Das zunehmende Alter baulicher Infrastruktur ist in vielen Ländern ein Grund zur Sorge, welcher häufig erst dann ins öffentliche Bewusstsein rückt, wenn es zu einem katastrophalen Versagen eines Infrastrukturbauwerks kommt. Bei Erddämmen sind verschiedene Versagensarten möglich, z. B. kann ein Böschungsbruch durch das Eindringen von Wasser unterhalb des Dammkörpers auftreten, wodurch die innere Reibung verringert wird und die Böschung ins Gleiten geraten kann. Um dies zu vermeiden, wurden weltweit verschiedene Sanierungs- und Ertüchtigungsprogramme für Dämme eingeleitet, um die ordnungsgemäße Funktion und Sicherheit dieser kritischen Infrastrukturen zu gewährleisten. Eine in der Praxis etablierte Lösung, ist die Planung und der Bau von Dichtwänden aus Dichtwandmassen wie Plastic Concrete.
Trotz seiner unbestreitbar vorteilhaften Materialeigenschaften ist Plastic Concrete noch nicht umfassend erforscht worden. Bislang wird Plastic Concrete bei der Bemessung von Dichtwänden als linear-elastischer Werkstoff betrachtet. Sein zweifellos vorhandenes duktiles und plastisches Verhalten wird vernachlässigt, nicht zuletzt, weil es an geeigneten konstitutiven Gesetzen und fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen fehlt. Nur wenige Studien waren umfangreich genug, um das Materialverhalten über einen längeren Zeitraum zuverlässig abzuschätzen. Daher ist es bisher nicht gelungen, systematisch ein Stoffmodell für Plastic Concrete zu entwickeln. Insbesondere das Ausmaß, in dem die Mischungszusammensetzung das mikrostrukturelle und mechanische Verhalten von Plastic Concrete beeinflusst, ist bisher unklar. Darüber hinaus wurden bisher keine umfassenden Untersuchungen durchgeführt, um die vorhandene Literatur über Plastic Concrete zu überprüfen und allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten festzustellen. Die vorliegende Arbeit zielt daher darauf ab, diese Lücke zu schließen und die ersten Schritte für ein umfassendes Verständnis des Materialverhaltens von Plastic Concrete zu setzen.
Zunächst bestätigte eine umfangreiche Literaturstudie, dass der Mischungsentwurf, insbesondere der Bentonitgehalt und die Bentonitart, die mikrostrukturellen und mechanischen Eigenschaften von Plastic Concrete erheblich beeinflusst. Diese wiederum sind vom Probenalter abhängig, wobei sich die Materialeigenschaften deutlich über die 28-Tage-Marke hinaus verändern. Die Literaturstudie lieferte zudem erste Einblicke in die Materialeigenschaften und zeigte ebenfalls die aktuellen Forschungslücken zum Materialverhalten von Plastic Concrete auf. Vor allem aber zeigte die Literaturstudie, dass das Materialverhalten von Plastic Concrete mit den Grundzügen der Betontechnologie übereinstimmt und daher mit den etablierten Frisch- und Festbetonuntersuchungen beschrieben werden kann.
Die mikrostrukturellen Eigenschaften wurden mittels Quecksilberdruckporosimetrie und Röntgendiffraktometrie untersucht. Die Ergebnisse zeigen hierbei eine signifikante Porenverfeinerung über einen längeren Untersuchungszeitraum von 4 Jahren, die mit einer zunehmenden Festigkeit korrelieren. Darüber hinaus hängt die Porengrößenverteilung vom Mischungsentwurf ab und korreliert mit den verwendeten Ausgangsstoffen. Die mineralogische Untersuchung mittels Röntgendiffraktometrie bestätigt die Existenz typischer kristalliner Produkte aus der Zementhydratation.
Die untersuchten mechanischen Eigenschaften korrelieren ebenfalls mit dem gewählten Mischungsentwurf, insbesondere mit dem verwendeten Wasser-, Zement- und Bentonitgehalt. Darüber hinaus steigt die Druck- und Zugfestigkeit mit dem Alter der Proben deutlich an. In dieser Arbeit werden auch erstmals Plastic Concrete-spezifische Modelle zur Abschätzung der mechanischen Eigenschaften entwickelt. Die Druckfestigkeitsentwicklung über die Zeit kann für ein Probenalter von bis zu 4 Jahren durch eine Anpassung des fib Model Code 2020-Zeitentwicklungsmodells angenähert werden. Es wurde festgestellt, dass das Verhältnis von Zug- zu Druckfestigkeit am besten durch eine lineare Annäherung korreliert werden kann. Schließlich hat sich gezeigt, dass der stabilisierte Elastizitätsmodul , mit dem gewählten Mischungsentwurf korreliert und aus der entsprechenden Druckfestigkeit abgeschätzt werden kann. Die E-Moduluntersuchungen verdeutlichen auch den signifikanten Einfluss, den der Prüfaufbau bzw. die Prüfnorm, insbesondere die gewählte Verformungsmessmethode, auf den ermittelten E-Modul hat.
Schließlich sind diese Ergebnisse von großem Wert für die zukünftige Bemessung von Dichtwänden aus Plastic Concrete, da damit eine realitätsnahe und präzisere zeitabhängige Bemessung in Zukunft möglich sein wird, die das spezifische Materialverhalten von Plastic Concrete berücksichtigt. Mit den gewonnenen Erkenntnissen können Dichtwände aus Plastic Concrete eine sichere Sickerwasserkontrolle innerhalb und unterhalb von Dämmen durch ein kontrolliertes Materialverhalten gewährleisten