„Energieeffizienz in benachteiligten Quartieren“. Der Titel öffnet den Blick auf Quartiere mit problematischen Rahmenbedingungen. Auf benachteiligte Quartiere, die aufgrund ihres hohen energetischen Einsparpotenzials für die Erreichung der übergeordneten Klimaschutzziele von besonderem Interesse sind, in denen oft jedoch aufgrund demografischer, sozialer und ökonomischer Voraussetzungen keine energetischen Sanierungsmaßnahmen im privaten Wohngebäudebestand umgesetzt werden.
Das Forschungsinteresse der Arbeit liegt insbesondere auf den Möglichkeiten der öffentlichen Hand, dieses Potenzial abzurufen, um die Ziele der Energiewende zu erreichen. Dabei sind es gegenwärtig zumeist öffentliche Anreize, finanzielle Förderung, Beratungs- und Informations- sowie Kooperationsangebote, die Eigentümer von Investitionen in die energetische Aufwertung ihrer Gebäude überzeugen und zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebestand beitragen sollen. Trotz dieser Anstrengungen konnte die angestrebte Verdoppelung der Sanierungsrate im Bestand bisher allerdings nicht realisiert werden (vgl. dena 2017a).
Dass insbesondere unter stagnierenden und schrumpfenden ökonomischen Rahmenbedingungen häufig schon die notwendige Instandhaltung unterbleibt, zeigt sich bereits im Gebäudebestand vieler Quartiere der Städtebauförderung. Mit geringem Investitionsklima und ohne Veränderungsdruck sind anreizbasierte Aufwertungsstrategien kaum erfolgreich und bergen die Gefahr, dass sich Energieeffizienz zu einem Parameter entwickelt, der die Benachteiligung der Quartiere weiter verstärkt. Es fehlen kooperationsbereite und handlungsfähige Akteure, die sich mittels Anreizen für die Sanierung des Gebäudebestands mobilisieren lassen. Damit steigt die Bedeutung der Kommune als öffentlicher Akteur im Quartier.
Die Arbeit geht der forschungsleitenden Frage nach, wie die Kommune auf der Quartiersebene die Steigerung der Energieeffizienz in benachteiligten Quartieren steuern kann. Wie wird kommunale Governance unter problematischen Rahmenbedingungen handlungsfähig?
Ziel ist es, einen Beitrag zur Handlungsfähigkeit kommunaler Governance bei der Steigerung der Energieeffizienz auf Quartiersebene zu leisten. Die Arbeit gliedert sich in drei empirische Studien. In der ersten Studie werden Quartiersmanager zu den Rahmenbedingungen in benachteiligten Quartieren befragt. Ausgangspunkt ist die Analyse der problematischen Rahmenbedingungen benachteiligter Quartiere und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für kommunale Governance bei der Steigerung der Energieeffizienz in benachteiligten Quartieren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass anreizbasierte Governance in benachteiligten Quartieren kaum erfolgversprechend ist. Eine mögliche Handlungsoption stellt jedoch das Aufkaufen sanierungsbedürftiger Gebäude dar, um einen direkten Zugriff auf den Gebäudebestand zu bekommen und durch eine Sanierung direkte Impulse für die energetische Quartiersentwicklung zu setzen. Das kann beispielsweise über eine Stadtentwicklungsgesellschaft erfolgen. Als Möglichkeit kommunaler Governance verfügt sie durch die Aspekte unternehmerische Freiheit, leistungsbezogene Vergütung und kaufmännische Prinzipen über weitergehende Handlungsmöglichkeiten als die administrative Verwaltung. Sie steht im Mittelpunkt der zweiten empirischen Studie, die sich mit der Eignung von Stadtentwicklungsgesellschaften als Forschungsobjekt zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung befasst. Befragt werden direkt an Stadtentwicklungs-, Sanierungs- und Treuhandgesellschaften beteiligte Personen sowie Experten aus deren Verbänden, der Begleitforschung und der Ebene der ministeri-ellen Fördergeber. Den Kern des Dissertationsprojekts bildet die Fallstudienanalyse dreier Stadtentwicklungsgesellschaften.
Die Fallstudienanalyse betrachtet die Handlungsmöglichkeiten konkreter Stadtentwicklungsgesellschaften für Energieeffizienz unter problematischen Rahmenbedingungen. Als Fallstudien dienen die SEG Gelsenkirchen, die SEG Hamm sowie die STEG Hamburg. Bei allen handelt es sich um Stadtentwicklungsgesellschaften, die mit dem Zweck gegründet wurden, aktiv in den Gebäudebestand benachteiligter Quartiere einzugreifen, um ihn einer Aufwertung zuzuführen. Die Fallstudien variieren dabei in bestimmten Parametern mit Bezug auf ihre Handlungsfähigkeit. Gemeint sind die Einbeziehung unterschiedlicher Gesellschafter, die Art der Geschäftsführung, die Finanzierung etc.
Aus ihren Potenzialen für Energieeffizienz und Stadtentwicklung werden übertragbare Handlungsempfehlungen für die kommunale Praxis abgeleitet. Der Fokus liegt dabei auf der Organisations- und Prozessstruktur zur Steuerung der Energieeffizienz unter problematischen Rahmenbedingungen.
Das Ergebnis sind Empfehlungen für die Organisations- und Prozessstruktur der Stadtentwicklungsgesellschaft als Agent der Energiewende im Quartier. Da sowohl die Rahmenbedingungen im Quartier als auch die strukturellen Voraussetzungen vor Ort im Detail höchst kontextabhängig sind, ist das Produkt ein dynamischer Leitfaden in Form von übertragbaren Handlungsbausteinen und -strategien. Er orientiert sich an Spannungsfeldern, vor denen es die Performance der einzelnen Bausteine in der Anwendung für die Organisations- und Prozessstruktur in der praktischen Anwendung abzuwägen gilt. Sie stellen Handlungsempfehlungen für kommunale Governance im Kontext energieeffizienter und klimagerechter Quartiersentwicklung dar. Adressaten sind vor allem Praktiker, kommunale Vertreter, Kommunalpolitiker, Gemeinderäte und Aufsichtsratsmitglieder sowie die in und mit kommunalen Stadtentwicklungsgesellschaften Tätigen. Gleichzeitig lassen sich verallgemeinerbare Aussagen für den wissenschaftlichen Diskurs ableiten