Lengnink, Katja

Stein, Nina

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Nina STEIN, Gießen & Katja LENGNINK, Gießen Concept Images und Concept Definition zur Analyse von Aufgabenbearbeitungen zur Folgenkonvergenz Lehramtsstudierende begegnen in ihrem Mathematikstudium einer zentralen Herausforderung: Zum einen sollen sie ein angemessenes Concept Image zu Begriffen der Hochschulmathematik aufbauen, um diese in der Schule ange-messen propädeutisch anzubahnen (vgl. Tall & Vinner, 1981, S. 152). Zum anderen müssen sie den Umgang mit dem hohen Formalisierungsgrad der mathematischen Fachsprache erlernen, deren Kern die Concept Definition des mathematischen Begriffs bildet (vgl. ebd.). In verschiedenen Studien hat sich bereits angedeutet, dass das Concept Image der Studierenden nicht im-mer zur Concept Definition eines Begriffs passt (z.B. ebd.). In einer von mir durchgeführten Pilotstudie wurde das Zusammenspiel von Concept Image und Concept Definition während der Bearbeitung von mathematischen Übungsaufgaben untersucht, da mathematische Übungsaufgaben neben der Vorlesung ein wichtiger Bestandteil des Lernens von Mathematik an der Hochschule sind und die Lernenden hier in einem besonders hohen Maß ak-tiv sind. Für die Studie wurde der Begriff der Folgenkonvergenz gewählt, da die Konvergenz von Folgen ein grundlegendes Konzept der gesamten Ana-lysis darstellt. Ein tiefes Verständnis der Concept Definition und der Aufbau eines angemessenen Concept Images sind im weiteren Verlauf der Analysis-Veranstaltungen von großer Bedeutung. Die Pilotstudie verfolgt die For-schungsfrage: „Welches Zusammenspiel findet zwischen dem (Evoked) Concept Image und der (Personal) Concept Definition während der Bearbei-tung der Aufgaben zur Folgenkonvergenz statt?“  Theoretischer Hintergrund Tall und Vinner versuchten 1981 erstmals mit den Begriffen Concept Image und Concept Definition zu erklären, wie Lernende mathematische Begriffe denken. Ihre Theorie basiert auf der Annahme, dass bei den Lernenden be-reits vor der formalen Einführung eines Begriffs ein komplexes Gefüge aus inneren Repräsentationen, die durch den Begriff hervorgerufen werden, exis-tiert. Diese kognitiven Strukturen sind veränderlich und werden als Concept Image bezeichnet. Es wird beschrieben als „total cognitive structure that is associated with the concept, which includes all the mental pictures and asso-ciated properties and processes” (ebd.). Oft wird durch einen bestimmten Stimulus nur ein kleiner Ausschnitt des Concept Images aktiviert, welcher Evoked Concept Image genannt wird. Das Gegenstück zum Concept Image bildet in der Theorie nach Tall und Vinner (1981) die Concept Definition. Siller, H.-S., Weigel, W. & Wörler, J. F. (Hrsg.). Beiträgezum Mathematikunterricht 2020. Münster: WTM-Verlag, 2020.doi: 10.37626/GA9783959871402.0 901Diese ist eine Ansammlung von Wörtern, die den Begriff spezifizieren. In-dividuell wird zu jeder Concept Definition von den Lernenden eine Personal Concept Definition konstruiert, die aus Wörtern besteht, die der Lernende wählt, um den Begriff zu erklären. Damit ist die Personal Concept Definition auch immer Ausdruck des zu dem Zeitpunkt aktivierten Evoked Concept Images (vgl. ebd.). Concept Image zur Folgenkonvergenz Um das Evoked Concept Image der Studierenden zu Folgenkonvergenz de-taillierter beschreiben zu können, ist es hilfreich, dieses in verschiedene Be-standteile zu gliedern. Dazu finden sich in anderen didaktischen Theorien geeignete Zugänge, wie etwa die Grundvorstellungen, die Theorie der Be-griffsbildung und die Darstellungsebenen zu einem Themenfeld.  Grundvorstellungen zum Grenzwertbegriff, die bei Schülerinnen und Schü-lern und dementsprechend auch bei Lehramtsstudierenden ausgebildet wer-den sollen, sind in der Literatur beschrieben. Hier sind die Annäherungsvor-stellung und die Umgebungsvorstellung zu nennen (vgl. Greefrath et al., 2016, S. 104-106). Die Annäherungsvorstellung beschreibt das Zustreben der Werte der Folgeglieder an einen festen Wert, den Grenzwert. Hier wird eine dynamische Sicht auf den Grenzwertbegriff deutlich. Die Umgebungs-vorstellung bietet eine statische Sicht. Nun muss zu jeder beliebigen Umge-bung um den Grenzwert ein fester Wert gefunden werden können, sodass ab diesem Wert alle weiteren Folgewerte in dieser Umgebung liegen (vgl. ebd.).  Auch vielfältige Beispiele sind ein wichtiger Bestandteil des Concept Images, da diese unter anderem bei einem Beweis durch ein Gegenbeispiel notwendig oder zum Explorieren und Entdecken neuer Sätze hilfreich sind (vgl. Weigand, 2018, S. 85ff). In das Concept Image der angehenden Lehr-kräfte sollten außerdem geeignete verbalsprachliche Beschreibungen inte-griert werden, da andernfalls die Gefahr besteht, dass durch ungeeignete For-mulierungen im späteren Unterricht Fehlvorstellungen bei Schülerinnen und Schülern erzeugt werden, die einer adäquaten Weiterentwicklung des Be-griffsverständnisses im Wege stehen (vgl. Bender, 1991, S. 243).  Für ein erfolgreiches Bearbeiten einiger Übungsaufgaben ist es außerdem erforderlich, graphische und numerische Darstellungen miteinander ver-knüpfen zu können. Die Lernenden sollen Informationen aus graphischen und numerischen Darstellungen entnehmen können und durch das eigene Anfertigen von Darstellungen verfügbar machen. Darüber hinaus sollen sie die Angemessenheit einer Darstellung vor dem Hintergrund der Aufgaben-stellung beurteilen können (vgl. Laakmann, 2013, S. 24). 902Umgang mit der Concept Definition und anderer Formalsprache Um die Lernhürden beim Umgang mit den formalen Definitionen der Hoch-schulmathematik zu beschreiben, ist es hilfreich, die Concept Definition um den Umgang mit anderen formalsprachlichen und symbolischen Ausdrücken zu erweitern. Neben dem Umgang mit der Definition gehört dazu also der Umgang mit mathematischen Sätzen, Beweisen, symbolischen Ausdrücken und Quantoren. Ostsieker und Biehler (2012) haben in einer explorativen Studie Fehler und Schwierigkeiten von Studierenden bei Aufgaben zur Kon-vergenz von Folgen kategorisiert. Dabei konnten sie feststellen, dass insbe-sondere das Umformen von symbolischen Ausdrücken fehleranfällig ist, Be-gründungen fehlen oder formale Aussagen unvollständig sind. Darüber hin-aus zeigen sich ein mangelndes Verständnis der Definition und logische Feh-ler in der Beweisführung wie das Verwechseln von Behauptung und Voraus-setzung (vgl. Ostsieker & Biehler, 2012, S. 641-644).  Qualitative Pilotstudie Eine Pilotstudie zum Erfassen des Zusammenspiels von Concept Image und Concept Definition wurde im Sommersemester 2019 mit vier Gymnasialleh-ramtsstudierenden und sieben Haupt- und Realschullehramtsstudierenden durchgeführt. Alle Studierenden besuchten zu dem Zeitpunkt der Untersu-chung eine Analysis-Veranstaltung der JLU Gießen, die üblicherweise im vierten Fachsemester belegt wird. In den Vorlesungen wurde der Begriff der Folgenkonvergenz klassisch über die 𝜀-𝑛𝜀-Definition eingeführt. Die Veran-staltung für die Haupt- und Realschullehramtsstudierenden war allerdings reicher an Darstellungen und Beispielen als die Veranstaltung der Gymnasi-allehramtsstudierenden. Für die Pilotstudie wurden vier Aufgaben so konzi-piert, dass sie zum einen repräsentativ für hochschulmathematische Übungs-aufgaben sind und zum anderen das Einbringen von Concept Image und Concept Definition in besonderer Weise ermöglichen. In der ersten Aufgabe wurden Fragen zur Definition gestellt, die zweite und dritte Aufgabe forder-ten Konvergenznachweise und die vierte Aufgabe forderte einen Beweis zu den Rechenregeln für Grenzwerte. Die Studierenden haben die Aufgaben in Einzelarbeit mit der Methode des lauten Denkens bearbeitet. Sie wurden also vorab gebeten, möglichst alle Gedanken, die ihnen während des Bearbeitens einer Aufgabe in den Sinn kommen, laut zu verbalisieren. So werden Daten über die kognitiven Prozesse, die zeitgleich zur Handlung ablaufen, erhoben (vgl. Sandmann, 2014, S. 179-181). Anschließend fand ein kurzes Leitfaden-interview statt. Die Aufgabenbearbeitung und das Interview wurden video-graphiert und zum Teil transkribiert. 903Erste Einblicke in die Pilotstudie In einer ersten Analyse zeigt sich ein breites Spektrum an Bearbeitungen. Dabei fallen mit Blick auf die oben spezifizierten Bestandteile des Concept Images auf, dass Proband 1 eine Umgebungsvorstellung und eine Annähe-rungsvorstellungen ausgebildet hat. Er nutzt numerische und graphische Darstellungen einer Folge und wechselt häufig zwischen ihnen, um zu einer Vermutung über die Konvergenz zu gelangen. In Aufgaben, bei denen er Beispiele generieren möchte, verbleibt er bei der Folge (1𝑛)𝑛∈ℕ. Mit Blick auf die Concept Definition lässt sich festhalten, dass es dem Studierenden meist nicht gelingt, eine formale Lösung wie zum Beispiel einen Konvergenzbe-weis zu generieren. Es zeigt sich, dass auch Studierende mit passenden Grundvorstellungen zur Folgenkonvergenz nur wenig Erfolg bei der Über-setzung von Vorstellungen in die formalsprachlich präzise Beweisführung im Bereich der Concept Definition haben. Durch eine detaillierte Analyse der Bearbeitungsprozesse sollen qualitative Ansatzpunkte identifiziert wer-den, die den Studierenden helfen, die notwendige Verknüpfung zwischen Concept Image und Concept Definition herzustellen. Literatur Bender, P. (1991). Fehlvorstellungen und Fehlverständnisse bei Folgen und Grenzwerten. Der Mathematische und Naturwissenschaftliche Unterricht 4, 238-243. Greefrath, G., Oldenburg, R., Siller, H.-S., Ulm, V. & Weigand, H.-G. (2016). Aspects and „Grundvorstellungen“ of the Concepts of Derivative and Integral. Subject Matter-related Didactical Perspectives of Concept Formation. Journal für Mathematikdidaktik 37, 99-129. Laakmann, H. (2013). Darstellungen und Darstellungswechsel als Mittel zur Begriffsbil-dung. Eine Untersuchung in rechnergestützten Lernumgebungen. Wiesbaden: Sprin-ger Spektrum. Ostsieker, L. & Biehler, R. (2012). Analyse von Beweisprozessen von Studienanfän-ger/innen bei der Bearbeitung von Aufgaben zur Konvergenz von Folgen. Beiträge zum Mathematikunterricht 2012: Vorträge auf der 46. Tagung für Didaktik der Ma-thematik 2 (S. 641-644). Sandmann, A. (2014). Lautes Denken – die Analyse von Denk-, Lern- und Problemlö-seprozessen. In D. Krüger, I. Parchmann & H. Schecker (Hrsg.), Methoden in der na-turwissenschaftsdidaktischen Forschung (S. 179-188). Berlin/Heidelberg: Springer Spektrum. Tall, D. & Vinner, S. (1981). Concept Image and Concept Definition in mathematics with particular reference to limits and continuity. Educational Studies in Mathematics 12, 151-169. Weigand, H.-G., Filler, A., Hölzl, R., Kuntze, S., Ludwig, M., Roth, J., Schmidt-Thieme, B.- & Wittmann, G. (2018). Didaktik der Geometrie für die Sekundarstufe I. 3., erwei-terte und überarbeitete Auflage. Berlin: Springer Spektrum. 904

Concept Images und Concept Definition zur Analyse von Aufgabenbearbeitungen zur Folgenkonvergenz

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Concept Images und Concept Definition zur Analyse von Aufgabenbearbeitungen zur Folgenkonvergenz

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