Nebenwirkungen der Pandemie, Aktuelles aus der Gefässmedizin: Arterielle und venöse Thrombosen bei COVID-19-Infektio

Schrimpf, Claudia

Sotirelis, Ioannis

Zimmermann, Alexander

German

ZORA

Zurich Open Repository andArchiveUniversity of ZurichUniversity LibraryStrickhofstrasse 39CH-8057 Zurichwww.zora.uzh.chYear: 2023Nebenwirkungen der Pandemie, Aktuelles aus der Gefässmedizin: Arterielle undvenöse Thrombosen bei COVID-19-InfektionSotirelis, Ioannis ; Zimmermann, Alexander ; Schrimpf, ClaudiaAbstract: Nebenwirkungen der Pandemie, Aktuelles aus der Gefässmedizin: Arterielle und venöse Thrombosenbei COVID-19-InfektionPosted at the Zurich Open Repository and Archive, University of ZurichZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-251549Journal ArticlePublished VersionOriginally published at:Sotirelis, Ioannis; Zimmermann, Alexander; Schrimpf, Claudia (2023). Nebenwirkungen der Pandemie, Aktuellesaus der Gefässmedizin: Arterielle und venöse Thrombosen bei COVID-19-Infektion. VSAO Journal, 2023(2):50-51.50 2/23 vsao /asmac JournalPerspektivenDie Erkrankung an COVID-19 (Coronavirus Disease 2019) durch ein SARS-CoV-2 (Se-vere Acute Respiratory Syn-drome Coronavirus Type 2) ist mit einer hohen kardiovaskulären Morbidität und Mortalität assoziiert [1; 2]. Die Rate an thromboembolischen und kardiovasku-lären Komplikationen nimmt mit der Schwere der Erkrankung zu. Thromboem-bolische Ereignisse treten nicht nur als klassische tiefe Venenthrombose (TVT) oder Lungenembolie (LE) auf, sondern manifestieren sich auch als Mikrothrom-bosen in unterschiedlichen Organsyste-men.Zwei Mechanismen verantwortlich Als einer der Hauptmechanismen throm-boembolischer Ereignisse der COVID-19- Infektion wird ein systemischer Inflam-mationsprozess verantwortlich gemacht. Es kommt zu einem Sturm an proinflam-matorischen Zytokinen (wie z.B. Inter-leukin [IL]-1, IL2, IL-6 und Tumornekrose-faktor alpha), die ähnlich wie bei einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) zu einem prothrombotischen Milieu mit Steigerung der Produktion und Akti-vität von Thrombozyten als auch zu einer Verminderung der Fibrinolyse (IL-2) füh-ren. Anders als bei einer DIC ist bei CO-VID-19 die Thrombozytopenie gering und auch die aktivierte partielle Thrombo-plastinzeit und/oder Prothrombinzeit nur in einem geringen Ausmass erhöht. Des-halb wurde ein zweiter Mechanismus für die Entstehung arterieller Thrombosen postuliert, nämlich eine direkte Schädi-gung des Endothels mit konsekutiver En-dotheliitis [3, 4]. Diese Hypothese wurde durch eine relativ frühe Entdeckung von Varga et al. unterstützt, die elektronenmi-kroskopisch SARS-CoV2-Partikel in Endo-thelzellen nachweisen konnten [5]. In die-sem Zusammenhang wird angenommen, dass für die Infektion der Endothelzelle die Bindung des Virus an den ACE-2- Rezeptor (Angiotensin Converting En-zyme-2) notwendig ist [6, 7]. Interessan-terweise deuten einige Studien darauf hin, dass der ACE-2-Rezeptor auf arterio-sklerotischen Endothelzellen hochregu-liert zu sein scheint [8–10], was das Auftre-ten arterieller Thrombosen bei Patienten mit kardiovaskulärem Risikoprofil und COVID-19 zusätzlich begünstigt [11, 12].Häufigkeit arterieller und venöser ThrombosenDas Auftreten venöser Thromboembolien (VTE) variiert aufgrund der unterschiedli-chen Endpunkterfassung in der Literatur. Zwei Metaanalysen von Patienten mit  COVID-19 konnten Inzidenzen an VTE von etwa 28–38 Prozent bei Intensiv-patien ten und 7–17 Prozent bei nicht intensiv pflichtigen Patienten identifizie-ren [13, 14]. Am häufigsten kamen tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembo-lien mit jeweils 22 Prozent bei Intensiv- und 13  Prozent bei nichtintensivpflichti-gen  Pa tienten vor [15]. Mit 3,7–9,6 Prozent sind thrombotische Ereignisse im arteriel-len System weitaus seltener und wurden  dadurch weniger untersucht [16, 17]. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines akuten Koronarsyndroms aufgrund von COVID-19 scheint mit vorbestehender  Arteriosklerose assoziiert zu sein und  COVID-19 scheint auch in anderen arteri-ellen Stromgebieten das Auftreten arteri-eller Thrombosen zu begünstigen [11, 12]. Klok et al. berichteten in einer initialen Fallserie an 187 intensivpflichtigen Pa-tienten über 3,7 Prozent ischämische Schlaganfälle [16]. Eine Metaanalyse der Datenbank des «Coronavirus Critical Care Consortiums» konnte bei insgesamt 2699 eingeschlossenen Patienten 19 ischämi-sche Insulte nachweisen [18]. Verglichen damit ist das Risiko eines ischämischen Insultes bei einer vergleichbaren viralen Erkrankung wie z.B. Influenza mit ca. 0,2 Prozent deutlich niedriger [19]. Anders als Aktuelles aus der Gefässmedizin:  Arterielle und venöse Thrombosen bei COVID-19-Infektionen«Nebenwirkungen» der PandemieDass COVID-19 weit mehr als eine Erkrankung der oberen Atemwege ist, wurde bald klar. Das Risiko von kardiovaskulären und thromboembolischen Komplikationen liegt deutlich höher als etwa bei einer Influenza und  nimmt mit der Schwere der Erkrankung zu. Eine Antikoagulationstherapie muss individuell evaluiert werden.Ioannis Sotirelis, Prof. Dr. Alexander Zimmermann, PD. Dr. Claudia Schrimpf, Klinik für Gefässchirurgie,  Universitätsspital Zürichvsao /asmac Journal 2/23 51bei koronaren und zerebralen CO-VID-19-Manifestationen konnten Cheru-iyot et al. arterielle Thrombosen bei jun-gen Männern ohne vorbestehende Athero-sklerose nachweisen. Dabei waren meist grosse Gefässe wie die Aorta und mesente-riale Gefässe betroffen [20]. Dies unter-stützt die Theorie, dass auf molekularer Ebene ein akuter, lokaler Endothelscha-den, also eine Endotheliitis, für das Auf-treten thrombotischer Ereignisse mitver-antwortlich ist. Eine endotheliale arte-riosklerotische Vorschädigung kann zwar begünstigend wirken, ist jedoch nicht Grundvoraussetzung für eine CO-VID-19-bedingte arterielle Thrombose [3–5, 7]. Letztlich ist der zugrunde lie gende Mechanismus nicht abschliessend ge-klärt. Einen Hinweis geben Fournier et al., die feststellten, dass eine initiale  Erhöhung des D-Dimers > 1250 ng/l einen unabhängigen Prädiktor für das Auftre-ten  arterieller Thrombosen darstellt und ein dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko bei COVID-19-Patienten mit arterieller Throm bose im Vergleich zu Patienten  ohne COVID-19, trotz etablierter Anti-koagulation, besteht [21]. Antikoagulation zur Prävention thromboembolischer EreignisseAufgrund des erhöhten Risikos throm-boembolischer Ereignisse ist die wissen-schaftliche Evaluation einer Antikoagula-tion bei COVID-19 erstrebenswert.In der ACTION(AntiCoagulaTIon- cOro-Na virus)-Studie wurden bei an COVID-19 erkrankten Patienten mit erhöhten D-Dime-ren eine 30-tägige therapeutische Anti-koagulation (Rivaroxaban 20 mg oder un-fraktioniertes/niedermolekulares Heparin) mit einer prophylaktischen In-Hospital-Do-sierung von unfraktioniertem/niedermole-kularem Heparin verglichen. Die therapeu-tische Antikoagulation zeigte keinen Vorteil bezüglich der Sterblichkeit, ging aber mit einem höheren Blutungsrisiko einher [22]. Hingegen konnte in der ATTACC (Anti -thrombotic-Therapy-to-Ame liorate- Complications-of-Covid-19)-Studie belegt werden, dass hospitalisierte COVID-19- Erkrankte auf Normalstation von einer the-rapeutischen Antikoagulation profitieren können und entsprechend eine Abwägung erfolgen sollte [23]. Bei intensiv pflichtigen Patienten mit COVID-19, ohne anderweiti-ge Indikation zur Antikoagulation, wurden verschiedene Studien (ATTACC, ACTIV-4a und REMAP-CAP) vorzeitig gestoppt, da es unter Vollantikoagulation zu vermehr-ten Blutungsereignissen ohne Prognose-verbesserung kam [23, 24]. Für den ambu-lanten Bereich bzw. nach Spitalaufenthalt ist anhand der aktuellen Datenlage nicht davon auszugehen, dass Patienten von  einer Antikoagulation profitieren [25]. Bei ambulanten Patienten mit hohem Risiko für eine venöse Thrombo embolie kann  jedoch, je nach Risikoprofil, eine prophy-laktische Antikoagulation erwogen werden (Tabelle 1) [25]. Besondere Empfehlungen für eine An-tikoagulation bei Patienten mit arterieller Thrombose aufgrund einer COVID-19- Infektion bestehen nicht. Vielmehr be-stimmt das Ausmass des operativen/inter-ventionellen Eingriffs die nachfolgende Antikoagulationsstrategie. Letztlich bleibt in der täglichen Praxis die Durchführung einer Antikoagulation oftmals eine patientenindividuelle Ent-scheidung unter Einbezug des Blutungs- und Thromboserisikos. Die multifaktori-ell bedingte Entstehung der Thrombosen sowie die unterschiedliche Ausprägung der COVID-19-Infektion stellen für Klini-ker dabei eine Herausforderung im Thera-pieentscheid dar. PerspektivenTabelle 1. Antikoagulationsmanagement bei gesicherter COVID-19-Infektion. VTE: venöse Thromboembolie, NMH: niedermolekulares Heparin,  FPX: Fondaparinux, UFH: unfraktioniertes Heparin [25].Aufenthaltsort VTE-Risikoambulante Behandlung –  Keine generelle prophylaktische oder therapeutische Antikoagula-tion bei alten, schwer kranken teils immobilen Patienten –  Prophylaxe möglich Enoxaparin 1×4000 IE sc. Normalstation VTE-Risiko hoch –  Frühe Antikoagulation mit NMH, FPX oder UFH in prophylaktischer Dosierung bei niedrigem Blutungsrisiko therapeutische Antikoagula-tion erwägenVTE-Risiko niedrig –  Standardmässige medikamentöse ThromboembolieprophylaxeIntensivstation –  Standardmässige medikamentöse Thromboembolieprophylaxe –  Engmaschiges Monitoring–  Keine therapeutische Antikoagulation, ohne spezifische Indikation (z.B. LE)ambulant nach  HospitalisationVTE-Risiko niedrig –  Keine prophylaktische oder therapeutische AntikoagulationVTE-Risiko hoch – Prophylaktische Antikoagulation erwägen

Nebenwirkungen der Pandemie, Aktuelles aus der Gefässmedizin: Arterielle und venöse Thrombosen bei COVID-19-Infektion

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