%10,0%20,0%30,0%40,0%50,0%0 1 2 3 4Vorerhebung Nacherhebung916

„Weil die beiden Zahlen gleich stark zunehmen...“

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