Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Besuche am Weideselektionstor von der Tageszeit und der Laktationsnummer der Kühe abhingen. Am häufigsten wurde das Selektionstor am Abend und in der Nacht besucht. Die Zahl der Besuche reichte von null bis 3,5 pro Kuh und Tag

Eilers, Uwe

Gerster, Elisabeth

Organic Eprints

16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org Häufigkeit von Weidegängen in einem Öko-Milchviehbetrieb mit automatischem Melksystem (AMS) Eilers U1 & Gerster E1 Keywords: Milchkühe, Weide, Verhalten, Melkroboter, Selektionstor. Abstract  The compulsory access to pasture for ruminants is an essential component of organic dairy farming. This also concerns dairy farmers with automatic milking system (AMS).  Oftentimes, selection gates are used to regulate the access of cows to pasture based on their specific milking permission. The aim of this study was to identify preferences of cows to help modify AMS systems with pasture to better serve animal needs. We used individual animal identification on one organic study farm to evaluate cows’ visits of the automated milking system and the selection gate. Our data shows that the visits were dependent on time of day and lactation number of the animals. The highest number of visits at the selection gate occurred during the evening and at night. The number of visits ranged from none to 3,5 per cow and day. Our results give valuable insights into possible ways to improve the regulation of the access to pasture and milking permission. Moreover, they offer an initial starting point to establish practical requirements with regard to the management of grazing. Einleitung und Zielsetzung Die Haltung von Wiederkäuern erfordert im ökologischen Landbau den verpflichtenden Zugang der Tiere zu Weideflächen. Somit sind auch Milcherzeuger mit AMS gefordert, ihren Kühen Zugang zu Weideflächen zu ermöglichen. Um die Auslastung des Melksystems und gleichmäßige Melkintervalle sicherzustellen, wird dabei häufig der Weidezugang für die Kühe entsprechend der Melkberechtigung selektiv gesteuert und regelmäßig im Stall Futter vorgelegt. Dies führt je nach Verfügbarkeit von Weidefläche zu einer Begrenzung des möglichen Weidegrasanteils an der Tagesration und senkt die Häufigkeit und Dauer von Weidegängen. Geringere Beschränkungen des Weideganges können wiederum zu einem höheren Arbeitsaufwand durch Nachtreiben von zum Melken fälliger Kühe führen. Kenntnisse über das Weideverhalten von Milchkühen sollten Anlass sein, das Melksystem sowie die Steuerung des Weidezugangs entsprechend ihrer natürlichen Bedürfnisse einzustellen, da das Weide-Selektionstor zu häufigen Ablehnungen von Weidegängen führen kann (Saur 2018). Auch ließe sich das Weidegras besser als Bestandteil der Futterration ausnutzen und es ließen sich Anhaltspunkte für tiergerechte und praxisnahe Weidevorgaben für die Erzeugung von Weidemilch (BLE 2020) oder den ökologischen Landbau ableiten.  Methoden Die Untersuchungen fanden auf einem Demeter-Milchviehbetrieb mit 82 horntragenden Kühen (Stand 2018) der Rasse Deutsches Braunvieh in Oberschwaben (Baden-                                                 1 Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), Atzenberger Weg 99, D-88326 Aulendorf, Deutschland, uwe.eilers@lazbw.bwl.de, www.lazbw.de   16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org Württemberg) statt. Die an den Stall mit AMS grenzende Weidefläche umfasst 7,5 ha und war für die Kühe während der Datenerhebung vollständig zugänglich. Das entspricht einer Weidefläche von 0,1 ha je Kuh. Dies wiederum ermöglicht einen Weideaustrieb von zwei bis vier Stunden täglich und erfordert eine Zufütterung im Stall von 70 bis 90% der Gesamtration (Steinwidder 2021). Die Weidesaison dauert von April bis November. Das Weide-Selektionstor wurde im Juni 2017 in Betrieb genommen. Die Kühe können das Tor in Richtung Weide passieren, wenn von der Zwischenmelkzeit maximal 35% abgelaufen sind. In den Sommerzeiträumen wird im Stall morgens Heu und zweimal täglich frisches Gras vorgelegt, um 11 und um 17 Uhr. Das Gras wird zwischen 5 und 6 sowie um 8 und 15 Uhr nachgeschoben. Des Weiteren bekommen die Kühe sowohl im Winter als auch im Sommer morgens 1,5 kg Grascobs am Futtertisch und werden eingesperrt. Im Sommer dient das als Lockfutter für die Kühe, um von der Weide in den Stall zu kommen. Dadurch müssen so gut wie keine Kühe von der Weide nachgetrieben werden. Zur Bearbeitung der Fragestellung wurden die Datensätze „Routing Visits“ des Melktechnikherstellers unter anderem in folgenden Zeiträumen genutzt: 01.05.2017 bis 30.09.2017 sowie 01.05.2019 bis 30.09.2019. Die Dateien „Routing Visits“ enthalten auf Einzeltierbasis jede Tiererkennung im AMS und am Weide-Selektionstor mit Zeitstempel und weiteren tierbezogenen Informationen wie Laktationsnummer und Laktationstag. Die Jahre 2017 und 2019 wurden gemeinsam ausgewertet. Ergebnisse und Diskussion Die statistische Auswertung der Anzahl Tieridentifikationen an Weide-Selektionstor und AMS hat für die Jahre 2017 und 2019 keinen signifikanten Jahreseffekt auf die „mittlere Anzahl von Weidetorpassagen je Tag und Tier“ (nachfolgend „Anzahl Weidegänge“) ergeben. Auch für das Laktationsstadium der Kühe konnte kein signifikanter Einfluss nachgewiesen werden. Dagegen hat die Laktationsnummer der Kühe als fester Effekt einen hochsignifikanten Einfluss.   Abbildung 1: Box-Plot-Darstellung der Anzahl Weidegänge je Kuh und Tag (Basis Monatsmittelwerte, n = 435). Abbildung 1 zeigt, dass die Spannweite der Anzahl täglicher Weidegänge zwischen 0 und 3,47 beträgt. Die Hälfte der gemessenen Werte liegt zwischen 0,36 bis 1,58 täglicher Weidegänge (2. und 3. Quartil), der Median beträgt 0,9 und das arithmetische Mittel im 2. und 3. Quartil ist 1,03. Dieser Wert liegt zwischen den von Saur (2018) erhobenen Werten der Jahre 2017 und 2018 und korrespondiert somit. 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org Das untere Viertel der Beobachtungen liegt zwischen 0 und 0,36 (1. Quartil), das obere zwischen 1,58 und 3,33 (4. Quartil). Daraus folgt, dass geringe Weidegangfrequenzen deutlich häufiger beobachtet wurden als relativ hohe Werte von täglichen Weidegängen. Ein Grund für die eher seltenen Weidegänge in der betrachteten Milchviehherde kann die regelmäßige und reichliche Zufütterung im Stall sein. Dies dient der bedarfsgerechten Ergänzungsfütterung zum Weidegras sowie als Lockmittel zum Melken. Neben Kraftfutter in der Melkstation wird dafür unter anderem frisches Gras, das als besonders attraktiv für die Kühe gilt, verwendet. Entgegen dem vermeintlichen Zweck der gängigen Praxis der Zufütterung haben Spörndly und Wredle (2004) festgestellt, dass unter Vollweidebedingungen eine ad libitum Zufütterung von Grassilage im Stall im Vergleich zu einer begrenzten Menge von drei kg Trockenmasse nicht zu einer höheren Milchleistung oder Melkfrequenz geführt hat. Die Zahl nachzutreibender Kühe war sogar höher.  Um Tiere zu charakterisieren, die überdurchschnittlich viel bzw. wenig auf die Weide gehen, wurden die Mittelwerte im 1. und 4. Quartil gegenübergestellt. Für das 4. Quartil des Parameters Anzahl Weidegänge wurden im Mittel 2,2 tägliche Weidegänge gemessen. Die Tiere wiesen im Mittel 2,7 Laktationen auf und befanden sich im 253. Laktationstag. Die Kühe im 1. Quartil mit lediglich 0,1 täglichen Weidegängen waren älter (3,5 Laktationen) und befanden sich etwas früher in der Laktation (220. Tag) (Eilers et al. 2022).  Abbildung 2: Mittlere Anzahl Weidegänge je Kuh und Tag sowie Standard-abweichung in Abhängigkeit der Laktationsnummer mit Signifikanzen im paarweisen Mittelwertvergleich (Basis Jahresmittelwerte). Die Anzahl an Weidegängen nahm im Jahresmittel je Tier und Tag von der 1. (Laktationsnummernklasse (Lnrcl) 1) bis zur 3./4. Laktation (Lnrcl 3) zu. Ältere Kühe mit 5 und mehr Laktationen (Lnrcl 5) gingen am seltensten auf die Weide. Kühe der 3. und 4. Laktation erreichten einen Wert von im Mittel 1,38 täglicher Weidegänge. Die Unterschiede zu Kühen in der 1. Laktation und zu Kühen mit 5 und mehr Laktationen waren höchst signifikant. (Abb. 2). Saur (2018) hat für das Jahr 2018 mit Hilfe von Fokustieren ein vergleichbares Ergebnis erhoben. Für die Tiere in der 3. Laktation konnte er die häufigsten Weidegänge nachweisen. Die Beobachtungen von Beigel (2020) im Jahr 2019 gingen in die gleiche Richtung. Er hat für die Tiere in der 3. Laktation weniger Weidegänge gefunden als für Tiere in der 2. und 4. Laktation. Kühe in der 4. Laktation erreichten das Maximum, während ältere Tiere deutlich abfielen. 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Beitrag wird archiviert unter http://orgprints.org Diese Beobachtungen könnten dadurch zustande kommen, dass junge Kühe zunächst den Zusammenhang zwischen Melken und Weideberechtigung am Selektionstor erlernen müssen. Das bestätigen die Beobachtungen von Saur (2018). Die Abnahme der Weidegänge bei Kühen mit fünf und mehr Laktationen kann mit der eingeschränkten Mobilität und Fitness von älteren Kühen zusammenhängen. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung verdeutlichen, dass Milchkühe unter den gegebenen Rahmenbedingungen mit automatischem Melksystem im Mittel einmal täglich auf die Weide gehen. Allerdings werden viele Kühe beim Einsatz von Weide-Selektionstoren an einem häufigeren Gang auf die Weide gehindert (Saur 2018). Auch besuchten in den Betrachtungszeiträumen ein Viertel der Kühe auf dem Projektbetrieb so gut wie gar nicht die Weide. Um einerseits den Bedürfnissen der Kühe besser zu entsprechen und andererseits die Umsetzung von Weidevorgaben glaubwürdiger zu machen, sollten Milchviehhalter bei Bedarf Maßnahmen zur Ausdehnung des Weidegangs in ihrer Herde ergreifen. Das kann zum Beispiel durch täglich aktives Austreiben aller, insbesondere aber der älteren Kühe, oder durch Erweiterung der Weideberechtigung z.B. auf die gesamte Zwischenmelkzeit beim Einsatz von Weide-Selektionstoren erfolgen. Vor allem soll abends und nachts der Weidegang für die Kühe ermöglicht und erleichtert werden, da diese Zeiten von den Kühen dafür präferiert werden (Kismul et al. 2019, Saur 2018). In der Regel sind nachts die Melkungen am automatischen Melksystem reduziert, dadurch ist nicht unbedingt ein Konflikt mit der Auslastung des Melksystems zu erwarten. Die Ausdehnung des Weidegangs und die bessere Ausnutzung des Weidegrases als Bestandteil der täglichen Futterration kann außerdem durch eine Reduzierung und gezielte Anpassung der Zufütterung im Stall an das aktuelle Weidegrasangebot erfolgen.  Literatur Beigel S (2020): Verhalten von Kühen bei Einsatz eines dezentralen Weide-Selektionstors im AMS-Betrieb. Bachelor-Thesis. Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Weidenbach. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (2020): Was ist drin, wenn Weidemilch draufsteht? Online verfügbar unter https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaftliche-produkte/worauf-kann-ich-beim-einkauf-achten/kennzeichnung/weidemilch/ [Zuletzt besucht am 29.07.2022]. Eilers U (2021): Automatisches Melken und Weidegang – Umsetzung in der Praxis, Potenziale, Bewertung, Empfehlungen und Aspekte des Tierverhaltens. Projektbericht. Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), Aulendorf. Eilers U, Gerster E, Beigel S & Saur H (2022): Aspekte des Weideverhaltens von Milchkühen in einem Praxisbetrieb mit automatischem Melksystem (AMS) und Weide-Selektionstor. Züchtungskunde 94 (3): 161-177. Kismul H, Spörndly E, Höglind M & Eriksson T (2019): Nighttime pasture access: Comparing the effect of production pasture and exercise paddock on milk production and cow behavior in an automatic milking system. J. Dairy Sc. 102: 10423-10438. Saur, H. (2018): Weidenutzung von Kühen beim Einsatz eines dezentralen Weideselektionstors in einem AMS-Betrieb. Master-Thesis. Universität Hohenheim, Stuttgart. Spörndly E & Wredle E (2004): Automatic Milking and Grazing – Effects of Distance to Pasture and Level of Supplements on Milk Yield and Cow Behavior. J. Dairy Sc. 87: 1702-1712. Steinwidder A (2021): Die richtige Beilage zur Weide. Allgäuer Bauernblatt 22/2021: 20-21. 

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