In dieser Arbeit haben wir die Veränderungen der funktionellen Konnektivität (FC) bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) nach dem ersten klinischen Schub untersucht. Die Entwicklung permanenter neurologischer Symptomatik bei MS ist von Patient zu Patient stark variabel, wobei die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht vollständig geklärt sind. Strukturelle Marker, wie z. B. die Läsionslast, spiegeln das Fortschreiten der Krankheit nicht akkurat wider. Daher untersuchten wir Veränderungen der funktionellen Netzwerkkohärenz bei MS-Patienten zwischen der ersten klinischen Episode und der anschließenden Remission, um mögliche Zusammenhänge zwischen der Reorganisation der Netzwerkstruktur und der Symptomatik zu ermitteln. Bei 18 neu diagnostizierten MS-Patienten wurde eine funktionelle Magnetresonaztomographie im Ruhezustand (rs-fMRI) durchgeführt, einmal während der ersten klinischen Episode (mit messbarer klinischer Symptomatik, definiert als Expanded Disability Status Scale, EDSS, >= 1.0) und einmal während der Remission ca. vier Wochen später (EDSS < Zeitpunkt 1). Wir analysierten Veränderungen der Netzwerkkohärenz von zehn prädefinierten funktionellen Netzwerken, die durch unabhängige Komponentenanalyse (ICA) identifiziert wurden. Dabei verglichen wir jeden Patienten mit einer gesunden Kontrollgruppe aus dem Human Connectome Project Test-Retest-Datensatz (N = 44). Für jedes Netzwerk und jeden Patienten identifizierten wir Regionen, deren Netzwerkbeitrag sich zwischen den beiden Scans veränderten. Bei verschiedenen Patienten beobachteten wir, dass sich die Topographie von verschiedenen Netzwerken änderte, wobei sich Regionen zeigten, die ihre Kohärenz mit einem betroffenen Netzwerk erhöhten oder verringerten. Zusätzlich beobachteten wir auch einige wenige Netzwerke, die bei allen Patienten gleichermaßen betroffen waren. Am interessantesten war jedoch, dass die Regionen, die ihre Kohärenz zu den betroffenen Netzwerken änderten, in der Regel ursprünglich nicht zu diesem Netzwerk gehörten (gemessen an den ICA-Beitragswerten der zehn prädefinierten Netzwerke). Durch die Kombination einer Ranking-Analyse der zehn Netzwerke mittels Monte-Carlo-Verfahren konnten wir feststellen, dass die Regionen, die Veränderungen aufwiesen, in erster Linie zum zerebellären Netzwerk gehörten, insbesondere bei Kohärenzerhöhungen. Diese unerwartete Gemeinsamkeit zwischen dem klinisch heterogenen Patientenkollektiv deutet darauf hin, dass das zerebelläre Netzwerk funktionell an der MS-Remission beteiligt ist (unabhängig davon, welche Netzwerke betroffen sind). Diese Ergebnisse erweitern die Erkenntnisse aus früheren Querschnittsuntersuchungen, die bereits eine protektive Rolle des Kleinhirns bei MSPatienten postulierten. Zukünftige Arbeiten können die Verbindung zwischen potenzieller synaptischer Plastizität (z. B. Langzeitpotenzierung und Langzeitdepression) des Kleinhirns und funktionellen Kohärenzveränderungen weiter untersuchen, um das Potential solche Konnektivitätsmessungen als Biomarker für die MS-Diagnostik und -Prognostik weiter zu untersuchen