Die Serie der bekannten und veröffentlichten byzantinischen Siegel aus serbischem Gebiet, und auch aus dem Gebiet des chemaligen Jugoslawien, wird durch diesen Beitrag fortgeführt'. Allem Anschein nach wird sich diese Tendenz auch in Zukunft fortsetzen?. Das hier veröffentlichte Siegel wurde verständnisvoll von Herrn Branislav Cvetković, dem Oberkustos des Heimatmuseums der Stadt Jagodina, zur Verfügung gestellt, wofür wir uns bedanken möchten. Das Siegel wurde im Dezember 2005 in der Umgebung des Dorfes Vojska („das Heer“!) gefunden?, 15 km nördlich von Jagodina, am Ostufer des Flusses Velika Morava

Krsmanović, Bojana

Maksimović, Ljubomir

Serbian Academy of Science and Arts Digital Archive (DAIS)

LtusoMtR MarslMovlc -BoraNn KRSMANovta I BELGRADDAS SIEGEL DES IOANNES PROTOSPATHARIOSLII{D STRATEGOSDie Serie der bekannten und veroffentlichten byzantinischen Siegel ausserbischem Gebiet, und auch aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien,wird durch diesen Beitrag fortgeflihrtl. Allem Anschein nach wird sichdiese Tendenz auch in Zukunft foftsetzen2. Das hier veroffentlichte Siegelwurde verstdndnisvoll von Herrn Branislav Cvetkovi6, dem Oberkustos desHeimatmuseums der Stadt Jagodina, zur Verftigung gestellt, wofiir wir unsbedanken mochten. Das Siegel wurde im Dezember 2005 in der Umgebungdes Dorfes Vojska (,,das Heer"!) gefunden3, 15 km nordlich von Jagodina,am Ostufer des Flusses Velika Morava. In diesem Dorf befinden sich auchUberreste einer unzureichend erforschten Befestigung (Fundort iukara-Gradac)a. Neuere Erkundungen des Geliindes verweisen auf das Bestehen' Vgl. L. Mersruovrc, Pedat avtokratora Mihaila VII Duke i podetak njegove vladavine(La bulle de I'autocrator Michel VII Doukas et le d6but de son rdgne), Zbornik radovavizantoloiki instituta 23 ( 1984) 89 94 (ZRVI): oens., Pedat Konstantina Duke Raula (Labulle de Constantin Doukas Raoul). Spomenica Boika Babica. Prilep 1986' 139-141;oens., Strateg Trajanupolja (Le stratdge de Trajanoupolis), ZRVI 27128 (1989) 63-68; L.Mlrsrvovtc M. Poeovtc, Les sceaux byzantins de la rfgion danubienne en Serbie,Studies in Byzantine Sigillography 2 (1990) 213,234 (SBS); oresser-erN, Les sceauxbyzantins de la rdgion danubienne en Serbie, II, .SBS 3 (1992) 163-184, L. Mersrvovtc,Olovni pedati vizantijskog porekla (Die Bleisiegel byzantinischer Herkunft), in: M.Poeovrc, Tvrdjana Ras. Belgrad 1999, 437438; L. Mersrnrovlc, Tpeiq Dro<popenrfqBu(ovtrvdg orppof8eg, in: K)"r1t6ptov erq pvqp4v Nirou Orrovopi8rl. Athen - Thessalo-niki 2005 (ersch. 2006) 347-352.2 Im Laufe des Jahres 2006 kam es zu entsprechenden Entdeckungen an mindestens zweiFundorten in der Niihe der Stadt Leskovai, jedoch ist uns dieses Material immer nochunzugiinglich.3 Uber die etymologischen Entwicklungsmoglichkeiten des Dorfnamens s. A Lova, Cetiritoponomastidke opaske uz povelje knezaLazara, in'. Resava (Gornja i Donja) u istoriji,nauci, knj iiev nos ti umetnosti. Despotovad 2004, 106-107'a Vgl. M. Mu,trovtc, Resava. Naselje i poreklo stanovniStva, Srpski etnografski zbornik46 (1930) r95.244 L, Makqimoyii - B. Krsmanovtcvon drei friihbyzantinischen Befestigungen in un-mittelbarer Ndhe, in der Urngebung des Dorfes Kru-Sar. In einer davon wurde auch keramisches Materi-al aus dern 6. Jahrhurrdert gefultdell5.Das hier zu erorternde Siegel ist ein Zufallsfund,der wdhrend der Feldarbeiten gefunden wurde undin den Besitz einer Privatperson gelangte. In derZwischenzeit konnte Branislav Cvetkovi6 das Stiickvennesselt und fotografieren; es wurde unter der Nr.71 alsbyzantinisches Siegel aus dem 1 I . Jahrhundertin die Samrnlung mittelalterlicher Kunst des Muse-ums in Jagodina aufgenommen. Aufgrund dieserDaten haben wir unsere Forschungen betrieben, ohnedie Gelegenheit gehabt zu haben, das bereits ver-kaufte Siegel selbst zu begutachten. Vermutlich wirdes den Forschern unzugiinglich bleiben.Der Bleiabdruck des Siegels hat einen Durchmesser vou 3 crn (lnnenfeld2,3 cm) und wiegt 21,6 g.Die Vorderseite weist ein relativ gut erhaltenes Standbild der TheotokosHagiosoritissa6 nach rechts gewerrdet auf. Das Gebet der Theotokos ist zumHimmel gerichtet, aus dem Himrnelssegment erscheint die Hand Gottes.Die Arme der Gottesmutter befinden sich nicht in gleicher Hohe - derrechte ist hoher gerichtet, vom ihm aLrs l?illt der Mantelsaum frei zu Boden.Siglen: wtp ttw nir M(nrtl)p o(eo)0. E,in Perlenrand umrahmt die Dar-stellung.5 Die Dokumentation befindet sich in der Archiiologischen Abteilung des Museums inJagodina. Vgl. auch M. BnN,teoltc, Ranovizantilska nalazista u Sredniem Pomoravliu,Spomenica Jovana Kovaievita. Belgrad 2003' 281-291 '6 Vgl. W. Sprer, Die Darstellung der Theotokos auf byzantinischen Bleisiegeln, besondersim ll. Jh., sBs I (19s7) 48 49 und Anm. 37, nach G. Zecos, Byzantine Lead Seals ll(ed. J. W. Neserrr)" Bern 1984, Nr. 648, Nr. 8l L Eine iihnliche Darstellung der Gottes-mutter ist noch auf einigen weiteren Siegeln zu sehen, z. B' J. Nesstrr - N. OxoNotutoss,Catalogue of Byzantine Seals at Dumbarton Oaks and in the Fogg Museum of Art, I'Italy, North of the Balkan. North of the Black Sea. washington, D. C. 1991, Nr. 1.6(DOSeats); I. Kolrsroe-Merne. Bu(cvtrvd pro)"uB66Boull.c ou)").oy1q opqcvi8l-NLrco)"oi8q Nopropcnrof Mouoeiou Aoqvcirv (Tetpd6m Xptouavwri -c Aplatdoyw4-cErarpclct_c 4). Athen 1996. Nr. 159. Zu den Darstellungen der Gottesmutter Hagiosori-tissa vgl. auch I. Kor-rsroe-Marne, The Iconography of the Virgin through Inscriptionson Byiantine Lead Seals of the Athens Numisnratic Museum Collections. SBS 8 (2003)2829.36.DT li.e:l 9::.r93,nl::. Pi9l9:p3llTi9l u1d Strateqgs 245Auf dem Revers eine sechszeilige Legende. uber der Aufschrift einKreuz. Die letzte zeile ist zum Teil beschiidigt, zu beiden Seiten wird sievon einem Liingsstrich flankiert. Perlenrand.+ OTP RO-HOH ItrI A,-CrIEOAP, - S CTPAT-..CD@(eor6)re pone(e|'Io(aw1) (npo:ro)ona0ap(itp) (rci) orparfr1y]0.Die Bleibulle ist ca. 1020 bis 1050 zu datieren.Die Inschrift ftihrt weder Familiennamen noch Kommando bzw. Kom-mandobereich an. Das ist kein ganz ungewohnliches verfahren, obwohl eseher ftir das 11. Jahrhundert als selten zu bewerten ist7. Das Fehlen desFamiliennamens bedeutet vielleicht auch, dass Ioannes nicht einer der an-geseheneren Familien angehcirte, bzw. zu einer Familie, deren Nachnamebereits eingebtirgert warr. Indessen liisst der Urnstand, dass loannes'Zustiin-digkeitsbereich nicht angefiihrt ist, keine weiteren schlussfolgerungen liberseine Position in der sozialen Rangordnung zu. Das Auslassen dieses Ele-ments kommt bei ganz unterschiedlichen wi.irdentrdgern vor, sowohl beiden bedeutenderen als auch bei den weniger bedeutendene.Andererseits ist die Kombination protospatharios und Strategos in ver-schiedenen Epochen durchaus i.iblich gewesen, so auch in der betreffendenzeit, in der der Gebrauch der wiirde des protospatharios sonst zu Endegeht'0. Sie ist sowohl ftir die Befehlshaber der alten, traditionellen Themen7 Die,,Sammlung aus Preslav" enthiilt mehrere Siegel aus dem 10.-l L Jahrhundert, derenEigentiimer nur dem Namen nach bekannt waren und als Protospatharioi und Strategentituliert wurden: I. JonorNov, Pedatite ot strategUata v preslav. Sofia 1993, Nr. 332-333(Abramios); 334-340 (Aetios); 347152 (Arkadios); 358 (Theophylaktos); vgl. dazu dieKorrektur von W. Seter, Byzantinische Zeitschrift 89/l (1996) 136.8 Auf mehreren Siegeln von Protospatharioi und strategen (ohne Toponyme) aus dem10. 11. Jh. sind auch derName und Familienname des Eigentiimers angeftihrt, s. z. B.A.-K. WAsslr-lou - W. Sster, Die byzantinischen Bleisiegel in Osterreich lI: Zentral- undProvinzialverwaltung. wien 2004, Nr. 288 (Theognostos Limnogalaktos, kaiserlicherProtospatharios und Strategos, Mitte 10. Jh.); Les sceaux byzantins de la collectionHenri Seyrig, hrsg. J.-c. cun'NEr, c. MonnrssoN, w. Serer, paris 1991, Nr.2l4 (IoannesDalassenos, kaiserlicher Protospatharios und strategos, Ende 10. - erstes Drittel I l. Jh.);Nr. 215 (Basileios Theodorokanos, Protospatharios und Strategos, um 1025-1035);JonoeNov, a. o., Nr.36l (Konstantinos opos, protospatharios und Strategos, um die30er-40er Jahre des I l. Jh.); Nr. 362 (Leon Goudeles, protospatharios und Strategos,2. Viertel ll. Jh.).e Davon zeugen auch die Siegel aus dem ll. Jahrhundert, wessu-rou - Serer, a. o., Nr.289 (Strategos);290,293,294,297,298 (Patrikios und Strategos),29t (protospatharios,Hypatos und Strategos); 292 (Spatharokandidat und Strategos); 295 (Magistros, Vestar-ches und Strategos); 296 (Patrikios, Hypatos und Strategos); 299 (Vestarches und Stra-tegos).'0 Die wi.irde des Protospatharios bestand bis zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Dazu N.orroNovroes, Les listes de pr6sdance byzantines des IX" et X" sidcles. paris 1972.297.246 1.. Maksimovii B. Krsmanovrcbezeichnendrl, als auch ftir jene der kleinen Themen, die seit dern Ende des10. Jalirhunderts besonders zahlreich waren, meist auf eirre Befestigung undihre Umgebung beschrdtrktr2. Eine andere Frage ist, inwiefern man tatsdch-licli von der Existenz solcher kleinerr Themetr, die irn Osten und in dentraditionsgemdB von By zanz kontro I I ierlen Bal kangeb ieten bemerkbar war,in den nach 1018 zuriickerobeften Gebieten ausgehen konnte. Neuere For-schungen iiber die riiumliche Organisation irn Norden ur-rd Nordwesten desBalkans, wo sich eine groBe Riickkehr vonByzanz abspielte, deuten aLrf dieExistenz von einigen relativ ausgedehnten Themen hin. Darunter wurdenauf dem Gebiet des heutigen Serbien mit Sicherheit drei Thernen ennittelt- Serbien, Sirmiurn und ein Teil des Themas Bulgarienr3. Obwohl ihregenaue Lage und Grenzlinien groBtenteils immer noclr ungesichert sind,liisst sich mit Sicherheit behaupten, dass die ersten zwei Themen nicht-ienenTeil des Flusslaufs der Velika Morava Lunfassten, an dem das Siegel desProtospatharios und Strategen Ioannes gefunden wurde. E,inzig kcinnte dasThema Bulgarien in dieser Hinsiclrt eine Ausnahme darstellen.Eir-rhergehend zu dieser Losung haben sich jedoch auclt treue Moglich-keiten eroffnet. Das Vorkommen des Themas Morava auf dem Siegel einesAdralestos Diogenes ist zweifelsohne interessant, wenn es darurn geht, dieOrganisationsmoglichkeiterr der byzantinischen Herrschaft in jenern Gebietzu ercirtem, in dem das Siegel des Ioannes gefunden wurde. Die Forscher,die sich mit dem Siegel des Diogenes beschiiftigt haben, sind sich nicht iiberdessen Datierung einig. Manche vennuten einen Zusammetrhang rnit derersten byzantinischen Riickeroberung des Nordbalkans unter Ioannes Tzi-miskes (70er Jahre des 10. Jhs.)ra, wdhrend W. Seibt es in die erste Hiilftedes I l. Jahrhundefts setztrs. In beiderr Fiillen bestiitigt sich die logischellt2tll4l5Vgl. z. B. DOSeals l. 12.8; 12.() (Protospatharios und Strategos von Dyrrrachion); Nr.43.30 (Protospatharios und Strategos von Makedonien): Wesstltou - Seter, a. O.. Nr.302 (kaiserlicher Protospatharios und Strategos Anatolikon).So z. B. der Protospatharios und Strategos von Ni5 (DOSeals 1,32.2). der Protospatha-rios und Strategos von Preslav (dass.,69.1), Preslavica (dass.,78.4). Traianoupolis (Lj.Mersnlovrc. Strateg Tra.ianupol.ia, ZRVI 27128, 1989,63-{7) usw.L. Mersrvovrc. Organizacija vizantijske vlasti u novoosvo.ienim oblastima posle l0l8(L'organisation du pouvoir byzantin aprds l0l 8 dans les contrdes reconquises). ZRI/l 36(t997) 3t-44.In DOSeals I 36a I (Addendum. S. l95t-.) ist das Siegel auf 10./l l. .lh. datiert, im Kom-mentar allerdings wird das Vorkommen des Strategen von Morava mit der Epoche vonTzimiskes in Verbindung gebracht. Siehe auch S. Ptntvetntc. Vizantiiska tema Moravai "Moravije" Konstantina VII Porfirogenita (Le theme byzantin de Morava et la "Mora-vie" de Constantin VII Porphyrogendte), ZRVI 36 (1997) 176.W. Serer, Byzanlinische Zeitschrift 89 (199111992) 550 (Rezension zu DOSeals I). Soauch J.-C. Cunvnrr, Grandeur et ddcadence des Diogdnai, in'. The Empire in Crisis (?1.Das Siegel des Ioannes Protospatharios und Strategos 247Annahme, dass die byzantinische Herschaft an der FernstraBe via militarisstiindige organisationsformen gehabt haben miisste, jedoch ist die zweiteDatierung wichtig fijr das Verstiindnis der umstiinde, unter denen das Sie-gel des Protospatharios und Strategen loannes entstanden ist.Hiermit soll selbstverstzindlich weder behauptet werden, dass Ioannesder Stratege von Morava, noch sein Gebietsoffizier (Stratege der Stadt)gewesen sei, geschweige denn dass sein Siegel aus einem anderen Gebietimporliert worden war, in dem er seinen Dienst ausgeiibt hatte. AIle dieseMoglichkeiten bleiben weiterhin offen, innerhalb realistischer, jedoch vor-erst unbeweisbarer vermutungen. Trotz allem kann man mit groBer Sicher-heit daraus schlieBen, dass im Laufe des I l. Jahrhundefts das Flusstal derv,elika Morava auf eine durchaus iibliche weise in das byzantinische The-mensystem in seiner damaligen Form integrieft war. Unter diesen umstiin-den stellt das vorkommen des Siegels des protospatharios und StrategenIoannes in diesem Gebiet zugleich sowohl eine Beschreibung als auch eineBestiitigung dieser Tatsache dar.Byzantium in the I l'h Century (1025-10s1). Athen 2003, 122 123. Adralestos Diogenesist zudem auf einem anderen synchronen sttick, das sich heute in der Ermitaz (M-555 I )befindet, als Stratege (ohne Kommandobereich) in der hciheren Rangstuf'e eines Patrikioserwtihnt. v. S. SenonovsKArA - w. SErer, Byzantinische Bleisiegel der Staatlichen Ere-mitage mit Familiennamen, l. Teil, Sammlung Lichadev -Namen von A bis I. wien2005, Nr. 69 (20er bis 40er Jahre I l. Jh.)

Das Siegel des loannes Protospatharios und Strategos

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