Ludwig, Matthias

Zender, Joerg

Eldorado - Repository of the TU Dortmund

  Joerg ZENDER & Matthias LUDWIG, Frankfurt a.M. Einsatz von MathCityMap in der Sekundarstufe I – Eine  Studie über den Leistungswachs bei Schülern aus Klasse 9 In der PISA Studie von 2012 stellt Prenzel (2013, S. 149) fest, dass sich ein Mathematikunterricht mit anspruchsvollen Aufgaben in Anwendungssitua-tionen immer noch nicht etablieren konnte. Man darf die Frage stellen, welchen Mehrwert so ein Unterricht haben kann? Um der Antwort dieser Frage etwas näher zu kommen, wurde in Frankfurt eine Studie auf Grund-lage von MathCityMap durchgeführt. Theoretischer Hintergrund Mathematik im Anwendungskontext zu betreiben ist eine Herausforderung (Jones & Pepin, 2016). Authentische und passende Fragestellungen aus In-dustrie und Technik zu erhalten ist nicht einfach zudem sind sie sehr kom-plex so dass sie schülergerecht aufbereitet werden müssen. Einfacher und ergiebiger ist es, in der Umwelt der Schüler nach Anwendungsbezügen im Bereich der Schulmathematik zu suchen. Das mathematische Modellieren an authentischen Objekten bietet sich hier an (Borromeo Ferri, Greefrath & Kaiser, 2013). Das Projekt MathCityMap (MCM) von der Universität Frankfurt (www.mathcitymap.eu) stellt hierzu ein Framework bereit (Lud-wig, Jesberg, Weiß, 2013). Die Grundidee geht auf die Mathtrails zurück (Blane & Clark, 1984), bezieht aber neue Technologien mit ein. Praktisch jeder Schüler über 12 Jahren besitzt ein Smartphone (Berg, 2017), eine Ressource die wir bei MCM Nutzen. Für die Studie haben wir eine Unter-richtseinheit mit MathCityMap zum Themas Zylinder geplant. Unter Nut-zen verstehen wir die Auswirkung auf die schulische Leistung. Diese wird über Tests gemessen und verglichen. Das Thema der Unterrichtseinheit wurde klar eingrenzt auf Zylinder, die in der neunten Klasse der Sekundar-stufe I behandelt werden. Die Forschungsfrage lautet also:  Welche Auswirkungen hat ein anwendungsorientierter Unterricht mit Math CityMap auf die schulische Leistung der Schüler im Bereich Zylinder? Studie Um passende und auch in Schulalltag relevante Aufgaben für die Studie zu finden, stand zu Beginn die Analyse von Schulbüchern zu Textaufgaben über Zylindern. Dabei ergab sich, dass nur vier von neun möglichen Auf-gabentypen relevant waren. Tabelle 1 vermittelt einen Eindruck von der Aufgabentypenverteilung auch in den verschiedenen Schulbüchern. Nur diese vier Aufgabentypen wurden gezielt im Treatment umgesetzt um einen Nachteil für die Kontrollgruppe auszuschließen.  In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.)Beiträge zum Mathematikunterricht 2018. Münster: WTM-Verlag 2051  Tab. 1: Schulbuchanalyse, Textaufgaben zu Zylindern, Klasse 9 Dabei ist zu beachten, dass es sich beim Treatment nicht um das klassische Pretest-Posttest-Design handelt. Da das Treatment im Rahmen einer Unter-richtseinheit erfolgt, ist es nicht sinnvoll das Vorwissen über Zylinder in einem Pretest zu erfassen und dementsprechend kann keine Veränderung durch das Treatment mit einem Posttest gemessen werden. Für die Studie mussten eine Treatment- (Unterrichtseinheit mit MCM) und eine Kontroll-gruppe (normaler Unterricht) gebildet werden. Deren Leistungen werden am Ende verglichen. Damit so ein Vergleich aussagekräftig wird, muss vorher sichergestellt sein, dass die beiden Gruppen über die gleiche ma-thematische Leistungsstärke verfügen. Dazu wurde der Eingruppierungstest geschrieben und danach die Schüler auf die beiden Gruppen verteilt. Als Eingruppierungstest wurde eine gekürzte Version von VERA-8 von 2010 mit freundlicher Genehmigung des IQB eingesetzt. Die Korrektur der Tests erfolgte durch zwei Rater unabhängig voneinander (Cohen‘s κ lag immer über 0,9). Das Treatment erfolgte im Rahmen der Einheit über Zylinder. Nachdem im Unterricht die Zylinder eingeführt wurden, sind die Schüler gekommen und haben zweimal für 90 Minuten einen Mathtrail mit Zylin-deraufgaben absolviert. Diese Mathtrails wurden vor der Studie mit zwei Klassen pilotiert. Ein Beispiel für eine solche Aufgabe siehe Abbildung 1. Die Kontrollgruppe hat die Einheit über Zylinder ohne weitere Vorgaben im Rahmen des Schulunterrichts durchgeführt. Am Ende der Einheit haben beide Gruppen einen Test geschrieben. Dieser bestand aus Textaufgaben zum Thema Zylinder, die sich an Aufgaben aus Schulbüchern orientierten. Gege-ben Ge-sucht Schnitt-punkt Ma-thematik Mathema-tik Grund-kurs ma-the live Ma-the.Logo Elemente der Ma-thematik Lambacher Schweizer Summe  % r, h V 13 7 9 2 15 11 57 50,9 r, h O 1 3 3 2 5  14 12,5 r, h M 5 3 2 2 4 1 17 15,2 V, r h 6  3  5 3 17 15,2 V, h r 2 1 1    4 3,6 O, r h     2  2 1,8 O, h r       0 0,0 M, r h       0 0,0 M, h r 1      1 0,9 Summe   28 14 18 6 31 15 112   Abb. 1: Aufgabe „Litfaßsäule“ aus dem Treatment 2052  Die Korrektur der Tests erfolgte wieder durch zwei Rater unabhängig von-einander und ohne das Wissen über Kontroll- und Treatmentgruppe (Co-hen‘s κ lag bei jeder Aufgabe über 0,8). Beispiele für Aufgaben aus Treatment und Vergleichstest Ein gutes Beispiel für eine MCM-Aufgabe aus dem Mathtrail die Litfaß-säule, siehe Abbildung 1. Litfaßsäulen sind zylinderförmige Objekte, die jeder kennt und die man fast überall in Städten findet. Sie werden auch oft in Schulbüchern für Textaufgaben zu Zylindern verwendet. Die Frage nach der Mantelfläche als Werbefläche liegt auf der Hand. Sie ist authentisch und entspringt der Realität. In Abbildung 2 sieht dazu passend die Aufgabe aus dem Vergleichstest. Die beiden Aufgaben korrespondieren miteinander. Die Aufgabe im Trail ist augenscheinlich einfacher, man misst direkt den Umfang. Mit der Aufgabe soll eine enaktive Herangehensweise an die Mantelfläche, als aufgerolltes Rechteck möglich werden. Im Test sollen sich die Schüler dann erinnern, dass hier der Umfang wichtig ist und sich überlegen, wie sie ihn mithilfe der gegebenen Daten berechnen können.  Ergebnisse Am Eingruppierungstest der Studie haben N=636 Schüler teilgenommen, davon kamen 259 in die Kontrollgruppe und 377 in die Treatmentgruppe. Etwas problematisch war, dass einige Klassen nur einmal das Treatment durchlaufen haben, anstatt zweimal wie vereinbart. Besonders problema-tisch waren hier Realschulklassen. Es blieben noch 2 Schulklassen mit ins-gesamt 51 Schülern, so dass die Datenlage für diese Gruppe gering ausfällt. Tab. 2: Evaluation des Treatments für Gymnasiasten   Eingruppierung Vergleichstest  Mittelwert Standardabweichung Mittelwert Standardabweichung Gym Kontr. 13,9 3,5 1,6 1,8 Gym Treat 13,9 3,6 2,5 1,7 Besser ist die Lage bei den Gymnasialklassen, hier verbleiben 95 Schüler in der Kontrollgruppe und 140 Schüler in der Treatmentgruppe. Aus Tabel-le 2 lässt sich entnehmen, dass die beiden Gruppen im Eingruppierungstest Abb. 2: Aufgabe „Litfaßsäule“ aus dem Vergleichstest 2053  (21 Punkte) fast gleich abgeschnitten haben, im Vergleichstest (6 Punkte) aber unterschiedlich. Der Unterschied ist stark signifikant (p < .01) mit ei-nem mittleren Effekt (d = 0,5). Im Vergleich sind Schüler, die eine Unter-richtseinheit mit Mathtrails durchlaufen haben, beim Lösen von Textaufga-ben zu Zylindern besser als jene, die dies nicht getan haben. Bei der Aus-wertung der Daten fiel auf, dass sich die Gruppe der Gymnasiasten, die nur einmal am Treatment teilnahmen sich nicht signifikant von der Kontroll-gruppe unterscheidet. Eine Analyse der Daten aus dem Treatment zeigt, dass sich die beiden Durchgänge stark signifikant (p < .01) unterscheiden (Tabelle 3), was die Anzahl der gelösten Aufgaben angeht (10 Aufgaben). Es handelt sich dabei um einen starken Effekt (d = 0,8). Tab. 3: Vergleich der Lösungshäufigkeiten nach einfachem und zweifachem Treatment   Mittelwert Standardabweichung 1x Trail 3,6 2,0 2x Trail 5,5 2,9 Ausblick Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Kontroll- und Treatmentgrup-pe, sowie dem erst- und dem zweitmaligen Durchlaufen des Mathtrail ist die Empfehlung, Mathtrails mehrmals im Unterricht einzusetzen. Es wäre zudem spannend, eine Klasse über ein oder zwei Schuljahre zu begleiten und immer wieder Mathtrails im Unterricht einzusetzen und die Verände-rungen und Effekte zu beobachten. Bei dieser Studie unberücksichtigt blie-ben auch Auswirkungen auf die Motivation, die mathematischen Beliefs der Schüler und damit auf längerfristige Veränderungen im Unterricht. Ei-ne Längsschnittstudie wäre geeignet, um diesen Fragen nachzugehen. Literatur Berg, A. (2017). Kinder und Jugend in der digitalen Welt. Bitkom Research, Berlin https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2017/05-Mai/170512-Bitkom-PK-Kinder-und-Jugend-2017.pdf, abgerufen am 02.02.2018 Blane, D.C. & Clarke, D. (1984). A Mathematics Trail Around the City of Melbourne. Monash Mathematics Education Centre, Monash University. Borromeo Ferri, R., Greefrath, G., Kaiser, G. (2013). Mathematisches Modellieren für Schule und Hochschule. Springer Spektrum. Wiesbaden Jones, K., Pepin, B. (2016). Research on mathematics teachers as partners in task de-sign. Journal of Mathematics Teacher Education, 19/2, 105–121. Ludwig, M., Jesberg, J., David Weiß (2013). MathCityMap – eine faszinierende Bele-bung der Idee mathematischer Wanderpfade. Praxis der Mathematik, 53, 14–19. Prenzel, M. H. (Hrsg.). (2013). PISA 2012. Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland. Münster [u.a.]: Waxmann. 2054

Einsatz von MathCityMap in der Sekundarstufe I - Eine Stu- die über den Leistungswachs bei Schülern aus Klasse 9

https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/37802/1/BzMU18_ZENDER_Mathtrails.pdf

Einsatz von MathCityMap in der Sekundarstufe I - Eine Stu- die über den Leistungswachs bei Schülern aus Klasse 9

Abstract

Similar works

Full text

Available Versions

Eldorado - Repository of the TU Dortmund